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Tagebuch: Hyperbolisches Häkeln oder der schrägste aller Titel

Gehäkelte hyperbolische Flächen
Es ist mir ein besonderes Vergnügen zu vermelden, dass ich mit meiner Begeisterung für Daina Taimina und die von ihr gehäkelten hyperbolischen Flächen nicht allein bin. Ihr Buch Crocheting Adventures with Hyperbolic Planes, das als Quelle für die Mathematischen Unterhaltungen in der Spektrum-Februarausgabe dieses Jahres diente, ist mit dem "Diagram Prize" ausgezeichnet worden.

Häkelvergnügen der besonderen Art | Daina Taiminas Buch "Crocheting Adventures with Hyperbolic Planes", erschienen bei A K Peters
Ich wusste bis vorgestern auch nicht, was das für ein Preis ist. Aber die Wikipedia und die Informationen des Preisauslobers Bookseller.com halfen meinem Unwissen auf. Der "Preis für den schrägsten Buchtitel des Jahres" ("Prize for Oddest Title of the Year") wurde erstmals im Rahmen eines Unterhaltungsprogramms auf der Frankfurter Buchmesse 1978 verliehen. Danach bestimmte eine Jury aus Angehörigen der britischen Zeitschrift "The Bookseller" jedes Jahr aufs neue den Gewinner; seit 2000 stellt sie eine engere Wahl ins Internet und lässt das Publikum abstimmen.

Was verstehen die Macher einer britischen Buchhändlerzeitschrift unter einem "odd title"? Jedenfalls nicht einen Titel, der in der Absicht gewählt wurde, komisch oder skurril zu sein. Vielmehr ist zu vermuten, dass die Auszeichnung den Autor und den Verlag regelmäßig aus heiterem Himmel trifft. Da finden die Preisrichter nicht nur den Titel, sondern auch das Thema komisch, das der Autor bitterernst gemeint hat.

So erklärt sich die Verleihung von 2005 an "People Who Don't Know They're Dead: How They Attach Themselves to Unsuspecting Bystanders and What to Do About It". Wer fürchtet, sein Geist oder der eines ihm nahestehenden Menschen könne von einem Untoten in Besitz genommen werden, dem ist sicher nicht zum Lachen zumute. Auch die Autoren der Ratgeberbücher zur Brustvergrößerung durch positives Denken ("Natural bust enlargement with total mind power: How to use the other 90% of your mind to increase the size of your breasts", 1985), zu Sicherheitsvorkehrungen bei lesbischen Sadomaso-Praktiken ("Lesbian Sadomasochism Safety Manual", 1990) und zum umweltgerechten Scheißen im Walde ("How to Shit in the Woods: An Environmentally Sound Approach to a Lost Art", 1989) wollten sicher nicht in erster Linie das Schmnunzeln ihrer Leser erregen.

Nackte Mäuse sind ein sehr wissenschaftliches Thema, sogar Gegenstand internationaler Kongresse. Ein Schelm oder eher ein pubertierender Knabe, wer sich etwas anderes dabei denkt und den Titel des zugehörigen Kongressberichts unübertrefflich komisch findet ("Proceedings of the Second International Workshop on Nude Mice", 1978). Nur wer mit dem üblichen Viagra-Spam überschwemmt wird, kann den Preis von 2000 für "High Performance Stiffened Structures" nachvollziehen und "American Bottom Archaeology" (1993) als "amerikanische Arschäologie" verstehen. Aber was bitte ist komisch an der Geschichte der Marmelade (1984) oder des Betons (1994)?

Und, um zum Thema zurückzukehren: Was verschafft "Crotcheting Adventures with Hyperbolic Planes" die Ehre? Diese "total bescheuerte" Kombination aus "der typisch weiblichen, zarten und kuscheligen Welt des Häkelns einerseits und der faszinierenden, aber unglaublich unkuscheligen Welt der hyperbolischen Geometrie und der negativen Krümmung andererseits" sei einfach atemberaubend, sagt der für den Preis zuständige Philip Stone von "The Booksellers" in der Pressemitteilung.

Das ist schon recht. Wenn Wissenschaft Aufmerksamkeit gewinnt, weil ihre Begleitumstände komisch sind, dann ist das gut für die Wissenschaft. Der Verlag A K Peters meldet, dass durch die Preisverleihung an die "Crotcheting Adventures" die Verkaufszahlen dramatisch in die Höhe gegangen sind.

Das ist eine gute Nachricht. Leute, kauft "Spektrum"! An komischen Geschichten zur Wissenschaft (und den zugehörigen komischen Titeln) wollen wir es nicht fehlen lassen. Freuen Sie sich auf die Maiausgabe mit der "Invasion der Drohnen", nicht besonders komischen, aber immerhin "kosmischen Kohlekugeln" und einem unerwartet appetitlosen Gulliver ("Zu Gast bei Liliputanern").

Übrigens: Dass der hyperbolische Raum unkuschelig sei, ist natürlich totaler Blödsinn. Wenn ich da an meine Abenteuer mit "Alice im hyperbolischen Wunderland" (Spektrum der Wissenschaft 10/1990, S. 12) denke …

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