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Mathematische Knobelei: Kreissägenrodeo

In der Angelegenheit "zersägter Mamorfußboden" gebe ich, Paul Knösel, wohnhaft in Ratzhausen, angestellt als erster Vorarbeiter der Firma "Holz gut, alles gut", Folgendes zu Protokoll...
Also, das war am Freitag, den 13., letzte Woche, als so'n Schmuddelwedda war. Da sind wir früh morgens um sieben los zu der Baronin von Knaster ihrer Villa - ich und der Günther Knutsen und der Manfred Flensen, jo, das is unser Stift. Is eigentlich ganz in Ordnung, der Manni. Bisschen faul vielleicht. Wenn ich dem nich sach, was er tun soll, tut der auch nix. Das is nich so'n Arbeitstier wie der Günther oder ich. Aber vielleicht is das ja heutzutage normal bei die jungen Leuten.

In die Villa sollten wir jedenfalls, die morschen Zierbalken in der großen Diele auszuwechseln. Die waren so oll, dass sich sogar die Holzwürmer schon beschwert haben, weil's so ziehen tut im Gebälk. Also, wir kommen da an, und ich schick erstmal den Manni los, 'nen Kasten Bier holen. Günther und ich haben uns inzwischen schon mal die Diele genauer angekiekt. Eine bannig große, rechteckige Stube is das, wo die quadratischen Platten ohne Verschnitt rein passten - das ham wir genau ausjemessen. Das heißt, der Manni hat das gemacht, als er wieder da war. Günther und ich, wir mussten ja ganz dringend testen, ob das Bier auch frisch war. He, das schreiben Sie aber nich mit, ja. Nich, das meine Frau das irgendwie spitzkriegt, dass ich mir manchmal was gönnen tu auf die Arbeit.

Wo war ich denn jetzt stehngeblieben? Ach ja. Also, der Manni misst die Diele aus, und dann sach ich ihm, er soll das Werkzeug reinholen, sach ich. Wie der Manni wieder reinkommt mit dem Geraffel und schon mal die Kreissäge in die Steckdose gestöpselt hat, da war dann erstmal Frühstückspause. Die Frau Baronin hat uns so kleene Snittchen gemacht, ganz fein, mit so Grünzeug auf die Wurst oben drauf. Ja, da kann ich doch den Manni nich alleine weiterschuften lassen. Man ist doch kein Unmensch, ist man nich. Leg's in die Ecke, das Zeug, sach ich ihm, und komm, dir was hinter die Kiemen stopfen, sach ich. Und als wir drei uns da von der harten Arbeit stärken tun, kommt der Baronin ihr Kater reinstolziert. Junge, so'n Kaventsmann is das. Der könnt mien Dackel zu Huus glatt mit 'nem Prankenhieb übern Deich schießen.

Das Vieh schlendert also von einem zum andern und lungert, ob es nicht was zu Fressen kriegen tut. Aber da isses schief gewickelt. Manni, sach ich, schaff' dat Biest hier raus, sach ich. Und wie der Manni aufsteht, kriegt der Kater 'nen Schrecken, sach ich Ihnen, macht einen Satz wie der geölte Klabautermann und landet auf die Kreissäge - eine Pfote am Sicherungsknopf und eine am Schalter. Na, die Säge heult auf und saust mit der Mieze oben drauf einmal durch die Diele. Ganz aus der einen Ecke in die diagonal gegenüberliegende und knallt dort gegen die Wand mit Schmackes. Mensch, das hätten Sie mal sehen sollen, wie das Katzenvieh danach abgezischt is. Nur die Mamorplatten auf'm Fußboden, die waren natürlich hin. Is schon schade drum. Das waren richtig schöne Dinger, jede Kante genau einen Meter lang. Die Säge is da schnurgerade durch 'ne Menge von denen durch und hat sie ordentlich zerlegt. Wieviele Platten es erwischt hat, weiß ich nich. Soll doch der Leser irgendeine Formel dafür aufschreiben. Aber wie isses denn nun: Muss die Katze jetzt ins Gefängnis, oder kriegt sie mildernde Umstände, weil der Manni sie ja schon so'n bisschen verschreckt hat?

Laut Paul Knösels Beschreibung ist die Diele in der Villa von Baronin von Knaster rechteckig, wobei die quadratischen Marmorfliesen ohne Verschnitt die Fläche abdecken. Das heißt, der Raum ist genau m mal n Platten groß.

Um nun eine Formel zu finden, mit der sich die Anzahl der zersägten Platten bestimmen lässt, lösen wir zunächst ein Teilproblem: Wir betrachten ein Rechteck aus x mal y Fliesen, bei dem der Schnitt der Kreissäge nur zweimal die Ecken einer Bodenplatte trifft - nämlich am Anfang und am Ende der Fahrt (siehe Abbildung, grünes Rechteck).

Die Zahl der zersägten Fliesen lässt sich nun schnell finden, wenn man sich überlegt, wie viele Plattengrenzen der Schnitt ausgehend von der ersten Fliese überquert: Das sind nämlich x-1 in horizontaler und y-1 in vertikaler Richtung. Rechnen wir die erste Fliese hinzu, so kommen wir in der Summe auf x+y-1 zersägte Marmorplatten.

Nun zurück zur eigentlichen Aufgabe, einer Diele mit m mal n Fliesen, wobei die Kreissäge durchaus auch während ihrer Fahrt auf die Ecken von Platten treffen darf. Doch wann tritt dieser Fall eigentlich ein? Nun genau dann, wenn sich das große Rechteck (m mal n) in kleine Rechtecke mit demselben Seitenverhältnis zerlegen lässt. Oder anders ausgedrückt: m und n müssen einen gemeinsamen Teiler größer als eins besitzen.

Die kleinst möglichen Rechtecke (x mal y) erhalten wir, wenn wir die Seitenlängen m und n des großen Rechtecks durch deren größten gemeinsamen Teiler k teilen. Die Zahl der zersägten Marmorplatten dieser kleinen Rechtecke kennen wir schon, und da sich genau k von ihnen auf einer Diagonalen von einer Ecke zur anderen des großen Rechtecks befinden, ergibt sich die Gesamtzahl der geteilten Platten zu:

k•(x+y-1).

(k=ggT(m,n), x=m/k, y=n/k)
Skizze zur Lösung

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