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Abschreckende Begeisterung

Mit Verschwörungstheorien und esoterischen Fantastereien hat Harald Zaun nichts im Sinn. Vielmehr behandelt er die Suche nach außerirdischer Intelligenz historisch und wissenschaftlich seriös. Man merkt seinem Buch an, dass er vor seiner Laufbahn als Wissenschaftsjournalist in Geschichte promoviert hat.

Mit den Bedingungen, die für die Entwicklung intelligenten Lebens nötig sind, hält sich Zaun nicht lange auf; da bietet Hansjürg Geigers Buch "Astrobiologie " einen tieferen Einblick. Vielmehr setzt er als selbstverständlich voraus, dass außerirdische Zivilisationen existieren müssen: Das Universum sei "zu kreativ und groß", als dass wir darin die einzige intelligente Lebensform sein könnten.

Der historische Rückblick zu Beginn des Buchs – von der Antike bis zur Neuzeit – ist ein Leckerbissen für philosophisch Interessierte. Dabei kommt so manche Kuriosität zu Tage: So äußerte der Mathematiker Carl Friedrich Gauß (1777 – 1855) den wenig umweltfreundlichen Vorschlag, die sibirische Taiga großflächig in geometrischen Mustern zu entwalden. So wollte er die Mondund Marsbewohner darauf aufmerksam machen, dass auf der Erde intelligentes Leben existiert, und sie zu einer Kontaktaufnahme bewegen.

Die Folgekapitel beleuchten Entwicklungen und Höhepunkte des Programms SETI (Search for Extraterrestrial Intelligence) seit 1960. Durch Zauns persönliche Kontakte zu diversen Forschern ist die Darstellung bereichert worden. Nebenbei vermittelt er das nötige astrophysikalische Hintergrundwissen. Für absolute Laien wäre das Buch jedoch schwere Kost, wozu auch das völlige Fehlen von Abbildungen beitragen mag.

Bisher untersuchen SETI-Wissenschaftler größtenteils Radiowellen aus dem All auf ungewöhnliche Signale, die künstlichen Ursprungs sein könnten. Noch hat niemand eine Botschaft empfangen, die eindeutig von einer intelligenten Zivilisation stammt – auch das so genannte Wow-Signal von 1977, das viele Spekulationen auslöste, hat höchstwahrscheinlich eine natürliche Ursache. Überhaupt ist die Chance sehr gering, eine an uns gerichtete außerirdische Botschaft aufzufangen, selbst wenn sie in diesem Moment einträfe – denn dazu müsste ein Teleskop genau zum richtigen Zeitpunkt die richtige Raumregion auf der richtigen Wellenlänge "abhören".

Um die Wahrscheinlichkeit eines Treffers zu erhöhen, wäre es also sinnvoll, neben Radiowellen vermehrt andere Bereiche des elektromagnetischen Spektrums zu durchsuchen. Ein ganzes Kapitel ist dem Programm OSETI (Optical SETI) gewidmet, bei dem nach Laserpulsen aus dem All gefahndet wird.

In den letzten Kapiteln schildert der Autor die Zukunftspläne von SETI sowie einige spekulative Ideen: ein Teleskop auf der Rückseite des Monds, die Suche nach außerirdischen Artefakten, die Möglichkeit, dass Außerirdische vor langer Zeit eine Botschaft in unserem genetischen Kode hinterlegt haben könnten, und etliches mehr. Und was wäre, sollten wir eines Tages wirklich Kontakt mit einer fremden Zivilisation aufnehmen? Unvorstellbare Umwälzungen wären die Folge, so Zaun. Bei allen Spekulationen macht der Autor allerdings stets deutlich, wo sie die Grenzen der Wissenschaft einhalten und wo die Fantasterei anfängt.

Insgesamt liefert Harald Zaun ein leidenschaftliches Plädoyer für Grundlagenforschungsprojekte wie SETI sowie für mehr internationale Zusammenarbeit: Nicht nur die Suche nach fremden Signalen sollte koordinierter ablaufen, sondern auch das Senden von Botschaften ins All, denn die Suche nach außerirdischer Intelligenz sei die "höchstmögliche Form der Forschung".

Zuweilen lenkt der weitschweifige Stil vom ansonsten faszinierenden Inhalt ab. Blumige Umschreibungen und teils schiefe Metaphern, die sich im Lauf des Buchs zigmal wiederholen, strapazieren die Geduld des Lesers. So hängen große Mengen an "Damoklesschwertern" über dem Haupt der Menschheit oder auch nur dem Programm SETI, dessen weitere Finanzierung nach der jüngsten Kürzung staatlicher Gelder mehr als unsicher ist. Und die überschwängliche Begeisterung der leidenschaftlichen, eifrig werkelnden Wissenschaftler, die mutig und unermüdlich nach dem lang ersehnten Außerirdischensignal suchen, wirkt eher abschreckend als ansteckend. Doch wer über den gewöhnungsbedürftigen Stil hinwegsieht und über ein paar astronomische Grundkenntnisse verfügt, wird mit einer spannenden, unterhaltsamen und fundierten Einführung in die Suche nach außerirdischem Leben belohnt. Viele Quellenangaben belegen die Recherchen und ermutigen zum Weiterlesen.

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  • Quellen
Spektrum der Wissenschaft 6/2011

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