Direkt zum Inhalt

Die Fabel von der Ratte, dem Kater und dem Clown

Jan Dönges
Ein probates logisches Verfahren zum Derivieren von Pressemitteilungen ist die saltatio ad absurdum: Ein dünner Faktenkern wird durch Ersetzungsregeln großzügig in die Breite entspannt und so zu einem brisanten Thema. Wie das im Detail funktioniert, macht das Jefferson Headache Center der Thomas Jefferson University in Philadelphia vor.

Die Herleitung en detail:

Forscher um Michael Oshinsky haben die harte Hirnhaut von Ratten über Monate mit entzündungsauslösenden Stoffen bearbeitet. Die davon ausgelösten regelmäßigen Kopfschmerzattacken definieren wir als "Migräne". Sechs Stunden nach Alkoholkonsum reagierten die Nager im Bereich um die Augen schmerzempfindlicher als Tiere, die keinen Alkohol tranken oder deren Hirnhaut nicht malträtiert wurde. Wir sagen: Sie hatten einen Kater.

Die höhere Schmerzempfindlichkeit, so die Forscher außerdem, muss auf Stoffwechselprodukte zurückgehen, da der verabreichte Alkohol keine Verunreinigungen enthielt und Dehydrierung unter den Laborbedingungen ausgeschlossen werden kann.

Eine unauffällige Straßenszene | Auf dem Campus der Western Washington University in Bellington steht eine sehr schöne und moderne Skulptur, an deren Pfeiler sich gerne Studenten lehnen.
Wir setzen ein: Die Kopfschmerzen der Ratten mit Migräne werden durch Alkohol oder dessen Abbauprodukte ausgelöst. Bei gesunden Tieren führt die gleiche Menge nicht zu Beschwerden.

Durch Kürzen ergibt sich: Schon bei kleinen Mengen Alkohol kriegen Ratten mit Migräne Kopfschmerzen, und die Vermutung, der Kater entsteht durch billigen Fusel ist falsch.

Und nun die saltatio: "Wer Migräne hat, kriegt leichter einen Kater".

Weil das alles so reibungslos geklappt hat, ist noch Raum für einen versöhnlichen Ausblick. Zitat: "Dr. Oshinsky und sein Labor wollen nun auch untersuchen, welche Mechanismen Kopfschmerzen verursachen und wie die Stoffwechselprodukte des Alkohols einen Kater entstehen lassen."

Aber aufgepasst: Anders als üblich enden wir solche Herleitungen immer mit dem Satz: "Was schon bewiesen war."

Für alle, die bis hierhin durchgehalten haben, gibt es noch die versprochene kleine Belohnung. Haben Sie's bemerkt? Während Sie konzentriert der Argumentationskette folgten, haben wir einen einradfahrenden Clown in den Text geschmuggelt – genau wie die Psychologen um Ira Hyman von der Western Washington University in Bellington, die die Aufmerksamkeit von Handytelefonierern untersuchten.

An Passanten ließen sie den oben abgebildeten Clown vorbeiradeln. Den meisten, die gleichzeitig liefen und telefonierten, fiel das nicht auf. Die "inattentional blindness" ist schuld, die "Unaufmerksamskeitsblindheit". Vorsicht also beim Führen von Ferngesprächen während der Autofahrt.

Wie es um die eigene Aufmerksamkeit bestellt ist, kann man übrigens gleich hier testen. Das Video stammt von dothetest.co.uk, einer Seite, die sich der Warnung vor Unaufmerksamkeiten im Straßenverkehr verschrieben hat.

Schreiben Sie uns!

1 Beitrag anzeigen

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.