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Fernerkundung: Invasorenjagd

Für ein ungeübtes Auge wird das undurchdringliche Kronendach-Grün hawaiischer Bergregenwälder wohl immer als unberührte Natur durchgehen. Wissenschaftler sehen da schon kleine, aber feine Unterschiede. Und vor den scharfen Sensoren moderner Fernerkundung können sich unerwünschte Einwanderer gleich gar nicht mehr verstecken.
Blüte eines Eisenholzbaumes
Pflanzen und Tiere, die ihren Lebensraum selbst ausdehnen oder vom Menschen verschleppt oder eingebürgert werden, gehören zu den großen Problemen des Naturschutzes. Besonders bedroht sind dabei einzigartige und isolierte Lebensräume, die ihren Einheimischen keine Ausweichmöglichkeiten bieten können – wie beispielsweise die Hawaii-Inseln, von deren ursprünglicher Lebewelt nur noch magere Reste vorhanden sind. Und so ist es hier ganz besonders wichtig, die Fremdlinge in ihrem Tun zu überwachen. Das allerdings ist nun in naturnahen und daher oft unzugänglichen Gebieten kein leichtes Unterfangen.

Zum Glück gibt es aber Hilfe aus der Luft: Mit Aufnahmen im sichtbaren und infraroten Licht lassen sich sogar verschiedene Pflanzenarten auf Grund des Wasser- und Stickstoffgehaltes ihrer Blätter unterscheiden. Dass die Fernerkundung Ökologen aber noch weit darüber hinaus helfen kann, zeigen nun Gregory Asner von der Carnegie Institution und Peter Vitousek von der Stanford-Universität.

Eisenholzbaum | Der Eisenholzbaum (Metrosideros polymorpha) beherrschte einst die Bergwälder des Mount Kilauea. Inzwischen machen ihm verschiedene eingeschleppte Arten das Leben schwer.
Die beiden Wissenschaftler erprobten an Bord eines Flugzeugs die zurzeit modernsten Spektroskope über den Bergregenwäldern des Hawaii Volcanoes National Park rund um den Mount Kilauea. Ursprünglich beherrscht hier der zehn bis zwanzig Meter hohe Eisenholzbaum (Metrosideros polymorpha) aus der Familie der Myrtengewächse den Wald. Seine Blätter enthalten wenig Stickstoff und auch nur vergleichsweise wenig Wasser. Seit einigen Jahren macht ihm allerdings ein Einwanderer, der Gagelstrauch Myrica faya, zu schaffen, dessen Blätter sich durch deutlich höhere Stickstoff- und Wassergehalte auszeichnen.

Stickstoffgehalte der Blätter | Stickstoffgehalte der Blätter bei einer Auflösung von 9 mal 9 Metern: Je heller die Fläche, desto höher der N-Anteil – hier offenbaren sich Einwanderer wie der Gagelstrauch. Der Zieringwer, eine andere invasive Art, verrät sich hingegen durch niedrigere N-Gehalte in den Blättern, weil es den Bäumen des Kronendachs den Nährstoff offenbar streitig macht.
Ein Unterschied, der sich in den Luftbildern klar zeigt – problemlos konnten die Wissenschaftler erkennen, in welchen Regionen der Eisenholzbaum noch vorherrschte und wo der Gagelstrauch ihn bereits verdrängt hatte. Doch die Forscher sahen noch mehr als das: In ihren Aufnahmen erkannten sie verblüfft auch Regionen rund um Gagelstrauchbestände mittleren Stickstoffkonzentrationen und leicht erhöhten Wassergehalten – hier begannen gerade einzelne Gagelstrauch-Exemplare in den umgebenden naturnahen Wald vorzudringen. Und genau dies sind die Gebiete, in denen Schutzmaßnahmen ansetzen müssten.

Doch das blieb nicht die einzige Überraschung. Bei der weiteren Auswertung stießen die Forscher auch auf Flecken mit niedrigem Stickstoff-, aber sehr hohen Wassergehalten. Was verbarg sich nun wieder dahinter?

Ein weiterer Eindringling, wie sich schnell herausstellte – der Kahili-Ingwer (Hedychium gardnerianum), der zwar mehrere Meter hoch werden kann, trotzdem aber nicht bis ins Kronendach reicht, sondern zum Unterholz gehört. Er sollte sich also in Luftbildern gar nicht verraten.

Und doch hinterlässt er Spuren: Wohl auf Grund seines eigenen ausgeprägten Stickstoffhungers bleibt für die angestammten Eisenholzbäume nicht mehr genug übrig – ihre Blätter enthalten weniger davon als die ihrer Artgenossen in unbeeinflussten Gebieten. Und da die Wassermessung auf einem Verfahren beruht, das bis zur Bodenoberfläche durchdringt, bringt sie auch die wasserreichen Blätter des Eindringlings ans Licht.

In einem guten Viertel des untersuchten Gebietes hat der Gagelstrauch inzwischen den heimischen Eisenholzbaum verdrängt, ein weiteres knappes Viertel ist in ernsthafter Gefahr, da sich die ersten Eindringlinge bereits etablieren. Und 13 Prozent der verbleibenden Metrosideros-Wälder müssen im Unterholz mit einem Zieringwer zurechtkommen, der ihnen die Nährstoffe streitig macht. So weit die üblichen Ergebnisse einer Luftbildauswertung.

Doch machte die moderne Technik auch die Folgen in der Nährstoffsituation sichtbar – und lässt weitere Konsequenzen erahnen: Blätter mit höheren Stickstoffgehalten werden schneller abgebaut, machen den Nährstoff damit leichter verfügbar und öffnen womöglich Tür und Tor für neue Einwanderer mit hohen Ansprüchen.

Den angestammten Bewohnern wird die Umgebung also auch auf chemischen Wegen streitig gemacht. Ein Kreislauf, den Forscher von vielen Orten der Welt kennen und fürchten. Mit der Hilfe aus der Luft sollte sich nun aber auch leichter feststellen lassen, wo es höchste Zeit zu handeln ist.

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