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Erderwärmung: Strahlung trägt nur minimal zu Klimawandel bei

Die Sonne am 4. März 2013 im sichtbaren Licht

Die Sonnenaktivität und kosmische Strahlung haben in den letzten Jahrzehnten nur zu einem kleinen Teil zur Erderwärmung beigetragen. Viele Kritiker, die sich gegen die Theorie des menschengemachten Klimawandels stemmen, führen sie bislang als eine der Hauptursachen für die steigenden Temperaturen seit Beginn der Industrialisierung auf. Doch laut einer zusammenfassenden Studie der Physiker Terry Sloan von der University of Lancaster und Arnold Wolfendale von der University of Durham trugen beide Effekte bislang maximal ein Zehntel zum gemessenen durchschnittlichen Temperaturanstieg von 0,85 Grad Celsius seit 1880 bei.

Permanent prasseln hochenergetische Teilchen aus dem All auf die Erde ein, die in der Atmosphäre vorhandene Partikel ionisieren und dadurch die Wolkenbildung anregen, weil sich Wasserdampf bevorzugt an den aufgeladenen Aerosolen anlagert. Die entstehenden Wolken wiederum reflektieren die Sonnenstrahlung, so dass weniger davon zur Erdoberfläche durchdringt und in Wärme umgewandelt wird. In Zeiten starker kosmischer Strahlung bei gleichzeitig geringer Sonnenaktivität sollte sich die Erde dadurch abkühlen. Umgekehrt schirmt bei erhöhter Sonnenaktivität das verstärkte Magnetfeld der Sonne über den Sonnenwind die Erde vor der kosmischen Hintergrundstrahlung ab: Es bilden sich weniger Kondensationskeime in der Atmosphäre, und die beschattende Wolkenbedeckung verringert sich – was letztlich einen großen Teil der Erderwärmung seit dem Zweiten Weltkrieg erklären sollte, weil unser Zentralgestirn in diesem Zeitraum besonders eifrig gefeuert hat. Diesen Zusammenhang vertritt vor allem Henrik Svensmark von Dänemarks Technischer Universität.

Der Zusammenhang wurde bereits mehrfach zurückgewiesen. Nun haben Sloan und Wolfendale zum einen erneut Berechnungen durchgeführt und zum anderen die vorhandenen Forschungsergebnisse miteinander verglichen. Tatsächlich entdeckten sie einen schwachen Zusammenhang zwischen der Stärke der kosmischen Strahlung und den weltweiten Durchschnittstemperaturen in der Zeit zwischen 1983 und 1995, der sich in der folgenden Phase der Sonnenaktivität zwischen 1995 und 2010 aber nicht mehr wiederfand. Die von Svensmark zuerst beobachtete Parallelität wiederholte sich also nicht. Zudem hinkte die Entwicklung der kosmischen Hintergrundstrahlung derjenigen der Temperatur um ein bis zwei Jahre hinterher – laut Svensmark hätte es aber umgekehrt sein müssen.

Wie gering der Einfluss der kosmischen Teilchen sein muss, zeige sich außerdem an zwei markanten Beispielen, so Sloan und Wolfendale: Während der Zeit der oberirdischen Kernwaffentests und im Zuge des Reaktorunfalls von Tschernobyl wurden riesige Mengen an geladenen Partikeln freigesetzt, die eigentlich den gleichen Effekt wie das Bombardement aus dem All hätten haben sollen. Doch wiederum entdeckten die beiden Physiker keinen Hinweis auf verstärkte Wolkenbildung. Schließlich verglichen sie die – geringfügigen – Schwankungen der seit 1955 erfassten kosmischen Strahlungsraten mit den globalen Durchschnittstemperaturen im gleichen Zeitraum: Der jeweilige Einfluss war ebenfalls praktisch vernachlässigbar. Außerdem ließ sich der von Svensmark und Co postulierte Effekt nur in wenigen Teilen der Erde in einem eng umgrenzten Zeitraum feststellen, während er global kaum eine Rolle spielte.

In diesem Zusammenhang analysierten die beiden Physiker auch das CLOUD-Experiment am CERN, wo unter Laborbedingungen getestet wird, wie geladene Partikel Aerosole und Wolkenbildung beeinflussen. Tatsächlich beeinflusst die kosmische Strahlung den Werdegang der Partikel: Sie ionisiert vorhandene Sulfate, was wiederum dafür sorgt, dass sich prinzipiell die Schwebeteilchen vergrößern und mehr Wasserdampf anlagern. Dieser Effekt wirkt jedoch in der unteren Atmosphäre deutlich schwächer als andere, irdische Prozesse, und er vergrößert sich im Experiment nur, wenn man die Umgebungstemperatur auf unnatürlich niedrige Werte senkt. In höheren Atmosphärenschichten könnte die kosmische Strahlung hingegen etwas stärker zur Wolkenbildung beitragen, weil dort eisige Bedingungen herrschen und natürlich das Bombardement aus dem All stärker ist. Insgesamt, so zeige CLOUD, beeinflusse der Effekt jedoch die Wolkenbildung kaum, folgern die Forscher aus den Ergebnissen.

Dagegen besteht tatsächlich ein Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Erdtemperaturen, doch auch dieser ist relativ schwach: Innerhalb einer 22-jährigen Periode sorgt die Sonne über den Sonnenwind für Schwankungen um plus oder minus 0,07 Grad Celsius, lautet das Ergebnis der zusammenfassenden Datenanalyse. Insgesamt etwa zehn Prozent der beobachteten Erwärmung gingen demnach auf kosmische und solare Einflüsse zurück, so Sloan und Wolfendale: Das Phänomen sei also "kein stark unterschätzter Faktor der Erderwärmung".

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