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"Ying wo" heißt: hart schlafen

Nie hätte ich gedacht, dass man auf einer Reise über Land einen Kulturschock erleiden kann, aber es ist mir passiert. Östlich von Turfan wich das organische Ineinanderüberfließen der Kulturen der Seidenstraße einem abrupten Bruch: Ab Dunhuang war alles chinesisch.

Besonders mein Magen hat das sofort heftig zu spüren bekommen, denn die chinesische Essenshygiene fällt offenbar hinter der der Turkvölker deutlich ab. Der erste (und hoffentlich auch letzte) Durchfall auf dieser Reise verleidete mir in Mogao die Besichtigung eines der schönsten buddhistischen Höhlenklöster Chinas. Vielleicht war das angesichts der – ääääääh, wie sage ich es höflich? – impulsiven Natur einiger chinesischer Touristen auch besser so, aber davon soll Francis lieber selber erzählen... Die riesigen Buddhas waren dennoch beeindruckend. Man darf gar nicht daran denken, was für Schätze der Kulturrevolution zum Opfer gefallen sein müssen.

Weiterhin völlig anders als in den bisherigen Ländern der Reise ist das chinesische Transportwesen. Waren wir bisher gewohnt, einfach am Busbahnhof oder am Autotreffpunkt für spontane Fahrgemeinschaften und Linientaxis aufzuschlagen und sofort weiterzukommen, hieß es nun vorausplanen, vorausplanen, vorausplanen.

Kaum ist man nach einer wenig erholsamen Nachtfahrt in einem ying-wo-Waggon ("ying wo" heißt "hart schlafen", und so ein Schlafwagen hat immer drei Betten übereinaner montiert) dem Zug entstiegen, muss man sich sofort wieder in die stundenlangen Schlangen am Bahnschalter anstellen, um Fahrkarten für die Weiterfahrt zu ergattern. Andernfalls sitzt man tagelang fest. Aber woher soll man denn wissen, ob die Sehenswürdigkeiten am jeweiligen Ort einen oder drei Tage erfordern werden?

Und danach geht die Jagd auf ein Taxi los. Wo im Orient und in Turkestan sofort verhandlungswillige Horden von Fahrern auf den Reisenden lauern, steht man in China teils deutlich über eine halbe Stunde lang. Wenn dann ein Fahrer hält, kann es durchaus sein, dass er einen doch nicht mitnimmt, weil ihm die Strecke nicht rentabel erscheint. Fragt man nach dem Weg, so wird man oft entweder ignoriert oder so lange freundlich immer weiter geradeaus geschickt, bis man merkt, dass man einmal mehr auf die chinesische Art der Höflichkeit hereingefallen ist.

Aufgebaut hat uns aber nach all den Strapazen nicht nur der österreichische Tourismusexperte, der uns auf der Straße bewundernd ansprach, dass er allen Respekt vor uns hat, dass wir uns das Alleinreisen in China trauen. Manchmal gab es auch lachende Taxifahrer, die nicht nur verstanden, dass wir versuchen, mit unserem Sprachführer chinesisch zu reden, sondern sogar ein paar Worte für uns vorsprachen. Oder verständnisvolle Wäschereibesitzerinnen, die sich nicht weigerten, außer unserer Oberbekleidung auch Strümpfe und Unterhosen mit in die Mangel zu nehmen.

Aber das Highlight sind die Hotels. Gehörte bisher prüfendes Schnuppern am Bettzeug, ob es denn wenigstens einigermaßen gewaschen sei, und oft der Einsatz des vor Ekel schützenden Seidenschlafsacks zur Routine, kann man sich in China auch in den für unser Budget erschwinglichen Hotels unter 10 Euro pro Nacht sorglos in weiße Laken fallen lassen und – was für ein Luxus! – orginalverpackte Hotelseife, -zahnbürsten und -shampoos nutzen.

Eva Rosenstock

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