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Energietechnik: Auf dem Weg zur künstlichen Fotosynthese

Heidelberg. Die Sonne ist eine unerschöpfliche und zudem saubere Energiequelle. Fotovoltaikanlagen und Solarthermiekraftwerke zapfen sie bereits an und gewinnen aus Sonnenlicht Strom. Der ist jedoch nur sehr begrenzt speicherbar und muss sofort verbraucht werden. Sein Transport über weite Strecken ist zudem mit großen Verlusten verbunden. Nur über den Umweg der Wasserelektrolyse lässt sich elektrischer Strom in den breiter einsetzbaren Energieträger Wasserstoff umwandeln, was aber sehr ineffektiv ist.
Künstliche Fotosynthese

Eine wesentlich elegantere Lösung macht uns die Natur seit jeher vor: die Fotosynthese. Dabei erzeugen Pflanzen, Algen und gewisse Bakterien mit Hilfe von Sonnenlicht aus Kohlendioxid und Wasser direkt energiereiche Zuckermoleküle. Schon seit einiger Zeit versuchen Forscher deshalb, den Vorgang künstlich nachzuahmen. Dabei geht es ihnen vor allem um den ersten Schritt der Fotosynthese: die Spaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff.

Die bisher erzielten Erfolge sind beachtlich. So präsentierte Daniel Nocera vom Massachussetts Institute of Technology vor zwei Jahren ein "künstliches Blatt". Es besteht aus einer Solarzelle, in der auftreffendes Sonnenlicht freie Elektronen und "Löcher" (Elektronenfehlstellen) erzeugt. Die dem Licht zugewandte Seite ist mit einem cobalthaltigen Katalysator beschichtet, der mit Hilfe der Löcher aus Wasser Sauerstoff freisetzt. Die zurückbleibenden Protonen wandern zur anderen Seite und werden dort von einer Legierung aus Nickel, Molybdän und Zink mit Hilfe der Elektronen zu Wasserstoff reduziert. Der Wirkungsgrad liegt mit 2,5 bis 4,7 Prozent – je nach genauer Konfiguration – schon recht hoch. Pflanzen verwerten das auftreffende Sonnenlicht sogar nur zu 0,3 Prozent.

Allerdings ist dieses "Blatt" wegen der enthaltenen Metalle noch ziemlich teuer und auch nicht lange beständig. Markus Antonietti vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Golm hat sich deshalb auf ein anderes Material verlegt, das nicht nur sehr stabil, sondern auch einfach und preiswert herstellbar ist: graphitisches Kohlenstoffnitrid. Schon Justus Liebig kannte die Substanz im 19. Jahrhundert. Sie ist entfernt mit dem Chlorophyll des Blattgrüns verwandt und ähnelt stark dem Graphen – einer maschendrahtartigen Anordnung von Kohlenstoffatomen, der viele eine große Zukunft in der Elektronik vorhersagen.

Kohlenstoffnitrid als solches ist allerdings nicht sehr aktiv, was unter anderem an seinem zu geringen Verhältnis von Oberfläche zu Volumen liegt. Wie Antonietti in Spektrum der Wissenschaft berichtet, konnte seine Gruppe aber bereits eine Steigerung um das Zehnfache erreichen, indem sie gezielt die Porosität des Materials erhöhte.

Eine weitere Verbesserung ließ sich durch Dotieren mit Schwefel oder Barbitursäure erreichen. Auf diese Weise konnten die Forscher die Quantenausbeute der Oxidation von Wasser zu Protonen und Sauerstoff für violette Strahlung einer Wellenlänge von 440 Nanometern immerhin auf 5,7 Prozent steigern. Hilfreich war auch die Zugabe von Nanoteilchen aus Cobaltoxid. Dadurch erhöhte sich die Quantenausbeute für die Wasserspaltung insgesamt auf 1,1 Prozent.

Alles in allem sehen die bisherigen Ergebnisse also ermutigend aus. Zwar veranschlagt Antonietti bis zur praktischen Einsatzreife seines Systems noch mindestens 20 Jahre. Doch die Aussichten wären verlockend. Wenn sich mit künstlichen Fotosynthesesystemen 10 Prozent der Solarenergie nutzen ließen, müssten sie nur 0,16 Prozent der Erdoberfläche bedecken, um den für 2030 vorausgesagten globalen Energiebedarf von 20 Terawattstunden zu decken. Als Standorte kämen dabei in erster Linie Wüsten in Frage, wo die Sonne fast immer scheint und keine Konkurrenz zu Agrarnutzflächen besteht. Ein Zehntel der Sahara, die 1,76 Prozent der Erdoberfläche einnimmt, würde bereits genügen.

Wie heutige Solarzellen ließen sich künstliche Fotosynthesesysteme aber auch auf Dächern installieren. Bei einer Lichtausbeute von 10 Prozent könnten sie beispielsweise 300 Tonnen Methanol pro Hektar und Jahr liefern. "Wären nur 100 Quadratmeter des eigenen Grundstücks damit bedeckt, bräuchte selbst ein leidenschaftlicher Autofahrer bei heutigem Treibstoffverbrauch nie mehr zur Tankstelle", erklärt Antonietti.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, September 2013
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