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Dschingis Khans Heimat

Nachdem im August in Ulaanbaatar eine neue Forschungsstelle des DAI eröffnet worden ist, war ich die erste Reisestipendiatin, die dort zu Gast war. Wie schön, einmal wieder Herrin über so etwas wie eine eigene Wohnung zu sein und sich nach all dem chinesischen Glutamat einen deutschen Eintopf kochen zu können... auch gut, da die mongolische traditionelle Küche etwas eintönig ist: Hammelfleisch und allerhand Milchprodukte. Und wieder Hammelfleisch.

Ulaanbaatar bildet da eine riesige Ausnahme. Die einzige richtige Stadt der Mongolei wimmelt von ausländischen Restaurants von griechisch bis indisch, und in den Supermärkten ist vom deutschen Kunstfruchtjoghurt bis zum japanischen Surimi alles zu haben, was das Herz begehrt. So bildet die Stadt eine vom Import geprägte glitzernde Insel in einer ansonsten traditionellen Steppenlandschaft. Nicht viel anders muss zu Dschingis Khans Zeiten im 13. Jahrhundert die Hauptstadt Karakorum gewirkt haben, zu der mich mein erster Steppenausflug geführt hat.

Touren in die Steppe muss man hier gut planen und wie eine kleine Expedition mit Autoersatzteilen etc. ausrüsten. Begleitet haben mich mein neuer Reisekamerad Daniel (der kein Archäologe ist, aber die Mongolei bereits bereist und lieben gelernt hat), Erdenebat (ein mongolischer Archäologe und Mitarbeiter des Augräbers von Karakorum) und der erfahrene Fahrer Dada. Wenn die Straßen und Sandpisten feldwegartig werden, geht es nur noch mit russischen Jeeps, laute klapprige Kisten mit hohem Spritverbrauch, die aber immer wieder aus dem Sumpf herauskommen und nicht kaputtzukriegen sind.

Von der einst blühenden Hauptstadt der Mongolen mit ihren Quartieren von muslimischen, christlichen, chinesischen und aus sonst aller Herren Länder kommenden Händlern und Gesandten und Kriegsgefangenen sowie den prächtigen Häusern, Palästen und Tempeln ist heute bis auf ein paar Bodenwellen in einem riesigen Gelände nichts mehr zu sehen. Auch nicht vom Wasser, Wein und Stutenmilch spendenden Brunnen eines französischen Goldschmieds. Und doch wissen wir von Augenzeugenberichten, dass hier Karawanen aus aller Welt ankamen und Seidenstoffe, exotische Speisen und prachtvolle Geschenke am Hofe Dschingis Khans ablieferten. Selbst Papst Innozenz IV. hat mit dem Franziskanermönch, Johannes von Piano Carpini, einen Botschafter hierher entsandt. Schließlich wollte man ja wissen, wo die gefürchteten Tartaren, die Europa und den Orient heimgesucht hatten, eigentlich herkamen!

Deutlich mehr zu sehen ist in Karabalsagun 30 Kilometer nördlich von Karakorum. Dieser Platz, wo im nächsten Jahr erste Forschungen des DAI beginnen sollen, war im 8. bis 10. Jahrhundert die Hauptstadt der Uighuren. Ganz ähnlich wie in der Oase Turfan und in Usbekistan war diese Stadt mit hohen Stampflehmmauern umgeben, die noch heute imposante zehn Meter emporragen. Mit der Ankunft der Mongolen aus ihrem Heimatland in Khenti östlich von Ulaanbaatar verließen die Uighuren dieses Gebiet und zogen, wie viele andere turksprachige Stämme, nach Westen. Inschriftensteine in altttürkischer Runenschrift und viele "balbal", anthropomorphe Stelen zu Ehren der Toten, zeugen noch heute von ihnen.

Das älteste bekannte Volk, das sich aus den Steppen der heutigen Mongolei nach Westen aufgemacht hat und in die kollektive Erinnerung raubender und mordender Reitervölker einging, waren die Hunnen, mit dem durch das Nibelungenlied der Name Attila untrennbar verbunden ist. Von ihnen sind in der Gegend um Karakorum außer einigen Erdschanzen kaum noch Spuren zu sehen. Umso mehr gibt es von den modernen Mongolen und ihrem nomadischen und gastfreundlichen Leben in den Jurten, mongolisch "ger", zu berichten!

Eva Rosenstock

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