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Unterwegs: Brasilien: Zwischen Fledermäusen und Nasenbärbabys (I)

Katrin Petschl, Universität Ulm
Bald geht Tropenökologin Katrin Petschl mit dem Netz auf nächtliche Fledermausjagd – im Regenwald Brasiliens. Dabei geht es ihr um die Funktion der Tiere für die Regeneration geschädigter Wälder, wie sie für Spektrum online berichtet.

Eingehüllt in Morgennebel | Fern der Kautschukplantagen erstreckt sich der Placange-Wald über das Reservat.
Die "Mata Atlântica" an der Ostküste Brasiliens zählt zu den Biodiversitäts-Hotspots unserer Erde. Von der ursprünglichen Vegetation sind durch jahrzehntelange landwirtschaftliche Nutzung heute aber nur noch wenige Prozent erhalten, meist in kleinen, weit verstreuten Fragmenten. Südlich der drittgrößten Stadt Brasiliens, Salvador, liegen bei Ituberá ausgedehnte Kautschukplantagen des Reifenherstellers Michelin. Innerhalb dieser Plantagen wurden die noch erhaltenen Waldfragmente unter Schutz gestellt und 2005 die "Michelin Biological Reserve" gegründet. Hier sollen die verbliebene Biodiversität und die ökologischen Mechanismen bei der Wiederbewaldung aufgelassener Plantagen erforscht werden.

Fangen und mit Sendern bestücken

Ich bin Tropenökologin und arbeite am Institut für experimentelle Ökologie der Universität Ulm. Im Rahmen meiner Doktorarbeit werde ich hier in Ostbrasilien die Rolle fruchtfressender Fledermäuse untersuchen, die in tropischen Regenwäldern wichtige Samenausbreiter sind. Da sie nicht wie viele andere, größere Samenausbreiter bejagt werden und sich auch in stark fragmentierten Gebieten bewegen, könnten sie eine wichtige Rolle bei der Regeneration eines diversen Waldes spielen. Das Gebiet in den Plantagen von Michelin eignet sich durch seinen hohen Fragmentierungsgrad und die gute Zugänglichkeit der Waldgebiete bestens für eine solche Studie. Neben Primärwaldgebieten finden sich hier auch Sekundärwälder verschiedenen Alters und Plantagen mit unterschiedlich weit entwickeltem Zwischenwuchs.

Forschungsstation im Urwald | Die "Michelin Biological Reserve", in der die Station errichtet ist, besteht erst seit 2005.
Mein erster Aufenthalt soll dazu dienen, die geplanten Methoden an die Umstände anzupassen, die hier tatsächlich vorliegen. Die ersten Tage war ich in den Waldfragmenten und Plantagen unterwegs, um die geographischen Gegebenheiten ebenso wie die Verteilung der verschiedenen Habitattypen kennen zu lernen und dann die Orte zu bestimmen, an denen ich meine Daten aufnehmen werde. Während meiner weiteren Aufenthalte werde ich dann in Habitaten mit verschiedenen Störungsgraden Fledermäuse fangen, Tiere einer ausgewählten Fledermausart mit Sendern bestücken und über mehrere Nächte beobachten, sowie den "Samenregen" in diesen Gebieten quantifizieren.

Marder größer als Hauskatzen

In diesen Tagen muss ich mich erst wieder an das tropische Klima gewöhnen, daran, dass es jede Menge Insekten gibt, die es auf mein Blut abgesehen haben und auch daran, dass auf der Forschungsstation im Schutzgebiet – die auch von einer "externen" Wissenschaftlerin wie mir genutzt werden kann – außer mir nur noch der Leiter englisch spricht. Dr. Kevin Flesher ist ein US-amerikanischer Ökologe, der seit rund zehn Jahren den Artenreichtum in Brasilien erforscht. Er kennt jede Ecke des Gebietes und weiß bestens über das Alter und die Nutzungsgeschichte der Wälder Bescheid. Trotz starker Nutzung, so erklärte er mir, sind einige Gebiete mit altem Baumbestand erhalten geblieben, meist handelt es sich aber um noch relativ junge Sekundärwälder.
Pancada Grande-Wasserfall | Aus 61 Meter Höhe stürzt das Wasser hier herab – der Ort gilt als beliebtes Ausflugsziel im Reservat.
Der Wald scheint unbelebt in diesen ersten Tagen, bis auf Massen an Mosquitos. Umso größer die Freude, wenn man doch den Blick auf ein Säugetier erhascht. Auf dem Weg zu einem der abgelegenen Gebiete huscht vor unserem Auto ein Tayra (Eira barbara) über die Straße, eine Marderart, die größer ist als eine Hauskatze.

Nächtliche Fangaktionen

Jedes Rascheln im Wald lässt mich aufhorchen, da ich hoffe, weitere Tiere zu erspähen. Meist zwar vergebens, manchmal aber werde ich wenigstens mit dem Blick auf den Schwanz eines quiekenden, davon rennenden Nasenbärbabys belohnt. Weil der Wald und die Plantagen früher stark bejagt wurden und auch heute noch hin und wieder Jäger im Wald auftauchen, sind die Tiere auf der Hut vor Menschen.

In den nächsten Tagen werde ich noch den Rest der Waldgebiete erkunden und dann anfangen, Fledermäuse zu fangen und erste Daten über Arten und deren Vorkommen hier zu sammeln, da aus diesem Gebiet bisher noch keinerlei Informationen über die Fledermäuse vorliegen. Demnächst melde ich mich wieder an dieser Stelle: Erst einmal für drei Wochen bin ich nun hier, bevor ich später im Jahr gleich für mehrere Monate nach Brasilien zurückkehren werde.

Katrin Petschl

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