Direkt zum Inhalt

Influenza: Grippeviren werden gefährlicher

Influenza Viren
Zwei Forschergruppen haben Mechanismen aufgedeckt, die bei hochpathogenen Virenarten zu höheren Ansteckungsraten und schwerer wiegenden Folgen für Erkrankte beitragen.

Grippepandemie 1918 | An der Grippepandemie am Ende des Ersten Weltkriegs starben schätzungsweise 50 Millionen Menschen. Das Bild zeigt ein amerikanisches Notaufnahmelager im Camp Funston (US-Bundesstaat Kansas).
Ein Team um Jonathan McCullers beschäftigte sich mit den Besonderheiten des H1N1-Virusstamms, der 1918 die so genannte Spanische Grippe ausgelöst hatte. An ihr waren weltweit etwa 50 Millionen Menschen gestorben. Damals erlagen einige Opfer der Virusinfektion selbst, viele aber starben auf Grund von Sekundärinfektionen mit Lungenentzündung verursachenden Bakterien, die das geschwächte Immunsystem der Erkrankten nicht abwehren konnte. Die Ursache für diesen Zusammenhang liege unter anderem in dem von den 1918er Viren produzierten Protein PB1-F2, ermittelten nun McCullers und seine Kollegen vom St. Judes Childrens's Research Hospital in Memphis [1].

Dieses Eiweiß wird von einem dem Spanischen Grippeerreger nachgebauten Laborstamm sowie von anderen hochpathogenen Influenza-A-Grippeviren produziert. Die Forscher verabreichten Versuchsmäusen nun künstlich produzierte PB1-F2-Moleküle, Grippeviren und Pneumonie-Bakterien und stellten fest, dass die Tiere unter dem Einfluss des Proteins deutlich häufiger an Lungenentzündung erkrankten. Virenstämme ohne PB1-F2 trugen unter sonst identischen Bedingungen nicht zu sekundären Bakterieninfektionen bei.

Die Ursache der negativen Effekte des Viruseiweißes auf die sekundäre Bakterieninfektion liegen noch völlig im Dunkeln, kommentiert Gina Connello von der Mount Sinai School of Medicine in New York. Forscher raten angesichts der neuen Erkenntnisse, bei besonders gefährlichen Virenepedemien auch ausreichende Vorräte von Antibiotika zur Bekämpfung von Bakterien bereitzuhalten.

H5N1 | Vogelgrippeviren vom Typ H5N1 (rot markiert) befallen vor allem Zellen, mit denen die tief sitzenden Alveolen der Lungen ausgekleidet sind. Zellen der oberen Atemwege bleiben dagegen meist verschont.
In einer anderen Studie stellten Yoshiro Kawaoka von der Universität von Wisconsin in Madison bei Untersuchungen des Vogelgrippeerregers H5N1 eine Mutation fest, die einzelnen Viren ein Überleben in den oberen Atemwegen des Menschen erleichtert. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Virus bald auch von Mensch zu Mensch übertragen werden und eine gefährliche Grippeepedemie auslösen könne, befürchten die Forscher [2]. Bislang infiziert das Vogelgrippevirus zwar Menschen, konnte sich aber bislang nur mit Ausnahme von einem gesicherten Fall nicht von Mensch zu Mensch ausbreiten.

Der von Kawaokas Team identifizierte Aminosäureaustausch im Viruseiweiß PB2 sorgt dafür, dass sich die mutierten Erreger bei Temperaturen um 33 Grad Celsius in Zellen vermehren können. Die natürliche Virenform benötigt dafür ein wärmere Umgebung, die nur in den Atemwegen von Vögeln oder den tieferen Bereichen der Lunge des Menschen erreicht wird.

Eine Infektion des oberen Respirationstraktes von Menschen durch H5N1 wird allerdings nicht nur durch die niedrigeren Temperaturen eingeschränkt. Das Virus erkennt seine Wirtszellen an bestimmten Zuckerproteinen, so genannten Sialinsäuren, auf ihrer Außenseite, an die es mit Hilfe des viralen Andockproteins Hämagglutinin bindet. Das H(ämaglutinin) 5 von Vogelgrippeviren erkennt dabei Sialinsäuren, die bei Vögeln an der Zellaußenseite der oberen Atemwege häufig vorkommt, bei Menschen aber nur in tiefen und warmen Regionen der Lunge auftritt.

Nur wenn das H5 des neuen, weniger wärmeempfindlichen Stammes so mutiert, dass es auch die humanspezifischen Sialinsäuren bindet, müsse eine Pandemie befürchtet werden, so Kawaoka. Die jüngsten Evolutionsschritte des Vogelgrippeerregers seien zwar bedenklich, noch aber könne das Virus nicht leicht von Mensch zu Mensch springen, meint der Forscher. (jo)

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.