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Mathematische Knobelei: Magie für die Eiskönigin

"Etwas Mystisches, Okkultes! Alle Welt zaubert, nur ich soll zurückstehen? Ich, die Eiskönigin? Die Herrscherin über Frost und Schnee? - Ich erhebe Anspruch auf ein ganz besonderes Geschenk. Ich will etwas MAGISCHES!"
Schrill hallten die Worte von den spiegelnden Wänden wider, ließen Eisstalaktiten erzittern und Schneekristalle aufwirbeln. Brachen sich an Kanten zu Tausenden Echos, die knisternd aufeinander prallten, sodass die Luft dort zu dünnen Eisscheibchen gefror, die auf den Boden fielen und in winzige Eisrosen zerbarsten.

"Wie Ihr wünscht, Eure Bitterkeit. Wie Ihr wünscht." Diese Wutausbrüche war Lupf23 gewöhnt. Wohl wahr, die Dame hatte ein feuriges Temperament und ein hitziges Gemüt - ein krasser Gegensatz zu den antarktischen Temperaturen ihres Eispalastes. Doch die Kälte machte Lupf23 nichts aus. Als hochdekorierter Zwerg einer Spezialeinheit des Weihnachtsmannes verbrachte er den größten Teil des Jahres in einem Trainingscamp am Nordpol. Dort übte er, Überraschungseier mit verbundenen Augen spurenlos zu zerlegen und zusammenzusetzen, aggressive Heldenfiguren aus Weichplastik in Pappkartons zu verpacken und sich blitzschnell als vollgeschneiter Gartenzwerg (Lupf23 bevorzugte die Variante mit dem Messer im Rücken) oder, wenn die Situation es erforderte, als ausrangiertes japanisches Kampfplüschtier zu tarnen.

Eine millimeterdicke Eisschicht hatte sich während der Audienz über ihn gelegt. Knackend brach sie auf, als er sich nun erhob. "Wie ihr wünscht", wiederholte Lupf23. Mit gesenktem Kopf ging er zehn Schritte rückwärts, drehte sich dann um und prallte mit voller Wucht gegen eine Eiswand. "DARAN werde ich mich nie gewöhnen", dachte er. Die Wände des Eispalastes waren so glatt, dass sich alles in ihnen spiegelte. Und sie waren veränderlich: Wo eben noch ein Durchgang war, stand plötzlich massives Eis. Wollte man sich einmal anlehnen, konnte das unvermittelt mit einem Sturz ins Leere enden. Lupf23 rieb sich die Nase. Die Tür, durch welche er in den Thronsaal gekommen war, gab es an dieser Stelle offensichtlich nicht mehr, dafür spiegelte sich dort der gerade aktuelle Ausgang täuschend echt wider. Vorsichtig tastend suchte Lupf23 sich den Weg in seine Kammer.

Soso, etwas Magisches wünscht sich die Königin zu Weihnachten. Na, dann bekommt sie doch einfach ein magisches Quadrat. Nur - so ganz banal durfte das nicht sein, dann wäre sie gelangweilt und würde dieses Jahr den Winter gar nicht mehr enden lassen. Monatelang würde es früh am Abend dunkel werden, und die Kinder müssten andauernd in der Wohnung spielen. Womit? Mit den Weihnachtsgeschenken. Aber Kindern wird ja immer alles so schnell langweilig. Also würden sie nach kurzer Zeit jaulen und quengeln, die Eltern wären genervt und würden sich beim Weihnachtsmann beschweren. Und wen würde Big Boss dann für den Schlamassel verantwortlich machen? Eben! Dieses spezielle magische Quadrat musste die Eiskönigin lange beschäftigen. Aber wie?

Mal schauen, was mein Geschenk-Computer dazu meint, dachte Lupf23 und kramte einen sperrigen, alten Kasten aus seiner Fallschirmspringer-Kiste. Er hasste diese modernen Computer. Entweder waren sie so klein, dass nicht einmal ein Zwerg die Tasten richtig treffen konnte, oder sie hatten zur Eingabe eine Maus. Bei Computern für Menschen mag das ja ganz pfiffig sein, in der Werkstatt des Weihnachtsmannes war jedoch alles ein bisschen mehr öko - und die Maus eben eine echte Maus. Und wie jederzwerg weiß, sind Mäuse gefährliche, aggressive Biester, die mit einem einzigen Biss einen ganzen Zwergenfinger abtrennen können.

Der Computer von Lupf23 war darum noch aus der guten alten Zeit, als Buchstaben und Ziffern mit grünen oder roten Leuchtdioden dargestellt wurden. Sieben-Segment-Anzeige hieß das, und man musste ein wenig Phantasie haben, um die Worte und Zahlen zu entschlüsseln. Inzwischen wartete der Computer auf die Nutzerkennung. "LUPF23" tippte Lupf23 ein. Richtige Namen wie Menschen gab es bei Zwergen nicht. Der Weihnachtsmann hatte aus den Bezeichnungen ihrer Völker und Großfamilien Kurznamen gebildet und sie dann einfach durchnummeriert. Leicht untersetzter Park-Findling bedeutete Lupf - eine ruhmvolle Untergruppe der Wald-und-Wiesen-Findlinge.

"Bei Rudis Nase", schoss es Lupf23 durch den Kopf. "Ich habe es!" Auf dem Bildschirm seines Computers stand in Sieben-Segment-Buchstaben LUPF23. An der rechts daneben stehenden Eichenblattkaffeemaschine spiegelte sich die Kennung. Die Buchstaben L, P und F sahen nach komischen Zeichen einer fremden Schrift aus, aber das U war weiterhin zu lesen, aus der 3 war ein E geworden, und die 2 hatte sich zur 5 gewandelt. Lupf23 blickte auf die Tischplatte. Hier schienen ihm eine perfekte 3 und statt der 2 wiederum eine 5 entgegen, der Rest sah ziemlich kryptisch aus.

"Ich werde der Eiskönigin ein magisches Quadrat schenken, das in Wahrheit aus vier Quadraten besteht", dachte Lupf23. Zuerst einmal ein gewöhnliches Quadrat mit vier mal vier Feldern. In jedes kommt eine andere Zahl - nicht unbedingt zwischen 1 und 16, wie üblich, aber zweistellig soll sie schon sein. Die Summe der Spalten, der Zeilen und der Diagonalen muss gleich sein. Und nun kommt's: Wenn das Quadrat sich in einer Wand des Eispalastes seitlich spiegelt, muss das Spiegelquadrat auch magisch sein. Dafür sind die Ziffern natürlich in der altbewährten Sieben-Segment-Schreibweise darzustellen. Auch die Spiegelung "über Kopf" auf der Tischplatte muss ein neues magisches Quadrat ergeben. Und zur Krönung liefert die seitliche Spiegelung des kopfstehenden Quadrates das vierte magische Eck. Quadrierte Magie! DAS wird der Eiskönigin gefallen. "Vorausgesetzt, ich finde so ein magisches Quadrat", durchfuhr es Lupf23. Wie könnte das wohl aussehen?

Magie für die Eiskönigin
Eine kurze Meditation über die Ziffern des Taschenrechners zeigt: In dem magischen Quadrat der Eiskönigin dürfen nur die Ziffern 1, 2, 5 und 8 überhaupt vorkommen. 1 und 8 gehen bei Drehung und Spiegelung in sich selbst über, 2 und 5 bleiben sich gleich, wenn man sie auf dem Kopf stehend betrachtet, und verwandeln sich durch Spiegelung ineinander. Die nahe liegenden Kandidaten 6 und 9 sind nach einer Spiegelung keine Ziffern mehr, desgleichen 3, 4 und 7. Allenfalls die Null könnte man in Betracht ziehen, wenn man Schreibweisen wie 01 gelten lässt.

Es gilt nun aus diesen vier Ziffern lauter verschiedene zweistellige Zahlen zu bilden, und zwar so, dass in jeder Zeile, Spalte und Diagonale jede dieser Ziffern genau einmal in der Zehnerstelle und genau einmal in der Einerstelle vorkommt. Denn wenn das der Fall ist, addieren sich die Zehner jedes Mal zu 10+20+50+80=160 und die Einer zu 1+2+5+8=16, was insgesamt eine Zeilen-, Spalten- und Diagonalensumme von 176 ergibt.

Damit läuft das Problem darauf hinaus, ein so genanntes griechisch-lateinisches Quadrat zu finden (siehe auch Spektrum der Wissenschaft 1/1996, S. 14): In jedes Feld eines Quadrats sind ein lateinischer und ein griechischer Buchstabe zu schreiben, und zwar so, dass jede Buchstabenkombination genau einmal vorkommt und jeder (lateinische oder griechische) Buchstabe pro Zeile, Spalte und Diagonale genau einmal vertreten ist. Dafür gibt es mehrere Lösungen; eine davon ist

11 22 58 85
55 88 12 21
82 51 25 18
28 15 81 52

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