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Von einem Stein ins neue Jahr

Kerma war einer meiner am heißesten ersehnten Ziele. Der Grund hieß wie so oft auf der Reise Tanutamani. Ein Buch über ihn war gerade in Druck gegangen als mich die Nachricht von einem wahren Sensationsfund erreichte. Charles Bonnet hatte in Kera eine Grube mit Monumentastatuen kuschitischer Könige gefunden, die nach ihrer mutwilligen Zerstörung durch Pharao Psammetik rituell beerdigt worden waren. Bislang waren nur zwei Statuen Tanutamanis bekannt gewesen und beide wiesen ein gravierendes Mängel auf: die Köpfe fehlten.

Mit dem Neufund bestand nun erstmals die Möglichkeit, Tanutamanis Antlitz zu schauen. Folglich war ich die letzten Kilometer vor Kerma ganz hibbelig vor Aufregung. Dort angekommen erwartete uns ein Spektakel der ganz besonderen Art. Die Statuen waren nämlich gerade dabei im Museum aufgerichtet zu werden. Mit anderen Worten: hier lag ein Bein, dort ein Arm und schließlich auch der Kopf – alles mit Metallstiften gedübelt. Für den Klebstoff war extra ein Spezialist aus Deutschland eingeflogen worden, der uns berichtete, es gäbe erhebliche Probleme weil es momentan so kalt sei. Wohlgemerkt – im Sudan! Lustigerweise sah der Kleber genauso aus wie „Lyles Golden Syrup“ und hatte auch dieselbe Konsistenz.

Als wir die noch nicht aufgestellten Statuen im Magazin besuchten wunderte ich mich über die vielen riesigen Vorhängeschlösser. Ich habe sie gezählt. Es waren genau sieben. Darauf angesprochen erklärte mir Herr Bonnet, dass vor kurzem eine der Statuen durch ein Loch in der Mauer geklaut worden war. Natürlich gab es eine riesige Polizeiaktion und nach 20 Tagen fand man sie wohlbehalten in einem Palmenhain unter Palmwedel versteckt.

In Shendi gibt es eigentlich nicht viel zu sehen. Früher war dies eines der Zentren des Sudan gewesen, berühmt v.a. für seinen Sklavenmarkt. Zufällig landeten wir jedoch in einer koptischen Kirche und auf meine Frage hin wurde mir eine koptische Bibel gebracht. Als ich darin herumblätterte und ein wenig anlas, merkte ich, dass dies dem Priester sehr peinlich war, denn er verstand offenbar kein Wort. Entsprechend war das Buch mit arabischen Glossen und Orientierungsmarkierungen versehen.

Später in Tombos bekam ich übrigens das bisher beste Lob meiner Lesekünste zu hören, als ich nämlich den Leuten erklärte, die Felsinschrift sei von Thutmosis, meinte einer der Fahrer anerkennend "he can read the stones". Der heilige Franziskus hatte es immerhin nur bis zur Sprache der Tiere geschafft.

Ein Tag war durch und durch von zwei Kommilitonen aus Tübingen geprägt. Als ich Mortada nach dem weiteren Vorgehen fragte, zog er den Ausdruck einer e-mail aus der Tasche, das vom Reiseveranstalter war. In der Adresse las ich den Namen meiner Studienkollegin Corinna, die jetzt bei einem Reiseunternehmen arbeitete und mich sogar vor einem Jahr nach Tipps für den Sudan gefragt hatte, denn sie wollten demnächst auch Reisen dorthin anbieten. So war ich also auf einer Tour gelandet, zu der ich mehr oder weniger selbst einmal das Itinerar verfasst hatte.

Kurz danach kamen wir nach Nuri, wo eine Felsinschrift zu sehen ist, auf dem Zollbestimmungen festgehalten sind. Ein weiterer Studienkollege hatte darüber seine Magisterarbeit geschrieben und daher wusste ich, dass es nur ein paar schlechte alte Photos davon gab und war ums mehr um gute Bilder bemüht.

Silvester verbrachten wir bei kalten 6 Grad und einem noch kälteren Wind zeltend in der Wüste zwischen Neu Dongola und ed-Debba. Rosa hatte sich in den Kopf gesetzt, um Mitternacht aufzustehen und von einem Stein ins neue Jahr zu springen, wie es die Dänen tun. Sie tat es dann auch, doch war nur noch ihr Vater bereit, ihr dabei Gesellschaft zu leisten. Immerhin halfen wir bei der Auswahl des "gomp-schtai".

In Tombos und Kawa hatte uns Mortada übrigens von einem Brauch erzählt, der bei Kinderwunsch zum Zuge kam. Die Frauen in Kawa springen siebenmal von einer Säulenbasis des kuschitischen Tempels und gehen dann zum Nil, um sich dort das Gesicht mit Nilwasser zu "waschen". In Tombs springen sie von einer unfertig im Steinbruch verbliebenen meroitischen Königsstatue, auf nubisch "ogoj nendi" genannt, was mir Mortada sicherlich euphemistisch mit "strong man" übersetzte.

Dann erzählte er auch von ähnlichen Bräuchen am Gebel Barkal, wo die Leute sogar noch in den alten Tempel Nahrungsmittel opfern und Tiere schlachten. Natürlich gibt es auch eine Legende, nach der in riesigen Kammern im Berg unglaubliche Mengen Goldes lagern …

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