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Auge in Auge mit Lisa Randall

Prof. Lisa Randall
Dre.: Musikjournalisten treffen Madonna – mein Kollege Frank Schubert traf Lisa Randall. Wie viele Kollegen waren bei dem Termin zugegen – kam da irgendwie „Popstar“-Stimmung auf?

FS: Randalls Auftritt hier in Deutschland hatte durchaus was von Star-Rummel an sich. Sie war hier, um ihr Buch vorzustellen, das kurz zuvor auf dem deutschem Markt erschienen war. Schon im Vorfeld hatte der „Spiegel“ einen Artikel über sie gebracht – entsprechend groß war das Medieninteresse. Sogar Harald Schmidt soll in seiner Show über sie geredet haben, wie mir zu Ohren kam.
Als ich sie am ersten November in Berlin traf, wirkte sie ein bisschen müde und distanziert. Der Grund wurde schnell klar: Als ich sie fragte, wie viele Interviews sie heute schon gehabt habe, antwortete sie „oh, ich glaube, fünf“. Zudem war sie gerade erst tags zuvor aus Amsterdam eingeflogen, wo sie ihr Buch ebenfalls vorgestellt hatte. Kein Wunder, dass man da ein bisschen erlahmt. Ich hätte auch keine Lust, zwanzigmal die gleichen Fragen zu beantworten...

Dre.: Seit Stephen Hawking wurde wohl über kein Buch eines Physikers so viel diskutiert. Hat Randall selbst damit gerechnet, dass es so weite Kreise zieht und sie auf internationale Promo-Tour geht?

FS: Die öffentliche Resonanz auf Randalls Buch kann ich nicht einschätzen. Dass es ähnlich populär wird wie Hawkings Bestseller, wage ich aber zu bezweifeln. Dafür ist der Stoff dann doch ein bisschen zu schwierig. Ich habe beide gelesen, und aus meiner Sicht ist Hawking eindeutig näher an „Volkes Seele“. Er wirkt in seinen Büchern ja wie eine Art leutseliger Zauberer, der aus dem Nähkästchen der Physik plaudert und dabei immer wieder überraschende Geschichten aus dem Hut zieht. Randall schreibt viel wissenschaftlicher – das bringt wahrscheinlich auch ihr Forschungsthema (theoretische Teilchenphysik) mit sich. Hawking ist mit seinen Schwarzen Löchern da noch ein Stück weit verständlicher.
Aber es ist natürlich unbestritten, dass Randalls Buch viel Aufmerksamkeit erregt. Ich hatte auch den Eindruck, dass sie das sehr genau weiß. Sie wirkte auf mich sehr selbstbewusst.

Dre.: Die Stringtheorie ist ja ziemlich schwere Kost – selbst für Astronomen. Wie schafft sie es, in ihrem Buch und im Gespräch zu vermitteln, um was es dabei eigentlich geht?

FS: Naja, mit der Stringtheorie selbst hat sie nicht allzu viel am Hut. Sie benutzt Elemente daraus für ihre Forschung – bestimmte Arbeitsmethoden und Vergleichswerkzeuge. Aber sie betont immer wieder, dass sie keine Stringtheoretikerin, sondern Modellbauerin ist. Das heißt, sie will nicht von nach der „Theorie von allem“ suchen, wie es – salopp formuliert – die Stringtheoretiker tun. Stattdessen arbeitet sie mit Messdaten, die wir bereits haben (zum Beispiel von Teilchenbeschleunigern), und versucht damit, sukzessiv weiterführende Theorien der Teilchenphysik zu erschließen.
Sie selbst benutzt folgenden Vergleich zwischen Stringtheoretikern und Modellbauern: Die ersten suchen sozusagen aus der Vogelperspektive den höchsten Gipfel eines Gebirges, um von dort ins Tal zu schauen; die zweiten laufen unten los und plagen sich Schritt für Schritt bergan – in der Hoffnung, irgendwann auf die Spitze zu kommen.
Aber keine Sorge: Ihr Buch ist kompliziert genug – auch ohne, dass sie detailliert über die Stringtheorie schreibt. Denn Teilchenphysik, noch dazu theoretische, ist nun mal schwer zu begreifen. Das liegt an den Gesetzen der Quantenwelt, die unserer Alltagserfahrung teilweise völlig zuwiderlaufen. Ich finde das Buch sehr lehrreich und wertvoll, allerdings ist es nichts für eine Zwischendurch-Lektüre bei Tee und Kuchen.

Dre.: Hat dir nach dem Interview der Kopf gebrummt, oder würdest du sie am liebsten mal auf eine Pizza einladen, um weiter über das Universum mit ihr fachzusimpeln?

FS: Keine Ahnung, ob sie Pizza mag, so weit sind wir im Gespräch nicht gekommen. Das Interview war schon anstrengend, allerdings weniger des Themas wegen – ich hatte mich einigermaßen vorbereitet –, sondern weil sie ziemlich schnell redete. Ich bin im Englischen nicht so fit, dass ich flott gesprochenes Amerikanisch problemlos verstehe. Zum Glück hatte ich das Diktiergerät dabei, zumal das über eine extra langsame Abspielgeschwindigkeit verfügt...
Aber keine Frage: Sie ist eine beeindruckende Frau. Als wir in größerer Runde mit ihr Mittagessen gingen, fragte einer der Teilnehmer: „Wenn es zusätzliche Dimensionen im All gibt, wo ist dann Gott?“ Sie sagte: „No idea, he has a private room, I suppose“ (Keine Ahnung, ich nehme mal an, er hat ein Privatzimmer). Und dann wies sie zu Recht darauf hin, dass derlei Fragen nichts mit Naturwissenschaft zu tun haben.
Ich fand es sehr beruhigend, dass auch US-Wissenschaftler zwischen Verifizierbarem und Transzendentem unterscheiden – und sich nicht durch Kreationismus-Debatten verunsichern lassen, wie sie drüben (aber inzwischen leider auch hier) die Politiker und die Öffentlichkeit irritieren.

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