Direkt zum Inhalt

Tagebuch: Magische Neutrinos aus dem All

Sein Name ist Masahiro Teshima. Der 51-jährige Japaner ist Sprecher der Magic-Kollaboration, die auf der Kanareninsel La Palma im April neben Magic I das zweite Teleskop eingeweiht hat, um damit höchstenergetische Gammastrahlen kosmischer Quellen einzufangen. Kürzlich besuchte Teshima Heidelberg, um im Physikalischen Kolloquium Universität über die astronomischen Ziele der beiden Magic-Spiegel zu berichten.

Masahiro Teshima | Der 51-jährige Japaner ist Sprecher der MAGIC-Kollaboration und forscht am Münchner Max-Planck-Institut für Physik.
Der Hörsaal ist rappelvoll, als Masahiro Teshima vom Max-Planck-Institut für Physik über Gammastrahlen spricht: Astronomie zieht eben immer. Auch in Spektrum der Wissenschaft befassen wir uns damit regelmäßig, sodass Sie in der jetzt erschienenen Juli-Ausgabe wieder eine große Geschichte über Gammastrahlen und Hochenergie­astronomie finden.

Neben Magic sind es vor allem die vier Hess-Teleskope in Namibia, die sich diesem exotischen Phänomen widmen. Daneben arbeiten Gamma-Teleskope in Australien ("Cangaroo"), Arizona ("Veritas") sowie im Weltall ("Fermi Gamma-ray Space Telescope", seit einem Jahr im Erdumlauf).

Bei den Prozessen, die Gammastrahlen mit Energie von Tera-Elektronenvolt (TeV) ausstoßen, tanzt im All tatsächlich der Bär. Die Astrophysiker haben denn auch oft so ihre Plage, nach vernünftigen Modellen für die Herkunft und Quelle zu basteln.

Kosmischer Leuchtturm | Entlang der magnetischen Feldlinien (blau) des Pulsars bewegen sich Wolken geladener Teilchen. Dabei verwandeln sie das Objekt in einen kosmischen Leuchtturm, der in regelmäßigen Abständen Gammablitze (violett) in Richtung Erde schickt.
Die Liste der Energiespeier ist beträchtlich: Überreste von Supernovas, Pulsare, so genannte Mikroquasare, Röntgenstrahlen aussenden Doppelsterne, Aktive Galaktische Kerne (AGNs) sowie die ominösen Gamma Ray Bursts (GBRs). Gerade letztere bereiten den Forschern Kopfzerbrechen: Etwa einmal täglich blitzt es am Himmel irgendwo auf – aus unvorhersagbarer Richtung. Die Magic-Teleskope können fast blitzschnell, also in rund 40 Sekunden (künftig sogar in nur 20 Sekunden) in eine gewünschte Himmelsrichtung gedreht werden. Aber die GBR sind dann, wenn Magic in die Richtung blickt, meistens schon verglüht.

Im Fokus | Auch Pressevertretern war der Aufstieg auf die zehn Meter hohe Plattform vor der MAGIC-Kamera erlaubt.
Anders bei Dauerquellen, wie dem Pulsar im Krebsnebel. Dort, wo im Jahre 1054 ein Stern explodierte, dreht sich seitdem ein zehn Kilometer großer Neutronenstern 33 mal pro Sekunde um die eigene Achse. Wie bei einem Leuchtturm wird die Erde dann mit dieser Frequenz von einem Radioblitz getroffen. Die Magic-Zwillinge empfangen Gammastrahlen von dem Objekt, dessen Richtung sie mit einer Winkelauflösung von einer Bogensekunden präzise zuordnen können.

"Brüder" auf dem Roque de los Muchachos | Auf dem Observatoriumsgelände ist links Magic I und rechts das jetzt eingeweihte Zwillingsinstrument MAGIC II zu sehen. Die Ausleseelektronik befindet sich in dem Gebäude mit dem roten Dach. (Das weiße Gebäude gehört nicht zum MAGIC-Projekt). Im Wesentlichen sind MAGIC I und II baugleich, etwa hinsichtlich Größe, Fläche und Geschwindigkeit. Die digitale Kamera von MAGIC II verfügt aber über fast doppelt so viele Pixel; außerdem besteht das neue Teleskop aus weniger, dafür größeren Einzelspiegeln.
Während die Radiowellen offenbar nahe an den rotierenden Magnetpolen (bei Magnetfeldstärken von tausend Milliarden Gauß) entstehen und gebündelt werden, konnten die Astronomen zeigen, dass sich die Gammastrahlen erst weiter draußen bilden: nämlich dort, wo das rotierende Magnetfeld wie eine Doppelblase um den Kompaktstern liegt und den Wind von der Pulsaroberfläche umlenkt.

Auch über einen Entfernungsrekord, der 2007 mit Magic-Spiegeln erzielt wurde, berichtete Teshima: die am weitesten entfernte Gammaquelle. 3C279 heißt das Objekt und ist von der Erde fünf Milliarden Lichtjahre entfernt. Es ist Kern des Quasars 3C279 und wird von Fachleuten auch als Gamma-Blazar bezeichnet. Die Quelle 3C279 war schon früher durch bizarres Verhalten aufgefallen: scheinbar überlichtschnelle Bewegungen – offenbar ein Projektionseffekt, bei dem ein Jetstrahl unter kleinem Winkel gegen eine Gaswand stößt.

Das Tscherenkow-Teleskop MAGIC 2 | MAGIC ist Wind und Wetter ausgesetzt – eine Kuppel wäre zu teuer gewesen.
Die große Entfernung zu 3C279 verblüffte die Forscher, denn aus solchen Raumtiefen sollten die Gammastrahlen eigentlich längst vom intergalaktischen Medium verschluckt sein. Offenbar, sagte Masahiro Teshima, "ist das Universum durchsichtiger als erwartet." Zumindest für Gammastrahlen.

Reinhard Breuer

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.