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Tagebuch: Erinnerungen an ein Genie der Quantenmechanik

Wolfgang Pauli im Jahr 1933
Dem kleinen Wolfgang Pauli wurde zu seiner Geburt am 25. April 1900 in Wien nicht nur analytische Begabung in die Wiege gelegt. Ernst Mach, Physiker und Philosoph von Weltrang, stand Pate – und siehe da, gleich nach dem Abitur leistete Wolfgang einen Beitrag zu der damals aktuellen Debatte zwischen Hermann Weyl und Albert Einstein, indem er eine Arbeit über Weyls soeben erschienenes Buch "Raum, Zeit, Materie" veröffentlichte.

Pauli studierte ab 1919 in München Physik und schloss bereits zwei Jahre später sein Studium mit einer Doktorarbeit über das Wasserstoffmolekül ab. In ihr zeigte er die Grenzen der "alten" Quantenmechanik, insbesondere des Bohrschen Atommodells, auf. Die entscheidende Annahme, die Elektronen seien wie kleine Planeten auf Kreisbahnen um den Atomkern festgelegt, war in vieler Hinsicht eine Ad-hoc-Hypothese, um das bekannte Problem zu lösen, dass geladene Teilchen auf Kreisbahnen eigentlich Energie verlieren und die Elektronen folglich in den Kern stürzen müssten.

Nobelpreis-Party | Nachdem Pauli im November 1945 den Nobelpreis verliehen bekam, feierte er dies mit seinen Physikerkollegen.
Die Quantenmechanik schien Pauli also noch verbesserungswürdig und ließ ihn daraufhin nicht mehr los. Bereits 1925 leistete er dann seinen wohl wichtigsten Beitrag zur Theorie der Materie: das nach ihm benannte Ausschließungsprinzip. Dieses besagt, dass zwei Fermionen – also zwei Materieteilchen wie beispielsweise Elektronen oder Neutronen oder allgemeiner zwei gleiche Teilchen mit halbzahligem Spin – nie denselben Zustand einnehmen. Das heißt insbesondere, dass in der Elektronenhülle eines Atoms auf dem untersten Energieniveau nur genau zwei Elektronen Platz haben (denn ihr Spin ist die einzige Größe, in der sie sich noch unterscheiden können) und auch auf den höheren Niveaus die Anzahl der Plätze begrenzt ist. Dadurch liefert Paulis Prinzip die Grundlage für das Periodensystem der Elemente und damit für die ganze Chemie.

Aus demselben Grund kann eine Wolke von Elektronen nicht einfach spontan auf einen Punkt zusammenfallen. Was hier recht theoretisch wirkt, hat doch beobachtbare Konsequenzen: Neutronensterne beispielsweise bestehen aus dicht gepackten Neutronen, die nur aufgrund des paulischen Ausschließungsprinzips nicht ineinander stürzen. Der Stern behält nur so seine Form und Größe; Paulis fundamentales theoretisches Prinzip stemmt sich der Gravitationskraft entgegen. Sein Ausschließungsprinzip besagt also, dass normale Materie nicht beliebig kondensierbar ist.

Aber Pauli tritt noch auf weiteren quantenmechanischen Bühnen in Erscheinung: So löst er beispielsweise kurz nach Erscheinen von Heisenbergs Matrizenmechanik mit Hilfe des neuen Formalismus das Wasserstoffatom, das heißt, er berechnet korrekt dessen Energieniveaus. Dieses einfachste Atom – nur ein Proton und ein Elektron – ist ein Prüfstein für jede Neuformulierung der Quantenmechanik: Nur wenn eine neue Theorie mindestens das Wasserstoffatom lösen kann, wird sie in der Physikergemeinde akzeptiert. Mit seiner Lösung trägt Pauli also wesentlich zur Akzeptanz der Matrizenformulierung bei – ein fruchtbarer Beitrag, da dieser Formalismus sich heute als besonders effizient erweist, verlangt er doch über lange Strecken keine komplizierten Integrationen, die Physikern sonst rasch das Leben erschweren. Pauli bleibt kein passiver Mitspieler in der Matrizenmechanik, sondern führt wenig später die heute nach ihm benannten Pauli-Matrizen ein, mit denen er das Phänomen des „Spins“ berechenbar macht.

1930 sagt Pauli dann das Neutrino vorher, das heute als leichtestes Teilchen im Spektrum der Teilchenwelt bekannt ist. Für Pauli folgt dessen Existenz aus der Tatsache, dass der Energieerhaltungssatz beim Beta-Zerfall verletzt zu sein schien. Bei einem Beta-Zerfall geht beispielsweise ein Neutron in ein Proton und ein Elektron über. Während die Gesamtladung erhalten bleibt (das Neutron ist neutral, und die positive und negative Ladung von Proton und Elektron heben sich auf), besitzen Proton und Elektron etwas zu wenig Energie – ein Phänomen, das sich nur erklären ließ, wenn man annahm, dass bei der Reaktion ein weiteres, bisher übersehenes Teilchen entsteht. In der Tat bestätigte sich erst 1956, dass ein (Anti-)Neutrino an dieser Reaktion beteiligt ist.

In späteren Lebensjahren arbeitete Pauli unter anderem auch an so genannten Kaluza-Klein-Theorien, mit denen Theodor Kaluza, Felix Klein und später Einstein versuchten, die Theorie des Elektromagnetismus mit der Gravitation zu vereinigen. Die Idee war, dass die Welt nicht nur vier, sondern fünf Dimensionen besitzt, wobei sich diese in vier räumliche und eine zeitliche unterteilen. Diesee Theorie faszinierte die Physikerwelt, weil sie in natürlicher Weise sowohl die Einsteinschen Feldgleichungen als auch die Maxwell-Gleichungen als Spezialfall beinhaltete. Leider erwies sich die Kaluza-Klein-Theorie jedoch als resistent gegen Quantisierung – ein Nachteil, der sich in der zunehmend quantenmechanik- und quantenfeldtheorielastigen Physikergemeinde als tödlich erwies.

Pauli, ein notorischer Perfektionist, war unter Kollegen gefürchtet und andererseits umso mehr für seine scharfen Kommentare und Urteile geachtet. Er war über die Physikergemeinde hinaus mit mancher Persönlichkeit seiner Zeit bekannt, wie beispielsweise mit dem Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung, mit dem er gerne über das kollektive Unbewusste diskutierte. Pauli, der ab 1940 als Professor in Princeton arbeitete, erhielt 1945 den Nobelpreis und konnte erst 1946 nach Zürich zurückkehren. Am 15. Dezember 1958 erlag er einem Krebsleiden, nur kurze Zeit, nachdem ihm die Max-Planck-Medaille für sein Lebenswerk verliehen worden war.

Vera Spillner

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