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Interview: Das Zufallsprodukt

Chefredakteur Breuer
Amadeus Münch: Herr Breuer, hinter uns hängen die Coverentwürfe der nächsten Ausgabe. Nach welchen Kriterien wählen Sie Cover und Titelthema aus?

Chefredakteur Breuer | Der Chef von Spektrum der Wissenschaft hat schon für viele Ausgaben die Titelseiten ausgewählt.
Reinhard Breuer: Das Titelbild hat in erster Linie die Funktion des Blickfängers. Es muss den Kontakt zwischen Heft und Kunde herstellen. Nehmen wir zum Beispiel an, ein wissenschaftlich interessierter Mann steht am Bahnhof in der Buchhandlung. Er hat eine zweistündige Fahrt vor sich und sucht etwas, womit er sich die Zeit vertreiben kann. Also schaut er durch die Reihe mit Wissenschaftszeitschriften. In den ersten zwei, drei Sekunden bleiben seine Augen an einem ansprechenden Cover hängen. Danach hängt es vom Titelthema ab, ob er das Heft auch durchblättert und letztendlich auch kauft. Der Kampf um diese fünf Sekunden ist der härteste in der Magazinbranche. Aus diesem Grund führen wir auch Studien durch, um zu erkennen, welche Themen und Bilder den potenziellen Käufer ansprechen, schneiden das Cover also auf den Kunden zu.

Münch: Das Grundgerüst Ihrer späteren Laufbahn war ihr Studium. In Ihrem Fall die Fächer Mathematik und Physik. Wieso diese beiden Fächer?

Breuer: Eigentlich fing es anders an. Ich hatte mich schon während meiner Schulzeit sehr für Literatur interessiert und war begeisterter Pianist. Doch ich musste schon sehr früh einsehen, dass ich mit einer musikalischen Laufbahn nicht weit kommen würde, dafür gibt es einfach zu viele gute Musiker. Also entschied ich mich für Germanistik und Anglistik.

Münch: Aber dann haben Sie noch einmal gewechselt?

Breuer: Nun, nach einer Weile merkte ich, dass das Philologiestudium nicht ganz das war, was ich mir vorgestellt hatte. Ein Freund hat mir damals gesagt: "Mache das, wovor du am meisten Respekt hast." Und das waren für mich die Physiker und Mathematiker.

Münch: Was hatte Sie denn abgehalten, sofort in diese Richtung zu gehen?

Breuer: Was ich damals für die mathematische Physik empfand, war fast schon Ehrfurcht. So dachte ich mir: Wenn ich jetzt zu diesen Genies gehe und studiere, komme ich doch nie mit ihnen mit, die hängen mich Normalsterblichen doch ab! Dann habe ich mich aber ziemlich angestrengt, und ich bin doch ganz gut mitgekommen.

Münch: Ihre erste Anstellung erhielten Sie in einer Forschungsgruppe des Max-Planck-Instituts für Astrophysik. Wie haben Sie den Sprung vom Studium in diesen Job geschafft?

Breuer: Ich hatte Angebote nach Köln an die Uni und nach Hiroshima in Japan. Aber der externe Zweitgutachter meiner Promotion war Leiter dieser Forschungsgruppe in München. Auch er bot mir einen Platz in seinem Team an, und seine Gruppe Gravitationsphysik schien mir wissenschaftlich die spannendste der drei Optionen.

Münch: Dann haben Sie bald Artikel in den Medien veröffentlicht?

Breuer: Ja, ich fing an für Zeitungen und Magazine populärwissenschaftliche Artikel zu publizieren. Dann kamen auch Bücher und Fernsehdrehbücher hinzu. Da ich unter der Woche im Institut zu arbeiten hatte, konnte ich das aber nur in meiner Freizeit tun – sehr zum Leidwesen meiner Frau. Einige Kapitel schrieb ich zum Beispiel in Griechenland auf dem Campingplatz am Strand. Bei 40 Grad im Schatten! Ich war ziemlich plemplem (lacht).

Münch: Vom Max-Planck-Institut kamen Sie dann erstmals als Redakteur zu einem Verlag: GEO. Wie kam es zu diesem Branchenwechsel?

Breuer: Durch meine jahrelangen Publikationen, unter anderem auch für GEO, ist der Verlag auf mich aufmerksam geworden. Als dann ein Platz als Redakteur frei wurde, hat GEO mir diese Stelle angeboten.

Münch: Und warum haben Sie sich dann tatsächlich für den Wechsel entschieden?

Breuer: Der Grund dafür waren vor allem mein breit gefächertes Interesse an den Naturwissenschaften und Spaß am Schreiben. Die Arbeit als Redakteur war etwas völlig Neues. Das war ja eher ungewöhnlich, dass ein Redaktionslaie wie ich einen Redakteursjob angeboten bekam. Normalerweise muss man da schon Erfahrungen nicht nur als Autor, sondern auch im Redaktionswesen mitbringen. Aber ich habe mich rasch eingearbeitet.

Münch: Worin liegen die Unterschiede zwischen GEO und Spektrum der Wissenschaft?

Breuer: Der Hauptunterschied sind die Zielgruppen der Magazine. Während GEO eher Laien ohne spezielles Interesse an der Wissenschaft anspricht, wenden wir uns an eine Leserschaft mit Hochschulstudium, die sich für Naturwissenschaften interessiert. 70 Prozent aller Spektrum-Leser haben einen akademischen Hintergrund. Spektrum richtet sich vor allem an vorgebildete Leute, die sich außerhalb ihres eigenen Arbeitsgebietes informieren möchten.

Ein Physikprofessor liest beispielsweise psychologische Artikel, während eine Biologieprofessorin Beiträge zur Archäologie liest. Die Artikel setzen zwar ein gewisses Vorwissen voraus, wenden sich aber nicht an den Fachmann auf dem jeweiligen Gebiet. Entsprechend gestaltet sich auch der Aufbau des Heftes. GEO ist großseitig bebildert und bietet einen sehr populären Zugang zu den Wissenschaftsthemen, während Leser von Spektrum solches Vorwissen schon besitzen sollten.

Münch: Danach gingen Sie zu Daimler in die Unternehmenskommunikation. Was war dort zu tun?

Breuer: Als Firma für hochwertige Technologieprodukte hat sie auch ein starkes Interesse an kompetenter Kommunikation zu ihrer Forschung und Technologie. Es geht um ihr Image als zukunftsorientiertes Hightech-Unternehmen.

Münch: Wieso interessierte sich Daimler für Redakteure von GEO?

Breuer: Nun, neben anderem entwickelte ich ein Magazin, in dem der Kunde über die jüngsten Technik-Neuerungen informiert wurde. Für diese Angelegenheit war mein Redaktionshintergrund durchaus nützlich. Außerdem interessierte ich mich auch für Technologie, so kam mir dieser Jobwechsel gelegen.

Münch: Und dann kamen Sie zu Spektrum?

Breuer: Genau. Da ich mir durch die verschiedenen Berufe über die Jahre hinweg sowohl Redaktions- als auch Leitungserfahrung angeeignet hatte, war ich wohl ein geeigneter Kandidat als Chefredakteur. Ich ergriff die Gelegenheit gerne, da ich Spektrum schon als renommiertes Wissenschaftsmagazin kannte.

Ehrlich gesagt, ich bin heute noch überrascht, was für ein Glück ich eigentlich hatte. Denn im Grunde war alles nur eine Aneinanderreihung glücklicher Zufälle. Aber so ist das nun mal: Zufälle spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle, ob wir das wahrhaben wollen, oder nicht. Auch ich bin ein Zufallsprodukt (lacht).

Münch: Was erwarten Sie denn von jemandem, der als Redakteur für Spektrum schreiben will?

Breuer: Zuerst einmal ein Studium in einem naturwissenschaftlichen Fach. Denn unsere Redakteure müssen die Fachgebiete, die sie betreuen, auch inhaltlich beurteilen können. Genauso wichtig sind journalistische und redaktionelle Erfahrung. Auch unsere Praktikanten müssen gute Arbeitsproben vorweisen können, alles andere wäre reine Zeitverschwendung.

Münch: Was raten Sie Schülern oder Studenten, die sich über ihre Berufswahl noch nicht im Klaren sind?

Breuer: Auf jeden Fall empfiehlt es sich, nicht zu starr vorauszuplanen. Man muss flexibel sein! Wenn ich manchmal Leute sagen höre, dass sie ihren Berufsweg bis zu ihrer Rente vorgeplant haben, dann amüsiert mich das. Schon bei der Wahl des Studiums sollte man darauf achten, dass man Spaß daran hat und, wie mein Freund sagte, nicht vor Fächern zurückschrecken, vor denen man vielleicht zu viel Respekt oder gar Angst hat, sondern gerade diese in Angriff nehmen. Der Rest ergibt sich dann während des Studiums, wenn man darauf achtet, stets präsent zu sein.

Münch: Herr Breuer, ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

Das Interview führte Amadeus Münch. Es entstand, als der 15-Jährige, der am Leonardo-da-Vinci-Gymnasium in Neckargemünd die zehnte Klasse besucht, ein Schülerpraktikum bei Spektrum der Wissenschaft absolvierte.

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Neben Schülerpraktika bietet Spektrum der Wissenschaft auch Praktika für Studierende der Naturwissenschaften. Für die Dauer von mindestens drei Monaten können Sie die Spektrum-Redakteure bei allen anfallenden redaktionellen Arbeiten unterstützen und so einen Einblick in den Alltag einer Wissenschaftsredaktion gewinnen.

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Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft
Redaktion "Spektrum der Wissenschaft"
Britta Feuerstein/Petra Mers
Slevogtstr. 3-5
69126 Heidelberg
E-Mail: redaktion@spektrum.com

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