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Erdöl: Berg- oder Talfahrt?

Pessimisten meinen, dass die Erdölförderung ihren Zenit überschritten hätte und die Reserven nur noch wenige Jahrzehnte reichten. Doch immer bessere Prospektions- und Fördertechnologien geben Anlass zur Hoffnung, der Gipfel sei noch nicht erreicht.
Ölpumpe
Auf einem 36 Quadratkilometer großen Erdölfeld in Kaliforniens Central Valley heben und senken über 8000 Gestängetiefpumpen unablässig ihre Kolben, Pipelines durchkreuzen das Gelände am Kern River. Als diese Lagerstätte 1899 entdeckt wurde, prognostizierten Experten eine Ausbeute von lediglich zehn Prozent, denn das dort vorkommende Rohöl war sehr zähflüssig und mit den verfügbaren Techniken schwer zu fördern. 1942 summierte sich die gesamte Fördermenge auf immerhin 278 Millionen Barrel (ein Barrel - zu Deutsch Fass – entspricht 159 Litern), aber nur 54 Millionen Barrel seien noch zu gewinnen. Doch die pessimistischen Schätzungen erwiesen sich als falsch – der kalifornische Staat schätzt die verbliebenen Reserven nunmehr auf 627 Millionen Fass (als Reserve bezeichnen Experten die mit aktuellen Verfahren förderbare Menge eines Energierohstoffs).

Die wundersame Ölvermehrung hat einen einfachen Grund: Alle Abschätzungen beruhten auf dem jeweiligen Stand der Fördertechnik, aber die hat sich weiterentwickelt. Chevron konnte die Produktivität des Kern-River-Ölfelds in den 1960er Jahren dank einer neuen Technologie, der Dampfinjektion, deutlich steigern. Später taten neuartige Explorations- und Bohrtechniken das ihre, um diese einst als so schwierig eingestufte Lagerstätte in ein wahres Füllhorn zu verwandeln. Mit Dampfinjektionen wollen auch die Konzerne Royal Dutch Shell und Exxon einem Erdölfeld nahe dem holländischen Städtchen Schoonebeek zu Leibe rücken. Es war 1996 unrentabel und deshalb stillgelegt worden, ab Ende dieses Jahres bis 2030 soll es nun 120 Millionen Barrel des Schwarzen Goldes liefern.

Gemäß der Lehrmeinung folgt die Ausbeute eines Erdölvorkommens einem glockenförmigen Verlauf. Ist es zur Hälfte gefördert, erreicht die nach dem Geologen M. King Hubbert benannte Kurve ihren Scheitelpunkt; von da an sollte es immer teurer werden, den Rest zu fördern. Die Hubbert-Kurve gelte aber auch für die Gesamtheit aller Erdölfelder weltweit. Viele Analysten sagen nun schon seit Jahren voraus, dass die globale Ölproduktion in den nächsten Jahren ihren Zenit erreichen und dann rückläufig sein wird. Das ist keine gute Nachricht, denn selbst wenn die Nutzung fossiler Brennstoffe Umwelt und Erdklima gefährden: Alternative Energieträger können in puncto Kosten, Vielseitigkeit sowie Transport- und Speicherfähigkeit noch nicht konkurrieren. Erdöl ist nach wie vor weltweit mit einem Anteil von etwa 35 Prozent am Primärenergieverbrauch der wichtigste Energieträger und damit zumindest für eine Übergangszeit unverzichtbar. Zudem wird ein zwar kleiner, aber unverzichtbarer Anteil der geförderten Menge in der chemischen Industrie beispielsweise zu Kunststoffen verarbeitet.

Vor zwei Jahren lag der Verbrauch weltweit noch bei jährlich 30 Milliarden Fass. Die Finanzkrise hat ihn zwar sinken lassen, er dürfte in naher Zukunft aber das alte Niveau wieder erreichen. Bliebe er dann konstant, reichten die derzeit nachgewiesenen Ölreserven unseres Planeten von 1,1 bis 1,3 Billionen Barrel noch etwa 40 Jahre lang. Doch nicht nur Kern River hat alle Erwartungen übertroffen...

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