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13.000 Kilometer

Die iberische Halbinsel habe ich gründlich unterschätzt. In sechs Wochen kann man vielleicht eine oder zwei der spanischen Regionen halbwegs gründlich bereisen, aber keinen Gesamteindruck der überaus reichen spanischen und portugiesischen Archäologie bekommen. Daher mußte ich mich in den letzten Wochen auf Beispiele beschränken und ein weitmaschiges Netz über die iberische Halbinsel legen. Das merkt vor allem der Kilometerzähler meines Wagens: Seit meiner Abfahrt in Freiburg bin ich schon über 13.000 Kilometer gefahren. Glücklicherweise ist der alte VW-Bus sparsam und Diesel in Spanien günstiger als in Deutschland, so daß das „Leuchtturm-Prinzip“ bei der Auswahl der zu besuchenden Orte die Reisekasse noch nicht überlastet.

Spanien ist durch und durch europäisch, was auch für die Reise gilt: Fast alle archäologischen Stätten, die ich besuchte habe, sind touristisch erschlossen und gut erreichbar. Die Museen sind größtenteils modern und, wie etwa die archäologischen Komplexe in Barcelona oder Zaragoza, sogar beste Beispiele dafür, wie man aus wenig im positiven Sinn sehr viel machen kann. Hier in Spanien steht man nicht wie in Tunesien unter Generalverdacht, man kann sich frei bewegen und wird nicht von Aufseherspionen verfolgt. Die Straßen sind bestens, die Landkarten exakt und Polizeikontrollen überaus selten. Beste Reisebedingungen also, bei denen die Themen für „Abenteuer Archäologie“ jedoch schwieriger zu finden sind als in Tunesien.

Abenteuerlich ist die Reise hier jedenfalls nicht, viel eher so grundsolide wie eine archäologische Exkursion in Deutschland. Europäisch sind jedoch auch die Preise für Unterkünfte, weshalb ich in Spanien und Portugal viel häufiger im Wagen übernachte als in Tunesien. So bleibt die Möglichkeit, ab und zu einer der unzähligen Bars zu besuchen und Tapas (die durchaus bezahlbar sind) und guten spanischen Wein zu genießen. Das Übernachten im Auto wird bei derzeitigen Temperaturen um den Gefrierpunkt durchaus zu einem Abenteuer. Um so schöner erscheint in diesem Licht das DAI in Madrid, wo sich die Erzählungen älterer Stipendiaten über die besonders herzliche Aufnahme voll und ganz bestätigt haben. Das Institut stellt mit dem hilfsbereiten Team, den großen, warmen Zimmern, einer bestens ausgestatteten Bibliothek und einer Waschmaschine eine echte Oase der Auffrischung darstellt.

Der erste Teil meiner Spanienrundfahrt hatte mich von Barcelona über Zaragoza und Burgos nach Madrid geführt. Dort luden mich an einem der ersten Abende Dr. Michael Kunst und Dr. Barbara Sasse-Kunst vom DAI zu einem prächtigen Abendessen in ihr Haus ein, bei dem wir gemeinsam über einer Karte brüteten, um die beste Reiseroute zu entwickeln. Die Folge war eine komplette Änderung meines Reiseplans, da ich mich schon am folgenden Tag auf den Weg nach Portugal machte, um dort das nur noch zwei Tage vor Ort befindliche DAI-Team in der kupferzeitliche Siedlung von Zambujal zu treffen.

Auch in der dortigen Grabungsunterkunft erfolgte wieder eine überaus herzliche Aufnahme, die weit über das Nötige hinausging. Aber nicht nur deswegen hat sich der Besuch gelohnt. Die noch immer hoch erhaltenen Mauern, Bastionen und Tore von Zambujal, einem der Zentren der frühen Metallurgie in Europa und wahrscheinlich im Entstehungsgebiet des gesamteuropäischen Glockenbecher-Phänomens gelegen, sind äußerst beeindruckend. Mit dem Jeep des DAI Madrid erkundeten wir noch andere Gräber und Siedlungen in der Umgebung von Torres Vedras, was einen recht guten Eindruck der kupferzeitlichen Besiedlung dieser Region ergab.

Über Lissabon, Evora, Badajoz, Mérida führte mich mein Weg zurück nach Madrid, von wo aus ich mit Barbara Sasse-Kunst Recópolis besichtigte, eine von dem westgotischen König Leovigild gegründete und nach seinem Sohn Reccareth benannte Stadt bei Almonacid de Zorita. Danach machte ich mich auf Richtung Córdoba, wo ich an ihrem letzten Tag vor Ort ein weiteres Team des DAI Madrid besuchte, das unter der Leitung von Dr. Felix Arnold die Reste der arabischen Palastanlage Ar-Rummaniyya erforscht. Durch Dr. Arnold bekam ich Einblick in den islamischen Teilbereich der spanischen Archäologie, den ich in den Tagen darauf in Medinet az-Zahra, Córdoba, Medina Sidonia, Jerez, Sevilla, Carmona und vielen anderen südspanischen Städten vertiefen konnte.

Besonders eindrucksvoll war in Südspanien ein weiteres Projekt des DAI Madrid: die in völliger Abgeschiedenheit liegende römische Stadt Munigua, einst Zentrum der Metallindustrie der Umgebung und heute, mit beeindruckenden Ruinen und in weiten Eichenwäldern gelegen, eine der schönsten archäologischen Plätze der iberischen Halbinsel. Dies liegt sicher daran, daß nach Munigua keine Straße führt, sondern daß man sich seinen Weg durch die Eichenwälder erwandern muß, in denen freilaufende Schweine leben, aus denen am Ende ihres glücklichen Lebens der unbezahlbar teure Jamón Iberico werden wird. Es ist nur zu hoffen, daß die Straße auch in Zukunft nicht gebaut werden wird und Munigua seine urige Abgeschiedenheit im Naturparadies erhalten bleibt.

In der Umbebung von Cádiz konzentrierte ich mich auf die Spuren der Phönizier in dieser Region, an der Straße von Gibraltar gab es mit Baelo und Carteia zwei wirklich sehenswerte, aber relativ unbekannte römische Städte und schließlich den Besuch in der britischen Kronkolonie Gibraltar, die recht häßlich, in ihrer übertriebenen Britishness aber sympathisch skurril ist. Die Sicht von dem Felsen auf die Straße von Gibraltar, den Djebel Mousa, Ceuta und Tanger lohnt einen Besuch Gibraltars aber in jedem Fall. Auf dem Weg nach Malaga ein weiterer Superlativ der Reise: die spätantike Kirche von San Pedro de Alcantara war nicht nur (wie leider hier in Spanien viel zu oft) geschlossen, sondern sogar mit zwei äußerst stabilen Zäunen, Stacheldraht und Beleuchtung so stark gesichert, daß ein unerlaubter Einstieg vollkommen unmöglich war.

Der Ärger über die verlorene Zeit wurde so von der Neugier verdrängt, was an dieser Kirche wohl so interessant ist, daß so besser gesichert als jede andere Ruine, die ich bisher auf der Reise gesehen habe. Über Malaga, Ronda, Bobastro, Antequera, Granada und Linares bin ich nun wieder in Madrid angekommen, wo noch das Archäologische Nationalmuseum und das Theodosiusmissorium auf dem Programm stehen, bevor ich mich langsam Richtung Deutschland bewege, dort mein Auto abstellen und am 2. Januar mit dem Flugzeug nach Kairo aufbrechen werde.

Philipp von Rummel

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