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Unterwegs: Brasilien: Fledermäuse im Zelt (II)

© Elisabeth Kalko, Universität Ulm
Katrin Petschl sind im Regenwald Brasiliens ihre ersten Fledermäuse ins Netz gegangen, darunter auch Arten, die in selbstgebauten "Zelten" den Tag verbringen. Doch nicht nur die kleinen Säugetiere, auch blaue Riesenregenwürmer entdeckte die Ulmer Tropenökologin. Für "Spektrum" berichtet sie online.

Zelten unter dem Palmblatt | Zwei Fledermäuse der Art Artibeus cinereus in ihrem selbstgemachten Zelt. Hier ruhen sie tagsüber.
In der letzten Woche fingen wir endlich die ersten Fledermäuse! Meine Betreuerin Elisabeth Kalko, Professorin an der Universität Ulm, und mein brasilianischer Co-Betreuer Marco Mello von der brasilianischen Universidade Federal de Sao Carlos halfen mir im Michelin Ecological Reserve bei den Fangaktionen. Ziel war es, einen ersten Eindruck von der dortigen Diversität der Fledermausarten zu bekommen.

In einem Gebiet des Reservats hatten wir bei unserer Gebietsbegehung so genannte Fledermauszelte entdeckt. Von vielen fruchtfressenden Arten ist bekannt, dass sie große Blätter von Palmen so anknabbern, dass eine Art Zelt entsteht. Diese werden dann tagsüber als Hangplätze genutzt.
Knabbern für die Unterkunft | Fledermäuse der Art Artibeus cinereus knabbern große Palmblätter so an, dass ein einfaches Zelt entsteht, in dem sie sich tagsüber ruhen.
Und tatsächlich fingen wir einige Individuen von Artibeus cinereus, einer kleinen fruchtfressenden Art, deren Exemplare gerade einmal 12 Gramm auf die Waage bringen. Trotz ihrer geringen Größe sind sie in der Lage, auch recht große Samen auszubreiten, da sie die Früchte vor dem Verzehr zu ihren Hangplätzen transportieren.

Fledermäuse als positive Indikatoren

Fledermäuse werden mit Japannetzen gefangen, die entlang der Waldpfade und quer zu ihnen gespannt werden, da die Tiere gerne diese ansonsten barrierefreien Wege entlang fliegen. Nachdem wir ihre Art bestimmt hatten, ließen wir sie wieder frei. In den ersten beiden Nächten in diesem Gebiet fingen wir bereits Exemplare von 14 Fledermausarten, ein viel versprechender Beginn. Dies lässt hoffen, dass trotz der geringen Größe der Waldfragmente noch eine intakte Fledermausfauna vorhanden ist und damit auch die Ökosystemdienstleistungen wie Bestäubung und Samenausbreitung gewährleistet sind.
Tropenökologin Katrin Petschl


Unter den gefangenen Arten fanden sich auch zwei so genannte "Gleaner" – Mimon crenulatum und Lophostoma silvicola – die ihre Beute von der Vegetation aufsammeln und sehr sensitiv auf Habitatsstörungen reagieren. Daher können sie als positive Indikatoren für den Zustand des Waldes gewertet werden und als Hinweis darauf, dass auch in den immer häufiger vorkommenden kleinen und kleinsten Waldfragmenten noch eine hohe Diversität vorhanden ist. Auch der Schutz dieser kleinen Waldfragmente kann sich also positiv auf den Erhalt von Arten auswirken.

Regenwürmer – zwei Meter lang

Nicht nur in den Wäldern, auch in den Plantagen fingen wir zahlreiche Fledermäuse, trafen jedoch auf eine deutlich geringere Artendiversität. In der kommenden Woche werde ich nun Versuchsplots in intakten Waldgebieten sowie in Kautschukplantagen mit unterschiedlicher Unterwuchsstruktur auswählen. Im Sommer werde ich dann dort sowohl Fledermäuse fangen als auch Samenfallen postieren, um Rückschlüsse auf die Unterschiede in den Artenzusammensetzungen der Fledermäuse und deren Auswirkung auf die Samenausbreitung ziehen zu können.

Jungtier am Bauch | Eine Fledermaus der Art Artibeus cinereus in ihrem Zelt mit einem Jungtier am Bauch.
Neben den zahlreichen Fledermausarten bot uns der Wald aber noch viele weitere Überraschungen. Besonders beeindruckend waren die blauen Riesenregenwürmer, von denen wir in nur zwei Tagen drei Stück mitten auf den Wegen fanden. Der Durchmesser dieser Tiere liegt bei guten drei bis vier Zentimetern, solange sie zusammengezogen sind, und in entspanntem Zustand erreicht ihre Länge über zwei Meter. Im Vergleich zu den mir bekannten mittelamerikanischen Regenwäldern scheint hier vieles um mehrere Nummern größer zu sein. So entdeckten wir faustgroße Schneckenhäuser, Kolibris groß wie Schwalben und Bockkäfer von 20 Zentimeter Länge.

In unserer letzten Fangnacht wurden wir auch Zeugen der hohen Walddynamik. Auf der Fahrt nach Hause lag ein großer Baum mitten über dem Weg, die Krone ragte mehrere Meter über die Straße und es gab kein Durchkommen mehr. Zum Glück erreichten wir per Telefon die Administratorin des Gebiets. Zu unserer Rettung entsandte sie sogleich Wachpersonal, das nachts in den Plantagen patrouilliert. Mit Macheten gelang es ihnen, die bis zu 30 Zentimeter dicken Äste immerhin soweit abzuschlagen, dass unser Auto durchpasste.

Katrin Petschl

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