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Tagebuch: Schwerelos forschen auf der himmlischen Achterbahn

Logo der 12. Parabelflugkampagne des DLR
In den Hallen der Firma Novespace am Flughafen Bordeaux herrschte während der letzten Tage große Betriebsamkeit. Seit an Seit arbeiteten hier etwa 150 Wissenschaftler aus 16 Nationen an Experimenten unterschiedlichster wissenschaftlicher Disziplinen. Ihr eigentliches Labor stand jedoch draußen vor der Tür: Ein zum Parabelflieger umgebauter Airbus A300 Zero-G, der die Forscher von der allgegenwärtigen Schwerkraft befreien sollte – zumindest für 22 Sekunden pro durchflogene Parabel.

Ansicht des Parabelfliegers | Der Airbus A300 Zero-G hat seinen Heimatflughafen in Bordeaux.
„Die Schwerelosigkeit ist für unser Experiment unverzichtbar“, sagt Daniel Heißelmann von der TU Braunschweig. Gemeinsam mit einer Arbeitsgruppe um Helen Fraser von der University of Strathclyde in Glasgow untersuchen die Forscher eigentlich die Zusammenstöße winziger Eispartikel in den Ringen des Saturns. Die Größe dieser Körper variiert: Einige verfügen nur über einen wenige Zentimeter großen Durchmesser, andere sind dagegen bis zu mehrere Meter groß.

Über den aufrechten Gang zum Parabelflug
Die Eispartikel um Saturn sind unterschiedlich schnell und prallen deshalb oft gegeneinander. Was bei den Zusammenstößen genau passiert, wollen die Wissenschaftler nun in einem Experiment hoch über den Erdboden erforschen. In einer Vakuumkammer an Bord des Airbus lassen sie deshalb winzige Eiskügelchen aufeinander los. Dabei gilt: Je langsamer die Klümpchen, desto besser bildet der Versuch die realen Verhältnisse um den Saturn ab. „Unter Erdbedingungen können wir die Geschwindigkeit nur auf etwa einen Meter pro Sekunde herunterschrauben“, erklärt Heißelmann. „Bei Mikrogravitation sind dagegen zwei bis vier Zentimeter möglich.“

Die Entdeckung der Langsamkeit

Mittels einer Hochgeschwindigkeitskamera werden die Kollisionen festgehalten; die Aufnahmen werden später im heimischen Labor genauer analysiert.

Herr der Ringe | Daniel Heißelmann von der TU Braunschweig untersucht die Eispartikel im Ringsystem des Saturn. In einer Vakuumkammer lässt er deshalb winzige Eiskügelchen (in der Mitte zu erkennen) miteinander kollidieren.
Die Braunschweiger Arbeitsgruppe ist bereits seit Ende der 1990er Jahre bei den Parabelflugkampagnen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) vertreten; Heißelmann selbst dürfte mit nunmehr über zehn Flügen bereits zu den Stammgästen zählen. „Im Vergleich zu anderen Möglichkeiten, in der Schwerelosigkeit zu forschen, liegt der Vorteil der Parabelflüge darin, dass sich die Experimente direkt bedienen lassen“, sagt Heißelmann. „Außerdem können wir – anders als etwa beim Fallturm in Bremen – während eines Flugtags etliche Proben aufeinander schießen und erhalten somit eine größere statistische Basis.“

Ein gewagtes Manöver | Wenn der Pilot den Parabelflieger steil nach oben zieht, gerät die Welt aus den Fugen...
Bei den drei- bis vierstündigen Flügen fliegt der Airbus A300 Zero-G – wie auf einer Achterbahnfahrt über den Wolken – jeweils 31 Parabeln. Dabei steigt das Flugzeug in 6000 Meter Höhe aus dem horizontalen Flug in einem Winkel von 47° steil aufwärts, bis der Pilot die Triebwerke abrupt drosselt. Wegen des zuvor geholten Schwungs gewinnt der Airbus jedoch weiter an Höhe, den Scheitelpunkt erreicht er erst bei etwa 8500 Metern – dann stürzt das Flugzeug wieder der Erde entgegen. Bis der Kapitän die Maschine wieder abfängt, befindet sich der Parabelflieger im freien Fall: Es herrscht Schwerelosigkeit. An vier Flugtagen stehen den Forschern insgesamt mehr als 40 Minuten Mikrogravitation zur Verfügung – genug Zeit für ihre Experimente.

Experimentierhalle der Firma Novespace | In dieser Halle arbeiten die Forscher an ihren Experimenten.
Aber auch für den Gedankenaustausch unter Forschern: „Hier herrscht eine wunderbare Arbeitsatmosphäre“, sagt Alexander Dovzhenko von der Universität Freiburg. „Daheim sind wir sehr auf unsere eigene Arbeit beschränkt, während hier alle eng miteinander zusammenarbeiten und einander gegenseitig unterstützen.“

Christoph Marty

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