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Physiknobelpreis: "Das Higgs hat viele Väter"

Der Physiker Thomas Naumann ist Mitglied des ATLAS-Teams am LHC, das an der Suche nach dem Higgs-Teilchen beteiligt war. Mit "Spektrum.de" sprach er über den diesjährigen Physiknobelpreis und ob das CERN dabei nicht zu kurz gekommen ist.
Thomas Naumann

Spektrum.de: Herr Naumann, Ihr ATLAS-Experiment am LHC hat das von Peter Higgs vorausgesagte Teilchen mit entdeckt. Ist denn das Higgs-Teilchen mittlerweile überhaupt definitiv nachgewiesen?

Thomas Naumann: Ja, seit dem Frühjahr 2013 – nach Auswertung aller Daten der ersten Betriebsperiode des LHC – ist das Higgs-Teilchen am Large Hadron Collider LHC des CERN in Genf definitiv nachgewiesen.

Thomas Naumann | arbeitet am deutschen Teilchenforschungszentrum DESY in Zeuthen und ist Mitglied der ATLAS-Kollaboration am Large Hadron Collider LHC des Europäischen Zentrums für Kernforschung CERN bei Genf.

Peter Higgs ist der deutlich prominentere der beiden Forscher, auf ihn geht auch die Voraussage eines entsprechenden Teilchens zurück. Halten Sie es für gerechtfertigt, dass sowohl er als auch sein Kollege Englert geehrt werden?

Englert und sein 2011 verstorbener Kollege Robert Brout sowie Higgs haben 1964 als Erste und unabhängig voneinander so genannte spontan gebrochene lokale Symmetrien in die Teilchenphysik eingeführt. Englert sagte übrigens am Telefon, die Verkündung der Entdeckung am CERN am 4. Juli 2012 in Genf sei seine erste direkte Begegnung mit Peter Higgs gewesen – fast 50 Jahre nach ihren Veröffentlichungen im Jahr 1964.

Hätten dann nicht auch noch die Amerikaner Kibble, Guralnik und Hagen bedacht werden müssen? Auch sie formulierten ähnliche Theorien.

Ihre Beiträge sind ebenfalls wichtig, ebenso wäre hier Jeffrey Goldstone zu nennen, doch der Preis kann nur an drei Personen vergeben werden. Aber auch mehrere Physiker, die bereits den Nobelpreis erhielten, wie Anderson, Nambu, Weinberg sowie t'Hooft und Veltman haben an der Ausarbeitung dieser Aspekte der Theorie mitgewirkt. Die Theorie der Bausteine der Welt und ihrer Kräfte hat viele Väter …

Die Rolle des CERN bei der Erforschung des Higgs ist sicher kaum zu unterschätzen. Sind Sie enttäuscht, dass das Nobelkomitee nicht über seinen Schatten gesprungen ist und mit der Tradition gebrochen hat? Dann hätte auch das CERN den Preis erhalten können.

CERN ist sicher ein jahrzehntelanges Erfolgsmodell friedlicher internationaler Zusammenarbeit tausender Physiker, ein Mekka der Weltphysik. Ich denke aber, alle meine Kollegen am CERN sind zuallererst froh, dass "das Higgs" den Preis bekommen hat. Keiner von uns arbeitet für den Preis, sondern aus Neugier und innerem Antrieb. Ein lustiger Vorschlag war, dem Teilchen selbst den Preis zu verleihen, als Dank dafür, dass es uns allen Masse verleiht.

Empfinden Sie es als gute Kompromisslösung, dass das Komitee die Arbeit der CERN-Forscher in der Preisbegründung explizit erwähnt?

Ja, es ist auffällig: Die Entdeckung durch die Experimente ATLAS und CMS am LHC des CERN wird ganz ausdrücklich erwähnt. Das ist ein sehr fairer Ausweg aus dem Dilemma, den Preis nicht den Experimenten mit ihren tausenden Physikern verleihen zu können.

Lesen Sie dazu auch unseren aktuellen Hintergrundbericht: "Higgs-Teilchen und -Mechanismus preisgekrönt".

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