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Ozeanografie: Riesige Süßwasserlinse schwimmt im Arktischen Ozean

Arktisches Meereis
Zwischen Grönland, Spitzbergen und Sibirien hat sich ein riesiger Süßwassersee gebildet, dessen Volumen das des Bodensees um das 155-Fache übertrifft: Mindestens 7500 Kubikkilometer fasst die gigantische Linse, schätzen Laura de Steur und ihre Kollegen vom Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung auf der Insel Texel.

Gespeist wird die Süßwasseransammlung zum einen durch das Abtauen des Meereises im Nordpolarmeer und die Gletscherschmelze auf Grönland, wo das Inlandeis momentan je nach Messung jährlich zwischen 240 und 440 Kubikkilometer an Masse verliert. Zusätzlich tragen die großen sibirischen Flüsse wie Jenissei und Ob mehr Süßwasser in den Arktischen Ozean, weil der Permafrostboden in Sibiren taut und es in der Region häufiger und stärker regnet. Langfristige Wetterlagen haben ebenfalls zum Wachstum der Linse beigetragen: In den letzten Monaten herrschte ein ungewöhnlich stabiler Luftwirbel über dem Nordpol, dessen starke Winde um die Arktis kreisen und damit auch den Wasseraustausch im Meer behindern. Sie schotten die Region weit gehend gegen Einflüsse aus Süden ab und haben auch dazu beigetragen, dass in diesem Frühling die Ozonschicht über der Arktis rekordverdächtig stark abgebaut wird.

Bricht dieser Wirbel zusammen, kann sich der Süßwassersee rasch durch die Fram-Straße zwischen Grönland und Europa in den Nordatlantik entleeren und dort womöglich die thermohaline Zirkulation beeinflussen. Diese wird angetrieben durch die Dichteunterschiede zwischen sich abkühlendem, salzreichem Wasser aus den Tropen, das nach Norden strömt und dort dann absinkt. Durch Aussüßung könnte dieser Prozess gestört werden, was zum Beispiel am Ende der letzten Eiszeit geschah, als sich während eines so genannten Heinrich-Ereignisses riesige Mengen Schmelzwasser von den festländischen Gletschern in den Nordatlantik ergossen und dort die Golfstromzirkulation nach Süden abdrängten. Dadurch kam es zu einem neuerlichen Kälterückfall in Europa, der die Wiedererwärmung der Region um 1300 Jahre verzögerte.

Die gegenwärtigen Süßwasserlinse sei allerdings deutlich kleiner als die Volumina, die sich bei Heinrich-Ereignissen angesammelt hatten, entwarnen die Forscher. Konkrete Folgen für das europäische Klima sind also gegenwärtig nicht zu befürchten. Zudem treten derartige Salzunterschiede wie momentan immer wieder in der Arktis auf: In einem ähnlich großen Umfang war dies beispielsweise in den 1960er Jahren der Fall – ohne Beleg, dass dies damals Folgen für das Meer und das Wetter gehabt hätte. (dl)

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