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Kommentare - - Seite 960

Ihre Beiträge sind uns willkommen! Schreiben Sie uns Ihre Fragen und Anregungen, Ihre Kritik oder Zustimmung. Wir veröffentlichen hier laufend Ihre aktuellen Zuschriften.
  • Augustinus und die Zeit

    13.05.2011, Dr. Karl Wulff, Schneverdingen
    Der erste Denker, der über einen Anfang der Zeit spekulierte, war der Kirchenvater Augustinus (354 bis 430). Er stellte (in Form eines Gebets) die Frage, warum Gott die Welt nicht früher oder später geschaffen habe. Dann kam er selbst im weiteren Verlauf seines Gebets auf die Lösung, dass Gott mit der Welt auch die Zeit geschaffen haben müsse und sich die Frage nach dem Vorher oder Später des Zeitpunktes der Schöpfung damit erübrige (Confessiones XI).
    In der Spätantike entwickelte sich der Gegensatz zwischen "Ewigkeit", einem Zustand ohne oder jenseits von Zeit, und der "Zeit", die in unserer Welt das Werden und Vergehen beherrscht. Dieser klare Kontrast trug wesentlich dazu bei, dass unsere abendländische Kultur in den Naturwissenschaften zu einem präzisen Zeitbegriff kam.
    Der persische Philosoph und Theologe Abu Hamid al-Ghazali (lat. Algazel, 1058 bis 1111), vertrat die Auffassung, dass die Zeit, wie alles Geschaffene, Anfang und Ende habe. Ob er von Augustinus beeinflusst war, ist nicht bekannt.
  • Alter des Universums

    12.05.2011, Michael Kunert, Berlin
    Wenn davon gesprochen wird, dass das Universum ein bestimmtes Alter hat (z.B. 14 Milliarden Jahre) Was ist damit eigentlich gemeint, wo doch die Uhren sehr unterschiedlich gehen? Je nachdem, auf welchem "Pfad" sich eine Uhr seit dem Urknall bewegt hat, sollte die gemessene Zeit auch verschieden sein.
    Handelt es sich bei den 14 Milliarden also um ein Minimum einer solchen Messung? Wohl eher nicht, denn wenn meine ausgewählte Uhr schon sehr früh in einem schwarzen Loch gestrandet ist, so sollte seitdem nicht mehr viel Zeit auf dieser Uhr vergangen sein.
    Handelt es sich um eine maximale Messung oder einen Durchschnitt von allen Uhr-Pfaden bis zu diesem Zeitpunkt? Aber da hat man das Problem mit der Gleichzeitigkeit im Universum.
    Wenn die Altersangabe also einen Sinn haben soll, dann vielleicht den folgenden: Man misst die vergangene Zeit entlang aller Pfade durch die Raumzeit vom Urknall bis heute auf der Erde. Und dann mittelt man diese?
    Stellungnahme der Redaktion

    Gute Frage. Ich habe noch nirgendwo gelesen, dass sich speziell damit jemand befasst hätte.

    Meine Vermutung: Da gibt es nicht viel zu mitteln. Die "Uhren", die wir heute ablesen können, also die Materie, die für uns greifbar ist, und die Strahlung, die bei uns ankommt, haben den größtenTeil ihres bisherigen Lebens in einer "normalen" Umgebung zugebracht, sprich im Vakuum oder jedenfalls mit geringer bis mäßiger Massendichte in ihrer Umgebung. Das heißt, die Uhren sind alle ziemlich gleich schnell gegangen. Zumindest gehen irgendwelche denkbaren Gangabweichungen in den Ungenauigkeiten der Rekonstruktion unter; die Zeitangabe "vor 14 Milliarden Jahren" ist ja sehr ungefähr zu verstehen.

    Es besteht also durchaus eine ernstzunehmende Frage – aber auf absehbare Zeit keine Chance auf eine brauchbare Antwort.

    Christoph Pöppe, Redaktion

  • Die beste Zahl bleibt aber die 73,21

    11.05.2011, Thomas Barth
    Denn 73 ist die 21. Primzahl, Spiegelzahl 37, ist die 12. Primzahl, deren Spiegelzahl ist die 21

    und das beste Buch bleibt "Die grüne Wolke"
  • Erziehung und Rationalität

    11.05.2011, Martin Piehslinger, Wien
    Es gibt keine rationale Entscheidung. Auf Grund von Selbstbeobachtung glaube ich, dass alle Entscheidungen emotional gefällt werden. In der Erziehung wird mit dem logischen Denken und mit rationalen Entscheidungen ein angenehmes Gefühl verknüpft.

    "Denk doch logisch!"
    "Ja, gescheites Kind!"

    So wurden wir immer wieder belohnt und belohnen uns selbst für logisches Denken. Darum tun wir es. In anderen Kulturkreisen könnte diese Verknüpfung vielleicht weniger stark ausgeprägt sein.
  • Familienpolitik und die Macht der Kultur

    10.05.2011, Martin Holzherr, CH-8406 Winterthur
    Das Beispiel Südkorea zeigt:
    Familienplanung begünstigt die wirtschaftliche Entwicklung, die wiederum den Trend zu weniger Kindern verstärkt.
    Kann Südkorea also in dieser Hinsicht ein Vorbild für Ägypten sein? Die meisten würden das verneinen, denn die islamische Kultur steht der Familienplanung ablehnend gegenüber. Zudem begünstigt die Stellung der Frau in islamischen Ländern ihre Rolle als Gebärerin. Tatsächlich beträgt das Bevölkerungswachstum bei den 21 arabischen Ländern im Durchschnitt bei 2.3% und 1.8% bei den islamischen Ländern insgesamt - verglichen mit einem Populationswachstum von 1.12% weltweit. Viele subsaharische nicht-islamische Länder haben jedoch ein noch viel stärkeres Bevölkerungswachstum.
    Die islamische Kultur nimmt eine hohe Kinderzahl nicht einfach hin , sondern ermutigt sie. Dazu kommen viele kulturelle Besonderheiten, die eine hohe Kinderzahl begünstigen wie das typisch tiefe Heiratsalter.
    In Europa wurde noch vor wenigen Jahrzehnten ein Bevölkerungszuwachs mit einem Machtzuwachs assoziiert, sowohl von staatlicher als auch von religiöser (christlicher) Seite. Das moderne China hat mit der ökonomischen Rechtfertigung der 1-Kind-Familienpolitik erstmals dieses tief verankerte Denkmuster in Frage gestellt.
    Die Tatsache, dass in 20 Jahren jeder 4. Mensch ein Muslim sein wird und dass beispielsweise im Jahre 2100 320 Millionen Inder Muslime sein werden, obwohl sie heute nur 13% der indischen Bevölkerung ausmachen, kann tatsächlich einen Machtzuwachs der Muslime bedeuten, es kann aber auch mit einer Zunahme von Elend und Unterentwicklung einhergehen oder aber beides trifft zu: Es gibt relativ mehr Muslime, die zurecht mehr Macht einfordern und gleichzeitig sind sie ärmer als die Menschen in weniger stark wachsenden Ländern.

    Kultur und Religion lassen jedoch immer noch große Unterschiede im Bevölkerungswachstum zu. Die tunesische Bevölkerung hat sich seit 1956 verdreifacht, liegt jedoch jetzt mit 1% pro Jahr sogar unter dem Weltdurchschnitt. Ähnliches gilt für den Iran, dessen Bevölkerung bis vor kurzem rasant zunahm, so dass das Durchschnittsalter 27.2 Jahre beträgt. Doch heute wächst der Iran nur noch um 0.88% pro Jahr.
  • Sachlich?

    10.05.2011, Fritz Kronberg
    Der Artikel von Frau Döring und Herrn Feger klingt sachlich und ausgewogen, ist es aber nicht. Wenn wir die bisher bekannten Folgen der Havarie des Fukushima-Reaktors einmal nüchtern betrachten, so sehen wir Null Tote und drei nicht allzu schwer Verletzte. Dazu kommen vorübergehende Sperrungen einiger Gebiete sowie die Freisetzung einer bisher noch nicht korrekt abgeschätzten Menge von Radionukliden mit überwiegend kurzer Halbwertszeit.

    Da dies von den Kernkraftgegnern als Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes dargestellt wird, kann ich als rational denkender Mensch beim Vergleich mit dem Ereignis vom 20. April 1986 "Der Damm der Kantale-Talsperre auf Sri Lanka bricht. Die Flutwelle überflutet Dutzende Dörfer; es gibt bis zu 178 Tote" als willkürlich herausgegriffenes Beispiel von vielen nur fragen, wo eigentlich der gesunde Menschenverstand bleibt. Nach den Maßstäben der Kernkraftgegner wäre die Wasserkraft somit auf jeden Fall eine hoch gefährliche, also völlig unverantwortliche Energieform.

    Der oben erwähnte gesunde Menschenverstand sagt mir, dass die Angst vor der Kernenergie nicht nur irrational ist. Sie ist hysterisch. Nicht dass ich glaube, da wäre noch ein Weg in eine sinnvolle Richtung möglich. Mit dem Umfaller von Frau Merkel - wider besseres eigenes Wissen - ist der Weg in die Ressourcenverschwendung in großem Maßstab vorgezeichnet.
  • Messschieber ist keine Lehre

    10.05.2011, Rüdiger Spode, Hamburg
    Ergänzend zu den anderen Leserbriefen, denen ich mich voll anschließe, möcht ich noch sagen: meine Lehre ist schon 40 Jahre her und schon damals sagte man uns, dass der Messschieber nicht Schieblehre heißen kann, denn eine Lehre ist ein festes Bauteil, wie z.B. eine Radienlehre. Oder anders ausgedrückt, mit einer Lehre kann man nicht messen;

    und

    Messschieber schreibt sich nach neuer Rechtschreibung tatsächlich mit drei s, auch wenn es komisch aussieht.
  • Titel Ihres Leserbriefes

    09.05.2011, Dr. G. Schuller
    Risikoversicherung für Atomkraftwerke

    Nach marktwirtschaftlichen Kriterien müsste für jedes Atomkraftwerk eigentlich eine vollständige Haftpflichtversicherung, die alle Folgekosten umfasst, abgeschlossen werden. Das ist eigentlich bei jedem Unternehmen so.

    Falls es einen oder besser 2 Haftpflichtversicherer geben sollte, der/die ein Atomkraftwerk umfassend versichern, dann bin ich sofort für Atomenergie, andernfalls sind die Preise für Kernenergie total irreführend - nach dem häufigen Muster, Verluste werden sozialisiert und Gewinne privatisiert.

    Das hat alles nichts mit Hysterie der Bevölkerung zu tun, sondern mit unterdrückter Vernunft. Es ist ein Ärgernis, weil hier geschummelt wird.

  • Wie sicher sind die wahrscheinlichen Eintrittsereignisse?

    06.05.2011, Gerhard Füchsle, München
    Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wie beispielsweise die Wahrscheinlichkeitswerte für einen GAU in einem Kernkraftwerk überhaupt zu Stande kommen. Da tut man sich doch schon schwer die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Einzelkomponenten zu bestimmen, die dann in einer Wirkungskette zu einem GAU führen können. Doch selbst wenn man diesen Werten trauen könnte, so kann man sie doch keinesfalls mit anderen Katastrophenereignissen wie beispielsweise einem Flugzeugabsturz vergleichen.

    Nur ein havariertes Kernkraftwerk ist in der Lage eine große Landfläche für Tausende von Jahren unbewohnbar zu machen und die Menschen in seiner Umgebung gesundheitlich stark zu beeinträchtigen - für Jahre.

    Und was viele schon vergessen haben oder gar nicht erst bedenken - der Urankernbrennstoff ist auch nicht unbegrenzt auf dieser Erde verfügbar, und wer sich schon mal die Prozesskette vom Uranabbau bis zum jungfräulichen Kernbrennstab angesehen hat, der weiß, dass diese Brennstäbe bereits eine "Blutspur" hinter sich herziehen, noch bevor sie in einem Kraftwerk zum Einsatz kommen.

    Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als auf erneuerbare Energiequellen zu setzen und mit Hochdruck an der Verbesserung "solarer" Techniken zu arbeiten.
  • Der Preis unseres Wohllebens

    06.05.2011, Kurt Schütz

    Verehrte Diskutanten,

    Wer will schon Atomkraftwerke? Wer will Kohlekraftwerke? Niemand! Sie alle spucken um den Preis der elektrischen Energie eine Menge unangenehmer Dinge aus! Wer will Wasserkraftwerke? Als begeisterter Angler sind sie mir ein riesiger Schaden an der Ökosphäre.

    Wenn ich dennoch Energie nutze, sollte ich überlegen, welche Anlage den geringsten und welche den größten Schaden stiftet. Letzteres scheint für mich eindeutig das Kraftwerk zu sein, das den weltweiten Klimawandel am schnellsten vorwärts treibt.

    Ich überlasse Ihnen gerne die Schlussfolgerung!

    Mit freundlichen Grüßen
    Dr. Kurt Schütz
  • Wo bleibt der Müll?

    06.05.2011, Dominique Boursillon
    "In Frage steht, ob der GAU als ein so großes Übel zu betrachten ist, dass es (...) unverantwortlich wäre, weiterhin auf Atomstrom zu setzen – oder eben nicht." In der Not frisst der Teufel Fliegen! Die Frage ist eher, brauchen wir zwingend Atomstrom? Die Antwort ist: nein! Dann geht es nicht nur um das unmittelbare Übel, sondern auch um langfristige. Was ist mit dem Atommüll? Wer will (vor allem wie) sicherstellen, dass wir damit nicht einen anderen GAU verursachen, wenn wir längst tot sind? Ob ein Für und Wider abzuwägen ist, muss jeder für sich entscheiden. Vom ethischen aus muss man aber immer eins im Auge haben: Es gibt Dinge, die sind unverantwortlich!
  • Soll ich "Angst" haben oder nicht?

    06.05.2011, Paul R. Woods
    In die Entscheidung "bin ich für die Nutzung der Kernenergie oder dagegen" fließen bei jedem Individuum die gleichen Faktoren ein - jedoch mit einem unterschiedlichen persönlichen Gewicht.

    Die Eintrittswahrscheinlichkeit und -häufigkeit, der entstehende Schaden, der Gewinn aus der Nutzung der Kernenergie und der aus der Nutzung anderer Energiequellen sind zwar empirisch belegbare Größen die allgemein gelten, es sind aber die Präferenzen des Einzelnen, die die Gesamtformel und deren Ergebnis bestimmen.
    Und obwohl jeder Soziologe aus den angegebenen Größen eine Formel erstellen kann, wäre nur durch repräsentative Umfragen, die die persönlichen Gewichte ermitteln, eine Grundhaltung der Bevölkerung festzustellen.

    Gibt es solche Umfragen bereits und sind sie statistisch korrekt?
  • "Toller" Artikel!

    04.05.2011, Prof. Dr. Dietrich H. Nies, Halle
    Was für ein „toller“ Artikel! 2005 (±1) wurde eine Kohorte befragt, die damals 10 Jahre ihr Abitur oder ihren Realschulabschluss hatte, = 1995. Es war noch ein deutlicher Unterschied zwischen DDR/BRD-Herkunft sichtbar. Oh Wunder, so kurz nach der Wiedervereinigung! Dann noch n = 67, eine „umfangreiche“ Netzwerkanalyse mit 50 Personen (117 – 67), also weniger als einen Netzwerkpartner pro Testperson, und dafür >6 Jahre Auswertungszeitraum für 117 Interviews. Zusätzlich zur problematischen wissenschaftlichen Vorgehensweise erzürnen mich die politischen Aussagen auf dieser mageren Datenbasis; bis hin zur Forderung der Aufhebung des Ehegatten-Splittings! Natürlich sind auch Wissenschaftler Bürger mit politischer Meinung, wenn sie jedoch als Wissenschaftler auftreten, dann bitte objektiv und nach Bohrung etwas dickerer Bretter.
    Stellungnahme der Redaktion

    Beschränken wir uns auf den sachlichen Kern der Bemerkungen von Herrn Prof. Dr. Nies und darin auf vier Unterpunkte:


    1.) Wir haben für die Auswertung von 117 Interviews nicht 6 Jahre benötigt. Ergebnisse der Studie wurden seit 2005 auf zahlreichen nationalen und internationalen Fachkonferenzen vorgestellt und in renommierten, internationalen Fachzeitschriften (u. a. "European Journal of Population", "Current Sociology") publiziert. Eine Publikationsliste stellen wir auf Anfrage gern zur Verfügung. Im Übrigen veralten qualitative Interviews nicht nach wenigen Jahren – ebenso wenig wie quantitative Datensätze –; sie bieten reichhaltige Informationen, die mit verschiedenen Methoden (Grounded Theory, Objektive Hermeneutik, Diskursanalyse und andere) auszuwerten auch Jahre danach noch sinnvoll ist.


    2.) Die Fallzahl von 67 Befragten ist für eine qualitative Analysemethode wie die unsere nicht zu gering. Es geht nicht darum, die Verteilung von Merkmalen in der Bevölkerung durch eine repräsentative Stichprobe zu ermitteln, sondern subjektive Sinnzusammenhänge und Handlungslogiken von Akteuren zu rekonstruieren. Dazu wurden im Verlauf der letzten Jahrhunderte in den Sozial- und Geisteswissenschaften eine Reihe von erprobten und validierten Verfahren entwickelt, deren wir uns bedient haben. Unser Vorgehen entspricht den aktuellen wissenschaftlichen Standards in diesem Bereich, und wir nehmen für uns in Anspruch, typische Handlungslogiken, die bei der Entscheidung zur Elternschaft und bei der Gestaltung von Paarbeziehungen relevant werden, intersubjektiv nachvollziehbar rekonstruiert zu haben.


    3.) Es ist für Herrn Prof. Nies offenbar nicht verwunderlich, dass auch knapp 15 Jahre nach dem Umbruch in der DDR – unsere Interviewten wurden in den Jahren 2004/05 befragt – noch erhebliche Mentalitätsunterschiede zwischen Ost- und Westdeutschen bestehen, die auch für die Frage nach der Entscheidung zur Elternschaft von Bedeutung sind. Ganz im Gegensatz zu dieser Einschätzung gingen fast alle politischen Akteure in den 1990er Jahren sowie die sozialwissenschaftliche Forschung lange Zeit von einem sehr viel schnelleren "Zusammenwachsen" der beiden deutschen Bevölkerungen und einer Angleichung auch der Mentalitäten auf einem – imaginären – westdeutschen Niveau aus. Für uns wie auch für eine große Zahl von Fachkollegen, mit denen wir in Kontakt stehen, sind die keineswegs linearen und zum Teil unerwarteten soziokulturellen Entwicklungen in beiden Teilen Deutschlands in ihren Einzelheiten nach wie vor ein bedeutendes Forschungsgebiet.


    4.) Für uns ist es selbstverständlich, dass es sich bei wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem politischen Diskurs um zwei unterschiedliche Bereiche handelt. Ebenso selbstverständlich entwickelt ein Sozialwissenschaftler jedoch eine Meinung zu "gesellschaftlichen Konsequenzen" der eigenen Forschung und muss sie äußern dürfen. Unser Eintreten für eine flexiblere Gestaltung des Steuersystems (nicht etwa für eine ersatzlose Aufhebung des Ehegattensplittings) ist zudem nicht lediglich eine "haltlose Privatmeinung", sondern eine verbreitete, an den veränderten Erwerbs- und Lebensverhältnissen großer Teile der Bevölkerung orientierte Position in der politischen Debatte. Sie wird durch unsere Befunde in der Tat gestützt.



    Dr. Andreas Klärner, Dr. Holger von der Lippe

  • Das ist so nicht ganz korrekt

    03.05.2011, Gilbert Brands, Krummhörn
    Ein Quantenteilchen kann zwar Überlagerungen mehrerer Zustände speichern, wird aber bei einer Messung einen der Zustände mit einer gegebenen Wahrscheinlichkeit abliefern. Erst durch wiederholte Durchführung des Experiments offenbart sich die Überlagerung in der Statistik.

    Es ist auch nicht so, dass ein Quantencomputer für bestimmte Aufgaben schneller ist; er folgt lediglich einer anderen Komplexitätsordnung, was jedoch über den Gesamtzeitbedarf noch nichts aussagt.

    Quantencomputer sind damit theoretisch für einige Aufgaben komplexitätstheoretisch skalierbar, während der Zeitaufwand für klassische Computer bei zunehmender Aufgabengröße exponentiell steigt. Ob Quantencomputer aber nicht letztendlich an der Absolutzeit und der Skalierbarkeit der Registergröße - hier haben die klassischen keine Probleme - ebenfalls scheitern, ist noch lange nicht ausgemacht. Jedenfalls sieht es in Summe derzeit weniger gut aus, als in solchen Berichten wie oben immer Glauben gemacht werden soll. Aber irgendwie muss man ja an Forschungsgelder kommen.
  • Wahrnehmungen sind Hirnprozesse

    02.05.2011, Norbert Hinterberger, Hamburg
    Vorweg: Ich halte auch diesen Artikel (wie schon den von Tobias Schlicht) für einen gelungenen philosophischen Beitrag, weil auch Sabine A. Döring den Problemen in die relevanten einzelwissenschaftlichen Forschungen folgt – also keine Lehnstuhlphilosophie produziert. Das ist für meinen Geschmack eine Forderung, die man inzwischen wohl billigerweise an ernstzunehmende Philosophen und Philosophinnen stellen kann.

    Ich möchte hier ungeachtet dieser Wertschätzung allerdings eine alternative Argumentation präsentieren: eine reduktionistische Position (unter Nichtvernachlässigung emergentistischer Aspekte) zu den vorliegenden Problemen, die mir bisher zu wenig bis überhaupt nicht diskutiert scheint. Dazu gehört sehr prominent die These, dass es, was Erkenntnisversuche betrifft, nur einen graduellen Unterschied zwischen Denken und Fühlen gibt, keinen qualitativen, weil beides in einem Gehirn stattfindet, das diesen Unterschied in seinen kalkulativen Funktionen nicht kennt. Denken ist so gesehen klareres Fühlen bzw. Fühlen ist unklareres Denken. Es ist in dieser Sichtweise deshalb auch prinzipiell egal, ob wir durchgehend von Fühlen oder durchgehend von Denken reden wollen. Beides sind nur Formen der Konstruktionsversuche ein und derselben Kalkulation, die wir Wahrnehmung nennen (ob nun intro- oder extrospektiv). Daraus folgt trivial, dass es kein Denken ohne Fühlen und kein Fühlen ohne Denken gibt. Das sieht die Autorin anders. Sie glaubt an Wechselwirkungen zwischen Emotionen und Gedanken. Man kann das als Sprechweise natürlich beibehalten, weil der Identismus recht sperrige Ausdrucksweisen liefern müsste (etwa: der Hirnprozess H1 hat gerade den Hirnprozess H2 auf die Weise W3 beeinflusst und das ist äquivalent mit dem Gedanken G4 … oder dergl.).

    Auf diskreter Ebene sollte man sich allerdings klarmachen, dass es Wechselwirkungen nur zwischen verschiedenen Hirnteilen bzw. -prozessen gibt. Es handelt sich dabei immer um Kalkulationen: Mehrheits- und Stärkegewichtungen neuronalen Feuerns, welches wir dann auf widerstreitende Meinungen ein und derselben Person abbilden abzubilden hätten. Bildhaft denke ich an eine Skala von sehr primitiven bzw. elementaren Kalkulationen, die wir gewöhnlich Emotionen nennen (Hunger, Durst etc.), die sozusagen hochführt über einen Bereich, den wir gewöhnlich Denken nennen bis es am anderen Ende wieder zu dem führt, was wir diesmal allerdings als hochwertige bzw. komplexe Emotionen bezeichnen würden. Man weiß von vielen Wissenschaftlern, dass ihnen das letzte Glied in einer Theoriebildung etwa im Schlaf geliefert wurde …, also aus einer arg gefühlvollen Welt – das Wachbewusstsein hatte sich da offenbar zu sehr verkrampft. Wenn wir akzeptieren, dass es kein Gefühl ohne ratiomorphe Struktur gibt, sollte uns das nicht mehr so sehr überraschen. Aus dieser Charakterisierung folgt, dass es gleichgültig ist, ob wir Hirntätigkeiten durchgehend als Fühlen oder durchgehend als Denken bezeichnen. Diskret geht es offenbar nur um Intensitäten von Wechselwirkungen bestimmter Hirnprozesse.

    Döring kennt „ein ganzes Spektrum emotionaler Einflussnahme auf unsere Vernunfturteile und Handlungen. Interessant wird es dann, wenn eine Emotion uns dazu bewegt, ein Werturteil zu fällen, das wir anderenfalls nicht gefällt hätten, oder eine Handlung auszuführen, die unserem überlegten Vernunfturteil widerspricht.“ (S. 67)

    Eine neutralere Beschreibung, die keinen Unterschied zwischen Denken und Fühlen macht, könnte lauten: In unseren Engrammen oder in neu hereinkommender kultureller Information können wir Korrekturverwertbarkeit an älteren Urteilen entdecken. Das kann sich subjektiv sicherlich sehr gefühlvoll bemerkbar machen, aber ohne eine entsprechende Wertreputation des jeweiligen Gefühls würden wir unser altes Urteil nicht ändern. Diese Emotion muss also mit einem sensibleren Werturteil identisch sein. Wir würden ein altes Vernunfturteil nicht ändern, wenn es sich bei der Emotion nicht um ein Werturteil handelte, das auch unsere Vernunft mehr überzeugt als unser älteres Werturteil. Denn unsere Vernunft muss in diesem Fall ja damit befasst sein, die Integrität unseres Wertesystems zu erhalten. Ein sensibleres Werturteil gegenüber einem unsensibleren ist dann so ein Vernunftgrund. Döring hat diese Problematik an ‚Huck Finn’ exemplifiziert. Der Unterschied zu meiner Argumentation ist nicht unerheblich.

    Wahrnehmungen sind Hirnprozesse – auch wenn das manchmal in Vergessenheit gerät, weil man bei dem Begriff ‚Wahrnehmung’ wohl häufig rein intuitiv erst einmal an die Sinne bzw. an Sinnesreize denkt. Aber Wahrnehmungen sind mehr oder weniger bewusste Interpretationen von Sinnesreizen, denn hier wird ja tatsächlich etwas für ‚wahr’ genommen bzw. gehalten. Es handelt sich also um Erkenntnisversuche (anthropomorph sind es dann eben Urteile oder Vorstellungen).

    Döring schreibt über die Position, die auch sie vertritt, sie betone „die Analogie zwischen Emotionen und Wahrnehmungen – oder setzt sie sogar gleich.“ (S. 66) Das ist natürlich einigermaßen disjunktiv formuliert. Ich weiß überdies nicht, ob sie mir in meine Definition von ‚Wahrnehmung’ folgen mag. Täte sie es, und setzte sie Emotionen und Wahrnehmungen tatsächlich gleich, könnte sie Antonio Damasios Identismus von Körperprozessen und Emotionen eigentlich gar nicht mehr vermeiden. Man kann vielleicht schon an dieser Stelle festhalten, dass rein geisteswissenschaftlich inspirierte Begriffsstapel (Gefühl, Emotion, Feeling) terminologisch überflüssig werden, weil sie funktionell allesamt hirnorganisch vorhanden sind. Deshalb stellen wir uns einfach alle mal vor, wir müssten plausibel zum Identismus argumentieren. Döring hat den Begriff Gefühl dichotomisiert in Emotion und Feeling. Das sollten wir dann nur noch als materielle Wechselwirkungsphänomene in unseren Gehirnen/Körpern betrachten. Wir sagen dann auch konsequent: wir SIND unsere Gehirne/Körper – nicht, dass wir welche ‚haben’ … Emotionen haben wir – nun, als brandneue Identisten - schon als hirnorganisch bzw. körper-intrinsisch anerkannt. Bleibt also das ‚Feeling’ als typischer Vertreter der subjektiven Erfahrung. Ich finde, das betrachten wir jetzt, wo wir schon dabei sind, ebenfalls nur noch als die Art, wie wir unsere Hirnprozesse plus Körperprozesse ‚wahr’-nehmen. Ob wir das als Bewusstsein bezeichnen wollen, ist hier nicht weiter interessant, denn auch das Bewusstsein (auch in seiner introspektiven Variante übrigens) ist nur ein Erkenntnisversuch unter anderen.

    Aus der Physik ist uns bekannt, dass nur Gleiches mit Gleichem wechselwirken kann. Die Physiker meinen damit, dass Materie nur auf Materie wirken kann – insbesondere nicht auf ‚Substanzen’ die noch nirgends gefunden wurden, also etwa ‚nichtmaterieller Geist’ oder dergl. Umgekehrt gilt das natürlich genauso. Wir müssen uns daran gewöhnen, dass alle Wechselwirkungen in unserem Universum und damit auch in uns materieller Art sind. Wem der Begriff der Materie auch noch zu idealistisch oder schlicht nicht diskret genug erscheint, der kann hier von Energie-Masse-Wechselwirkungen sprechen. Die Diskretion dieser Sprechweise wird von E=mc2 prominent garantiert – egal, ob man nun eher Strings oder die Teilchen des Standardmodells als Ansprechpartner bevorzugt.

    Aber machen wir weiter mit der Biologie: Wir betrachten jetzt einfach mal Gedanken, Urteile, Vorstellungen, Emotionen und Feelings als informational äquivalent und als unsere Art bzw. unseren Subjektivismus, bestimmte Wechselwirkungen in unserem Gehirn/Körper wahrzunehmen. Dann können nämlich allesamt als bloß unterschiedliche Grade von Wahrnehmung betrachtet werden, jedenfalls nicht als Entitäten, die eine andere Qualität hätten als jede beliebige unbewusste Wechselwirkung in unseren Gehirnen/Körpern. Der einzige Unterschied ist, dass die oben genannten mit mehr oder eben weniger Bewusstsein verknüpft sein müssen. Für dieses Bewusstsein benötigen wir aber ebenfalls keine Extra-Entitäten – wir können es diskret, also ohne redundante geisteswissenschaftliche Begrifflichkeiten, als stärkeres neuronales Feuern (als es etwa bei unbewussten Wechselwirkungen auftritt) und im Zusammenhang komplexerer neuronaler Vernetzung betrachten. Wenn wir Gedanken und Urteile auf ihren deduktiven Kalkulationscharakter reduzieren, können wir überdies auch andere höhere Tiere mitnehmen. Wenn wir auch noch Vorstellungen, Emotionen und Feelings auf ihre deduktive Kalkulationssystematik reduzieren, können wir ALLE Lebewesen mitnehmen, bis hinunter zum Einzeller. Sie alle können sich in der Umwelt orientieren. Orientierungsfähigkeit impliziert aber wenigstens irgendeine (rudimentäre) Form von Erkennungs- bzw. Erkenntnisfähigkeit. Wer nicht recht weiß, wo er diese Kalkulationssystematik (in Form eines gewissermaßen in der ganzen Zelle verteilten Erkennungs-‚Apparates’) in Einzellern verorten soll, kann in der molekularen Zellbiologie die Erfahrung machen, dass die DNA von ihrer zelleigenen Enzymatik (die außerdem über Rezeptoren mit der Umwelt wechselwirkt) etwa so kalkulativ gesteuert wird wie ein Rechner/Roboter von seiner Software, nur wesentlich plastischer, denn ein Einzeller muss nicht auf die jeweils neusten Chips von IBM warten. Er gestaltet seine ‚Chips’ über enzymatisch rezeptorielle Umweltwechselwirkung und über das enzymatische ‚An- und Abschalten’ bestimmter Gene (Polymerasen, also die ‚Leser’ der Gene, sind ebenfalls Enzyme). Die Mutationen sind natürlich zufällig, aber das Bedienen oder Unterdrücken bestimmter Gen-Befehle wird enzymatisch über die vorliegenden Informationen (Moleküle) in den Zellmembran-Rezeptoren oder im eigenen Plasma gesteuert.

    Nachdem wir diesen reduktionistischen Weg gegangen sind, nehmen wir uns noch kurz den emergentistischen Weg in der anderen Richtung vor. Wenn wir beim Aufsteigen von den Elementarteilchen, Atomen, Molekülen und schließlich den biologischen Zellen zu immer komplexeren biologischen Systemen gelangen, also zu immer stärkeren ‚Summenüberhängen’ der entsprechenden Emergenzen, können wir sehen, dass es sich hier um einen reinen Funktionszuwachs handelt, denn die Anzahl der Teilchen bzw. ihre Energieerhaltung bleibt ja immer die gleiche. Und nur dieser Funktionszuwachs ist gemeint, wenn man im Zusammenhang der Emergenzen davon spricht, das ‚das Ganze mehr sei als die Summe seiner Teile.’ In Bezug auf die Teilchen oder die Energien ist dieser Satz natürlich falsch. Er wird erst wahr, wenn wir den Zuwachs an Funktionen bzw. den Zuwachs der Eigenschaften des Systems als Ganzes ansprechen. In einer Autowerkstatt findet man alle Autoteile einzeln. Aber wir wissen, dass die erst in der geeigneten Form zusammengesetzt fahren können. Wir sehen also, die Emergenzen eines Systems hängen von seiner (immer in der einen oder anderen Form fließenden) Kombinatorik ab. Jetzt sehen wir auch, dass die emergente Beschreibung nicht im ‚Widerspruch’ zur reduktionistischen steht, sondern durch ihre Komplementarität die nötige Klarheit in den Energie- und in unserem Fall in den biologischen Wechselwirkungs-Reduktionismus bringt.

    Zu meinem biologischen Lieblingsthema, den deduktivistisch strukturierten Kalkulationen schon der Einzeller in ihrer (selbstverständlich unbewussten) Umweltorientierung, bin ich nur so kurz hinabgestiegen, wie wir es für diese Diskussion benötigen – im Hinblick auf die evolutionär relevanten Aspekte bei der Entwicklung von biologischen Erkenntnisapparaten. Wir sollten uns klarmachen, das Neuronen sich, bis auf ihre neuronalen Zutaten, nicht von andern Zellen unterscheiden, auch nicht sonderlich von Einzellern. Bleiben wir mal bei den Eukaryonten. Es gibt sie als Einzeller mit membranisiertem Zellkern. Unsere Gehirnzellen und unsere Körperzellen sind aber ebenfalls Eukaryonten. Es scheint also eine direkte Evolution vom ‚Einzeller zu Einstein’ (Popper) zu geben, in der nichts weggeworfen wird, was gut funktioniert. Wir sollten also vielleicht ein bisschen vorsichtiger damit sein, immer wieder völlige Neuheiten bzw. Andersartigkeiten in Entitäten zu sehen, die eigentlich nur immer wieder neu kombiniert werden. Wir können diesen Gedanken vielleicht ganz gut auf unser Gehirn und unsere Art mit ihm die Welt und damit auch uns wahrzunehmen abbilden. Scheint es nicht vernünftiger, unsere Gedanken, Urteile, Emotionen etc. als permanent fließend veränderte Kombinatorik unserer Gehirn-Körper-Wechselwirkungen zu verstehen? Wir sparen uns damit unnötige und wohl auch irreführende Dualistik oder gar Trialistik in der gesamten Erkenntnisproblematik.

    Ich hoffe hier gezeigt zu haben, dass man in den vorliegenden Problemzusammenhängen wesentlich reduktionistischer werden kann, ohne emergente Funktionsstufen des Gehirns zu vernachlässigen. Emergentistische und reduktionistische Beschreibungen werden immer noch gern gegeneinander ausgespielt – ohne tragende Argumente dazu. Versteht man, dass sie komplementär formuliert werden müssen, um in einer eindeutigen Erklärung aufgehen zu können, kommt man einem nichtnaiven Identismus schon wesentlich näher.


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