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Jugendsoftwarepreis 2009: Souverän und mit Liebe zum Thema

Jugendsoftwarepreis 2009
Da reist die Familie eigens nach Shanghai, um die totale Sonnenfinsternis zu erleben – und was passiert? Just am entscheidenden Morgen zieht sich die Wolkendecke zu. Es wird zwar richtig finster, so dass sogar die Grillen das Zirpen einstellen, aber der berühmte Blick auf die Sonnenkorona fällt ins Wasser. Die bittere Enttäuschung motiviert die Schwestern Prisca (12) und Thekla (13) Hamm aus Aachen, wenigstens virtuell prachtvoll zu Bildschirm zu bringen, was ihnen in der Realität versagt blieb. Das gelingt ihnen in so beeindruckender Weise, dass ihr Werk mit dem Jugendsoftwarepreis ausgezeichnet wird.

Seit 2001 vergibt die Klaus-Tschira-Stiftung jedes Jahr fünf (gleichrangige) Preise an junge Softwareentwickler, die ihrer eigenen Altersgruppe mit Hilfe des Computers ein Wissensgebiet schmackhaft machen. Das Preisgeld beträgt jeweils 1000 Euro.

Ausgezeichnet | Die Preisträger von 2009 bei der Verleihungsfeier am 22. Januar in der Print Media Academy in Heidelberg. Rechts außen der Preisstifter Klaus Tschira.
Die preisgekrönten Ergebnisse lehren mich Bescheidenheit. Eigentlich ist mir das kreative Arbeiten am Computer, auch mit vielen, neuen Programmen, nicht wirklich ungeläufig. Aber was die Kinder da aus dem Netz gezogen haben, ist zum größten Teil an mir vorbeigegangen. Ich muss sogar meinen Computer bei einigen Standardanwendungen erst auf den neuesten Stand bringen. Nur von den Geometrieprogrammen GeoNext von der Universität Bayreuth und GeoGebra von der Universität Salzburg hatte ich schon einmal gehört.

Thekla und Prisca Hamm mit ihrer Software "Faszinierende Finsternisse"
Damit lässt sich die Relativbewegung von Sonne, Mond und Erde in einleuchtender Weise darstellen. Und schon sind die Mondfinsternisse in einem Aufwasch mit dabei. Prisca und Thekla haben dann auch gleich jede Menge Texte und Bilder zum Thema mit in die Präsentation eingebracht, die Hintergrundmusik selbst vierhändig am Klavier eingespielt – und das obligatorische Geschicklichkeitsspiel programmiert.

Das gehört bei allen Präsentationen dazu: Der Benutzer will neben dem anstrengenden Konsum des Wissens – das regelmäßig per Quiz abgefragt wird – die unruhigen Finger an der Maus oder auf der Tastatur beschäftigen. Da schadet es auch nichts, wenn die Aufgabe, mit Hilfe der Pfeiltasten virtuelle Wölkchen von der virtuellen Sonne wegzuschieben, nicht ernsthaft etwas mit Astronomie zu tun hat.

Die Pferdefreundinnen Mona Burkhart (links) und Karla Henrich
Erkennbare Liebe zum Thema hat auch den Beitrag des jüngsten Teilnehmerpärchens motiviert: Mona Burkhart (11) und Karla Henrich (12) aus Speyer haben alles zusammengetragen, was sie über Pferde finden konnten, darunter selbstgedrehte Videos, die die großen, haarigen Lieblinge in vollem Galopp zeigen.

Die Physiker Kevin Röhl und Henrik Dransfeld
Klassischen Schulstoff in eher klassischer Darreichungsform bieten Kevin Röhl (18) und Henrik Dransfeld (18) aus Essen: Es geht um Energie und ihre Umwandlung von einer Form in die andere. Schauplatz des Computerspiels, in dem man sich durch richtige Antworten bis auf das fünfte Level hocharbeiten kann, ist ein Keller mit allerlei elektrischem Gerümpel, der mich lebhaft an den Bastelkeller meiner Jugendzeit erinnert. Aber streng ist der Quizmaster! Ich biete auf die Frage nach einer gewissen potenziellen Energie die Antwort 50 000 Joule an, weil ich aus alter Gewohnheit die Erdbeschleunigung auf 10 m/s2 runde. Und schon geht der Daumen nach unten. 49050 Joule müssen es sein. Wo kämen wir denn hin, wenn man ungefähr richtige Antworten gelten lassen wollte!

Ihr wahres Programmiertalent zeigen Kevin und Henrik erst bei der Präsentation, die sie für die Verleihungsfeier anzufertigen hatten. Da fliegen den Darstellern die schwierigen Begriffe nur so zu – im Wortsinn –, und sie halten locker einen strahlenden Energieball in der Hand. Inzwischen haben sie eine eigene Softwarefirma gegründet.

Übrigens sind alle Preisträgerpräsentationen mit viel Fantasie erstellt und mit Genuss anzuschauen. Das zeigt, dass die jungen Softwarespezialisten ihre Werke nicht mit letzter Kraft einem widerspenstigen Medium abgerungen haben, sondern dieses Medium souverän beherrschen.

Die Vogelkundler Tobias Meyer und Michael Uhmeier
Tobias Meyer (20) und Michael Uhmeier (20) aus Kreuzlingen am Schweizer Ufer des Bodensees haben in ihrem "roten Vogelbuch" viele eigene, umfangreiche Beobachtungen an Vögeln ihrer Heimat eingebracht. Bis ich die Blaumeise mit der Maus heile zu ihren Futterplätzen und nach Hause navigiert habe, sind viele ihrer virtuellen Vorgängerinnen irgendwelchen Hindernissen zum Opfer gefallen. Das kommt davon, wenn man keine Übung in Computerspielen hat ...

Der bunteste und wildeste Beitrag stammt aus der Grund- und Hauptschule Wendelsheim und der Hauptschule Innenstadt Tübingen. Der wissenschaftliche Gehalt ist weniger bemerkenswert – es geht um Kopfrechnen – als die organisatorische Leistung der Lehrer Heidi Haaf und Hansjörg Sänger: 45 Kinder zu gemeinsamem Tun zusammenzubringen, mit einem so überzeugenden Endergebnis, ist wahrlich nicht einfach.

Rechensport mit 45 Kindern und zwei Lehrern | Dies ist nur ein kleiner Teil der Gruppe aus den Schulen in Wendelsheim und Tübingen, die ein Projekt zum Kopfrechnen durchgeführt hat.
Wie kam die Kooperation der beiden Schulen zustande? Aus eher traurigem Anlass: Der Hauptschulteil der Wendelsheimer Schule wurde aufgelöst, ein Lehrer wurde nach Tübingen versetzt – und nahm sein in Wendelsheim begonnenes Projekt mit. Ob denn alle 45 Beteiligten jetzt zur Preisverleihung angereist seien? "Net ganz." Einer ist krank, einer auf Exkursion, und "einer hat Hausarrescht". Kreativ und brav sind eben zwei verschiedene Dinge.

Detaillierte Rezensionen der preisgekrönten Beiträge finden sich unter www.lehrer-online.de/jugendsoftwarepreis-gewinner.php.

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