Direkt zum Inhalt

Deutschlandslam 2010: Die Geschichte vom Hodenknackerfisch

Deutschlandslams 2010: Das schwarz-rot-goldene Hirn als Trophäe für den Gewinner
Das Zelt hinter dem Haus der Wissenschaft in Braunschweig ist gut gefüllt mit einem überwiegend jungen Publikum. Der Getränkeverkauf im Foyer läuft gut, auch ich hole mir erstmal ein Bier – ich bin schließlich zum Spaß hier. Etwa 800 Zuschauer hat dieser ultimative Deutschlandslam angelockt, bei dem die Gewinner von neun lokalen Science Slams unter anderem aus Hamburg, Berlin, Bremerhaven und natürlich Braunschweig gegeneinander antreten, um als Siegerpreis ein schwarz-rot-goldenes Gehirn im Glas mit nach Hause zu nehmen.



Als erstes werde ich erkannt, und zwar von Martin Storbeck mit der Startnummer vier. Der Medienwissenschaftler aus Ilmenau, der einen Vortrag über Social Media in Unternehmen halten wird, hat mich gerade auf Twitter entdeckt. Seine Präsentation habe jetzt insgesamt 140 Folien für zehn Minuten, erzählt er mir, es werde etwas schneller gehen. Er liefert einen furiosen Vortrag, und die anschließend vom Publikum hochgehaltenen Wertungskärtchen zeigen allesamt die höchsten Punktzahlen fünf und sechs – mit 84 von 90 möglichen Punkten belegt er am Ende Platz drei.

Slamme lieber ungewöhnlich | Deutschlandslam 2010 (von links nach rechts):

1. Daniela Szymanski, Diplom-Biologin am Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum, "Lebe lieber ungewöhnlich" , Siegerin des ersten Frankfurter Science Slams

2. André Lampe, Physiker, Universität Bielefeld, "Die Geschichte vom Hodenknackerfisch"

3. Martin Buchholz, Institut für Thermodynamik an der TU Braunschweig, "Entropie – Ein Vortrag über Kühltürme und die Unumkehrbarkeit der Dinge", Sieger des 5. Braunschweiger Science Slams

4. Martin Storbeck, Medienwissenschaftler, TU Illmenau, "Grenzen der Partizipation"

5. Maximilian Held, studiert public policy und Sozialwissenschaft an der Hertie School of Governance in Berlin, "Die perfekte Steuer", Sieger des Science Slams im Berliner Lido vom 11. Februar 2010

6. Lars Ruthotto, Institut für Numerische und Angewandte Mathematik, Fachbereich Mathematik und Informatik der Universität Münster, "Registrierung medizinischer Bilder", Sieger des Science Slams in Münster vom 17. Mai 2010

7. Uri Hart, Studentin und Co-Teacher Althebräisch an der FU Berlin, "Von einer Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe, einem keuschen dreiviertel-nackt tanzenden Mann, einem Moses Mendelssohn ohne Verstand und wie der Koran die Wahrheit fand: Die Akzente der Bibel und ihre Auslegung am Beispiel von Gen 39,8", Siegerin des Science Slams im Berliner Edelweiss vom 1. Februar 2010

8. Prof. Boris Koch, Hochschule Bremerhaven / Alfred Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, "Wie viel CO2 vom letzten Röchler Julius Cäsars schwirrt noch durch die Welt?", Sieger des Science Slams in Bremerhaven vom 5. Dezember 2009

9. Fabian Oberfahrenhorst, Historiker, TU Darmstadt, "Tourismus im Mittelalter", Sieger des Darmstädter Science Slams
Der Modus ist leicht erklärt: Jeder der Teilnehmer hat zehn Minuten Zeit, dem Publikum sein Thema möglichst unterhaltsam nahe zu bringen, wobei alle fairen und unfairen Mittel erlaubt sind. Das Publikum verteilt anschließend Punkte und bestimmt so den Gewinner. Das war an diesem Abend der Lokalmatador Martin Buchholz, Gewinner des letzten Braunschweiger Science Slams. Dafür, dass er mit roten und blauen Punkten das Verhältnis von Energie und Entropie, Kühltürmen, reversiblen und irreversiblen Prozessen und Kühltürmen erläutert, gibt ihm das Publikum durch die Bank die volle Punktzahl. Ob er die auch ohne Heimvorteil bekommen hätte, muss offen bleiben.

Besser konventionell oder kreativ?

Die Publikumsjury stimmt ab
Es sind eher die konventionellen Vorträge, die beim Publikum gut ankommen an diesem Abend, zumindest wenn sie mit ein bisschen Pep und Porno präsentiert werden. Die kreativeren Präsentationen des Abends, wie die von Boris Koch vom AWI in Bremerhaven, der mit Kittel und Schlüsselbund als sein eigener Hausmeister auftritt, oder eine Hebräisch-Übersetzung mit Gesangseinlagen von der Linguistin Uri Hart aus Berlin, werden von den Braunschweigern abgestraft, genauso wie gute, aber nüchterne Referate über die ideale Steuer oder medizinische Bildverarbeitung.

Reüssiert dagegen haben diejenigen, die ein spannendes Thema unterhaltsam präsentieren, ohne allzu sehr von dem abzuweichen, was man von einer wissenschaftlichen Präsentation erwartet – hier allerdings belohnte das Publikum kuriose Themen genauso wie einen guten Auftritt oder eine besonders ausgefallene Präsentationsidee. Womit wir beim Hodenknackerfisch wären.

Der stammt aus dem am Ende zweitplatzierten Beitrag des Bielefelder Laserphysikers André Lampe und trägt eine rote Leuchtscheibe um den Hals. Seine Aufgabe ist es, sich in den Genitalien anderer Fische festzubeißen, damit man sie mit Laserlicht zählen kann. Mit dieser eher gruseligen Analogie beschreibt Lampe einen Fluoreszenzassay zur Detektion eines Immunmodulators. Er behauptet, seiner Mutter so seine Diplomarbeit erklärt zu haben, was ich persönlich für unwahrscheinlich halte.

Weitere Videos gibt es in den nächsten Tagen hier zu sehen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.