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Nanonetze: Vielseitiger Nanoröhrchen-Filz

Aus einem Gewirr winziger Kohlenstoffröhren könnte in den nächsten Jahren preiswertes elektronisches Gerät hervorgehen, melden amerikanische Forscher. Zu den absehbaren Anwendungen zählen Transistoren, gedruckte Solarzellen und elektronisches Papier.
Das klingt zunächst ziemlich unglaublich. Kohlenstoff als Grundstoff für elektronische Bauteile? Haben wir nicht in der Schule gelernt, dass Kohlenstoff, ob als Graphit oder als Diamant, Strom sehr schlecht leitet? Doch in den vergangenen fünfzehn Jahre haben Wissenschaftler neue Kohlenstoffformen entdeckt: winzige Strukturen aus einigen hundert bis tausend Atomen, die bereitwillig Elektronen transportieren. Besonders interessant ist die Nanoröhre, ein Molekül, das aussieht wie eingerollter Maschendrahtzaun – nur dass dieser Maschendraht aus einer Kohlenstoffschicht besteht, die hundert Millionen Mal feiner ist als der Zaun für einen Hühnerkäfig.

Wie sich nun herausstellt, können ungeordnete Gewebe aus solchen Röhrchen vielerlei elektronische Funktionen übernehmen. Durch chemische Bearbeitung können diese Nanonetze die Eigenschaften von metallischen Leitern wie Kupfer nachahmen – oder von Halbleitern wie Silizium. Auf Grund seiner Wandlungsfähigkeit vermag das seltsame Material unterschiedliche Rollen in elektronischen Geräten zu spielen.

Einen weiteren Vorteil streicht der Physiker George Gruner in der Oktober-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft heraus: Der feine Filz aus Kohlenstoff lässt sich ohne großen Aufwand fabrizieren. Forscher suspendieren Nanoröhrchen in einer Flüssigkeit und sprühen sie dann als dünne Schicht auf biegsame Plastikfolien. Oder sie können das Material auf aktive Schichten auftragen oder drucken, die ihrerseits elektronische Funktionen ausüben – etwa bei Anlegen einer Spannung Licht aussenden.

Man braucht nicht viel Phantasie, um sich nach diesem einfachen Prinzip viele extrem billige und praktische Produkte auszumalen: „elektronisches Papier“, das wechselnde Informationen auf flexiblen, zusammenrollbaren Blättern darstellt; chemische Sensoren; tragbare elektronische Geräte; auf Dachziegel gedruckte Solarzellen; und große Mengen einfacher Sensoren, die mittels Funkerkennung Warenbestände in Lagerhäusern oder Supermärkten verfolgen. Für solche Anwendungen ist weder die blitzschnelle Rechenleistung eines teuren Chips nötig noch ein modernes Bildschirmsystem. Darum suchen Forschungslabors und Start-up-Unternehmen nun um die Wette nach Geräten auf Kohlenstoffbasis, die viel leisten und wenig kosten.

Die Nanonetz-Industrie steckt freilich noch in den Kinderschuhen, räumt Gruner ein. Heute steht sie ungefähr dort, wo die Siliziumchip-Industrie vor einem halben Jahrhundert ihren Siegeszug begann. Doch den Forscher geling es immer besser, Nanoröhren, die so gut leiten wie Metalle, von halbleitenden zu trennen. Unterdessen haben Wissenschaftler ein Verfahren entwickelt, das dem Dotieren von Silizium ähnelt: Spezielle Moleküle werden an die Röhren gebunden, um deren elektrische Eigenschaften gezielt zu verändern. Vermutlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis solche Schichten die Alleinherrschaft des Siliziums in der Digitaltechnik brechen.

Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe: Spektrum der Wissenschaft, 10/2007
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