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Computertechnik: Daten auf Kollisionskurs und Computerbauteile im Tiefschlaf

Heidelberg. Damit der atemberaubende technische Fortschritt auch beim Benutzer ankommt, lassen sich die Hersteller von Computerchips ("Mikroprozessoren") unkonventionelle Techniken einfallen.
"Haswell" Mikroprozessor (ganz), Intel Core Prozessoren der vierten Generation

Alle anderthalb Jahre verdoppeln sich die Fähigkeiten der Computer – einerlei, ob man unter "Fähigkeit" Rechengeschwindigkeit, Speicherkapazität oder Preis-Leistungs-Verhältnis versteht. Ein technischer Fortschritt mit einer derartigen Geschwindigkeit ist in der Geschichte noch nie dagewesen und immer wieder erstaunlich, auch wenn man nach fast 50 Jahren des Staunens allmählich müde wird.

Die Regel heißt mooresches Gesetz nach Gordon Moore, einem der Gründer der Firma Intel, die vor einem knappen halben Jahrhundert mit der Herstellung integrierter Schaltkreise ("Mikroprozessoren" oder "Mikrochips") begann und heute noch in dieser Branche Marktführer ist. Das mooresche Gesetz hat seit 1965 funktioniert, weil es gelungen ist, immer mehr Transistoren – die elementaren Bausteine jedes Computers – auf einem Mikrochip unterzubringen.

Mittlerweile sind es einige Milliarden, und eigentlich kann das Verkleinern der Transistoren nicht mehr lange so weitergehen: Schon in wenigen Jahren wird man die Anzahl der Atome, die einen Transistor ausmachen, mühelos abzählen können. Aber bevor diese physikalische Grenze erreicht ist, drückt die Ingenieure von Intel ein ganz anderes, unerwartetes Problem: die Unterbeschäftigung ihrer Bauteile. Die Transistoren sind mittlerweile so viele, das es schwierig wird, ihnen allen zugleich etwas zu tun zu geben.

Fantasie und neuartige Lösungen sind gefordert – und werden gefunden. Ein Wissenschaftler, Arndt Bode von der Technischen Universität München, und ein Praktiker, Herbert Cornelius von Intel, haben sich zusammengetan und beschreiben neue Lösungen in der aktuellen Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft".

Die erste naheliegende Idee: Setzen wir doch einfach mehrere Rechenwerke auf einen Chip und lassen sie unabhängig voneinander rechnen. Das funktioniert auch, Stand der Technik sind bis zu 64 eigenständige "Rechenkerne" ("Cores"); aber das Problem mit der Unabhängigkeit setzt diesem Ausweg enge Grenzen. Wie in einer großen Firma müssen alle Mitarbeiter darauf warten, bis der Kollege fertig wird, um ihre eigene Arbeit tun zu können; Daten auf dem Weg von Core zu Core oder von und zu externen Geräten stehen ständig im Stau, und das Ganze ist so unkalkulierbar, dass man gar nicht genug "Datenautobahnen" für den internen Verkehr auf dem Chip bereitstellen kann. Jeder Kern hat schon eine ganze Hierarchie von "Wartezimmern" für Daten ("Caches") um sich, damit die Daten auch rechtzeitig da sind, wenn sie gebraucht werden. Wohlgemerkt, es geht hier um Nanosekunden (milliardstel Sekunden).

Ein anderer Ausweg, der "transaktionsgesteuerte Speicher" ("transactional memory"), ist für den durchschnittlichen Teilnehmer am Straßenverkehr etwas gewöhnungsbedürftig. Alle Ampeln für den Datenverkehr werden auf grün gestellt; wenn es kracht, räumt man die Trümmer beiseite und schickt neue Autos auf den Weg; Daten sind ja beliebig kopierbar. Aber meistens kracht es eben nicht, und dann geht es schneller als im ampelgeregelten Verkehr.

Oder ein Prozessor, der noch nicht weiß, welche von zwei Alternativen er bei der Rechenarbeit weiterverfolgen soll, rechnet erst einmal auf Verdacht die eine. Wenn er Glück hat, war es die richtige, wenn nicht, hat er nur die Zeit verloren, die er sonst untätig geblieben wäre.

Weil aber alle diese organisatorischen Maßnahmen nicht ausreichend sind, um alle Transistoren zu beschäftigen, verleibt sich der Mikrochip auch Aufgaben ein, die traditionell von separaten Bauteilen erledigt werden. Das betrifft vor allem den Hauptspeicher und die Grafikkarte. Am Ende steht das "System on a Chip" (SoC): Ein einziger Chip macht den ganzen Computer aus.

Mit der Miniaturisierung handeln sich die Chiphersteller noch ein weiteres Problem ein: die Wärmeentwicklung. Schon heute heizt ein Chip pro Quadratzentimeter deutlich stärker als ein Bügeleisen, und kleinere Transistoren produzieren nicht so viel weniger Wärme, wie sie kleiner sind. Was kann man tun, außer besser zu kühlen?

Man versucht's mal mit Gemütlichkeit. In den alltäglichen Anwendungen sind nicht alle Teile eines Chips dauernd beschäftigt. Da hilft es, wenn die nicht benötigten Teile zwischendurch ein Nickerchen machen. Wer schläft, produziert keine Wärme – jedenfalls wenn es ein Transistor ist. Interessant ist das vor allem für batteriebetriebene Geräte, weil auch der Stromverbrauch entsprechend zurückgeht.

Es gibt auch den Halbschlaf – gewisse wenig gebrauchte Komponenten laufen mit verminderter Taktrate – und wie beim Menschen das Problem mit dem Aufwachen: Ein stillgelegtes Bauteil braucht vielleicht eine tausendstel Sekunde, bis es wieder aktionsfähig ist. Das ist eine Ewigkeit, wenn man bedenkt, dass dasselbe Teil im Wachzustand während dieser Zeit eine Million Multiplikationen erledigt hätte.

Hier kämpfen die Hersteller um den technischen Vorsprung: Wer seine Prozessoren schneller wachrütteln kann als die Konkurrenz, hat beim Nutzen für den Anwender die Nase vorn.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, November 2013
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