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Gefüllte Teigtaschen – mumifiziert

Das Ferganabecken, noch heute dank der stalinistischen divide-et-impera-Politik ein völlig unlogisches Gewirr von Grenzen und Enklaven, in denen Usbeken, Kirgisen und Tadschiken sowie versprengte Russen und andere Minderheiten leben, ist vor einigen Jahren mit blutigen Massakern in die Schlagzeilen geraten. Sieht man die vielen gedeihenden Obst- und Maulbeerplantagen und in Osch alte Usbeken und Kirgisen einträchtig im chaikhana (Teehaus) bei Schaschlik und Grüntee zusammensitzen, mag man das kaum glauben.

Wieder ganz von unserer kurzen Krankheit genesen, traten Francis und ich von hier aus die Fahrt über den höchsten Pass der Seidenstraße, den Irkeschtampass, an. Zwar waren die letzten hundert Kilometer bis zur chinesischem Grenze ein endloses Busgerumpel auf einer Schotterpiste, doch der atemberaubende Blick auf die Gipfel des Pamir machte am Morgen nach der Nachtfahrt jede Strapaze wett. Bei Sonnenaufgang erstrahlten die Gipfel im zartrosa Pamirglühen.

Nach einem langen Tag voller Grenzformalitäten langten wir dann am Abend in Kaschgar an. Hier, am Westrand des Tarimbeckens, treffen sich die beiden Seidenstraßenrouten, auf denen die Güter und Händler die Wüste Takalmakan umgingen. Hier verbrachten wir zwei Tage in den Straßen und Märkten der uighurischen Altstadt, die heute eine Insel von zentralasiatisch-orientalischen Lehmhäusern inmitten einer modernen chinesischen Hochhauswüste darstellt, und entschieden uns dann für die Nordroute.

Über Urumchi, die Hauptstadt der Autonomen Provinz Xinjian, gelangten wir in die Oase Turfan. Nicht nur die aus Lehm gebauten Handelsstädte Yarkhoto und Gaochang, hinter denen die Gipfel des Tien Shan schneebedeckt aufragen, sondern auch manche ihrer Bewohner sind seit der Zeit der Tang-Dynastie hervorragend erhalten auf uns gekommen. Der heiße und trockene Wind, der auch die Rosinen hier so gut geraten lässt, hat aus den sterblichen Überresten oft Mumien werden lassen – Augenwimpern, Barthaare, die Farben der Kleider, alles ist noch zu sehen. Auch die Speisebeigaben blieben nicht verschont. Mit Fleisch gefüllte Teigtaschen, wie man sie heute noch isst, kleine Gebäckteile und Obst konnten wir ebenfalls in mumifizierter Form im Museum bewundern.

Und hier hieß es nun Abschied nehmen von Turkestan. Östlich von Turfan, wo noch uighurisch gesprochen und mit arabischen Buchstaben geschrieben wird, liegt die Sprachgrenze zwischen den Turksprachen und dem Chinesischen, und ich wurde schlagartig zum sprachlosen Analphabeten.

Reisen in China abseits der ausgetrampelten Pauschaltourismuspfade ist ein Kapitel und Abenteuer für sich!

Eva Rosenstock

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