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Tagebuch: Wissenschaftsservice für Kindergärten

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Eine Wissenschaftsinitiative besonderer Art hat das Probierstadium hinter sich gelassen und geht in den Produktionsbetrieb über. Es geht darum, den wissenschaftlichen Nachwuchs schon zu motivieren, wenn von richtiger Wissenschaft noch gar nicht die Rede sein kann – im Kindergartenalter.

Manuela Welzel-Breuer, Professorin für Physik und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, hat ihr Konzept bereits vor knapp drei Jahren in dieser Zeitschrift vorgestellt (Spektrum der Wissenschaft 9/2006, S. 76).

Schallfortpflanzung | Da staunt auch der Vater: Die eigenen Finger, in die Ohren gesteckt, und ein um die Finger gewickelter Bindfaden bilden einen überraschend wenig gedämpften Schallleiter. Da macht der Löffel gegen die Tischkante ordentlich Lärm.
Wissenschaftliche Begriffsbildung, Theorien, systematisches Experimentieren – vergesst dieses Zeug aus der Erwachsenenwelt. Die lieben Kleinen sollen mit Allerweltsmaterialien elementare Erfahrungen machen; ein Magnet als entscheidendes Bauteil einer Angel für büroklammerhaltige Papierfische oder eine lichtbrechende Kunststofffolie, durch die eine Kerzenflamme vielfach und in die Spektralfarben aufgelöst erscheint, sind da schon das obere Ende von HighTech. "Aber erzählen Sie den Kindern bloß nichts von optischen Gittern!"

Da können die Kinder Nägel in eine Styroporkugel stechen, bis sie eine super Punkfrisur hat, und ihr vor allem ein entsprechend buntes Gesicht malen. Dass das Ding bei ausreichend Nägeln im Kopf im Wasser versinkt – das nehmen sie dann als nette Nebensache mit. Ein gewöhnlicher Toaster macht genug heiße Luft für einen Ballon, der im Wesentlichen aus einer Mülltüte besteht. Ein echter Luftballon, mittels angeklebter Hülse an eine gespannte Schnur gefesselt, rast die Schnur raketenartig entlang, indem er die eingeblasene Luft unter großem Getöse wieder von sich gibt.

Geräuschgeschichten | Allerweltsgegenstände klingen völlig anders, wenn der Schall über eine gewöhnliche Tischplatte (Pressspan, kunststoffbeschichtet) ans Ohr dringt. Die stellvertretenden Kinder (hinten im Bild) lauschen gebannt der Geschichte, welche die Erzählerin (vorn) mit allerlei Geräuschen aus Aufzieheisenbahn, Quietschetier, fallendem Reis (für Regen) und anderen Gegenständen untermalt.
Das funktioniert nicht alles auf Anhieb, die Materialien sind zwar billig, aber im Kindergarten nicht ohne weiteres greifbar, und vor allem ist bei den Erzieherinnen eine ganze Menge Ekel vor der Naturwissenschaft aus der eigenen Schulzeit abzubauen. Primäre Ansprechpartner für die Bemühungen der Leute aus der PH sind deshalb nicht in erster Linie die Kinder, sondern die Erzieherinnen.

Was vor drei Jahren begann, ist mittlerweile um viele Erfahrungen mit zugehörigen Doktorarbeiten reicher. Inzwischen hat sich die Klaus-Tschira-Stiftung der Sache angenommen und spendiert Räumlichkeiten für eine ganze "Forscherstation" mit Schulungs- und Experimentierräumen sowie einem Materialverleih. Jeder Kindergarten kann sich für eine Woche kostenlos eine von 30 verschiedenen Experimentierkisten ausleihen. Nach Gebrauch wird die Kiste von der Forscherstation wieder mit frischem Material befüllt. Zur Zeit sind pro Monat durchschnittlich 30 Kisten im Umlauf.

Schwimmigel mit viel Farbe | Styroporkugeln, Knete, Streichhölzer, Nägel und viel Farbe ergeben die fantastischsten Schwimmkörper.
Zur feierlichen Eröffnung der Forscherstation am 16. Mai ließ sich auch der Stifter Klaus Tschira persönlich allerlei kindgerechte Wissenschaft präsentieren. Ihn haben nämlich ebenfalls frühkindliche Erfahrungen zum Physikstudium motiviert.

In ein paar Tagen, vom 14. bis 17. Juni, ist die Forscherstation übrigens rund um die Seebühne im Luisenpark Mannheim zu Gast.

Christoph Pöppe

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