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Satellitenabschuss: Showdown im Orbit

Oliver Dreissigacker
Kaum hatte die Raumfähre Atlantis das Rollfeld des Kennedy Space Centers unter den Füßen, holten die Amerikaner noch ein weiteres Objekt aus der Umlaufbahn, wenn auch mit rabiaten Mitteln: Mit einer Anti-Raketen-Rakete wurde der Spionagesatellit USA-193 abgeschossen.

Damit zog das US-Militär einen vorläufigen Schlussstrich unter ein Projekt, das – so einige Kritiker – bereits bei der Auftragsvergabe an Boeing unter einem schlechten Stern stand. Denn der Luftfahrtkonzern habe, was den Satellitenbau angeht, eine wesentlich schlechtere Reputation als der Konkurrent Lockheed.

Nach zahlreichen Verzögerungen und Budgetüberschreitungen ging USA-193, auch bekannt als NROL-21 nach seiner Zuordnung zum US-Aufklärungsgeheimdienst National Reconnaissance Office, keine zwei Stunden nach dem Start im Dezember 2006 verloren – Totalausfall der elektrischen Systeme. Das einige Tonnen schwere Trumm trieb seitdem auf einer niedrigen Umlaufbahn und wäre in den kommenden Wochen unkontrollierbar abgestürzt. Zusammen mit dem Treibstoffvorrat von rund 500 Kilogramm Hydrazin. Da dieser Stoff als krebserregend und hochgiftig eingestuft ist, gab George W. Bush höchstselbst die Genehmigung zum Abschuss.

Der US-Raketenkreuzer Lake Erie feuerte daraufhin gestern vom Pazifik aus eine Abfangrakete vom Typ SM-3 ab, die in knapp 250 Kilometer Höhe bei einer Geschwindigkeit von mehr als 27 000 Stundenkilometern in den Satelliten raste. Ein Sprengkopf war nicht an Bord, der Aufprall alleine sollte zu einer vollständigen Zerstörung von USA-193 und zur Atomisierung des Hydrazins geführt haben. Der verbleibende Schrott dürfte innerhalb weniger Tage in die Atmosphäre eintreten und verglühen.

Russland und China sind derweil am Säbelrasseln, sprechen von einer Provokation und dem Vorantreiben der Wettrüstung im All. Man mag dies für eine Retourkutsche halten: vor fast genau einem Jahr brachte China ein Anti-Satelliten-Waffensystem zum Einsatz und machte aus einem veralteten Wettersatelliten in 800 Kilometer Höhe eine riesige Trümmerwolke, die eine nicht unwesentliche Gefahr für andere Raumfahrzeuge darstellte. Die USA protestierten.

Vielleicht haben Russland und China aber auch Recht mit ihrem Vorwurf des versteckten Waffentests. Denn wer wollte gerade jenem Land das Argument der Vermeidung einer Umweltgefährdung durch „nur“ einer halben Tonne Hydrazin glauben, das seit zehn Jahren das Kyoto-Protokoll nicht ratifiziert?

Oliver Dreissigacker

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