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Mathematische Knobelei: Das Hohelied der Quintaner

In den altehrwürdigen Hallen der Universitätsbibliothek von Middlesix in Ohio gibt es in diesem Monat eine Sensation zu bestaunen: Den einzigen erhaltenen Folianten mit mathematischen Gesängen der Quintaner. Diese weitgehend unbekannte grönländische Hochkultur verschwand praktisch spurlos, als das Packeis sich der vormals grünen Insel bemächtigte. Mit den Quintanern ging der Menschheit auch ihr Wissen von der klanghaften Natur der Zahlen verloren. Lediglich der Foliant lässt erahnen, welche Geheimnisse unter dem ewigen Eis für immer begraben liegen.
Das Hohelied der Quintaner, 1. Strophe und Noten
1. Nimm der Ziffern alle Neune2:
Eins und Zwei, die Drei, die Vier,
Sechs und Sieben, Fünf noch keine,
erst die Acht - so folge mir.
2. Auch die Neun, gar kräftig mische3,
bild' ne schöne Zahl daraus.
Setze nun die Fünf ans Ende.
Hoch den Becher, gleich ist's aus.
3. Liebe Zahl, nun lass uns rechnen,
Multiplikation ist dran.
Setz beliebig viele Punkte,
Malnehmen macht dich zum Mann4.
4. Das Produkt soll mit Fünf enden,
andre Ziffern gelten nicht.
Kannst dich drehn und heftig wenden,
Fünf am Ende - das ist Pflicht.
5. Wieviel Rechnungen sind möglich
mit der Zahl und Fünf am Schluss?
Schummeln, das ist hier vergeblich,
weil du's mir nun sagen musst5!

Anmerkungen des Übersetzers:

1 Das Lied steht im 9/9-Takt, der bei quintanischen Trinkliedern üblich war. Es ist hier im 9/4-Takt notiert, was den Forschungen des berühmten Musikarchäologen Fitzgerald Ogotten zufolge weitgehend den Charakter des Orignals wahrt, während es das Niederschreiben der Stücke mit der Symbolik des modernen Notensatzes ermöglicht.

2 Für Quintaner waren Zahlen und Ziffern heilige Begleiter des Alltags. Schrieb man sie als Wort aus, stand stets ein Großbuchstabe am Anfang.

3 Vereinzelte Artefaktfunde an der grönländischen Westküste lassen vermuten, dass es in jedem quintanischen Haushalt Plättchen aus Elfenbein gab, in welche jeweils eine Ziffer geritzt war. Die Liedzeile nimmt wahrscheinlich Bezug auf diese so genannten Numeraloblaten.

4 Die Initiationsriten der Quintaner hatten eine mathematische Grundlage. Während die Division als typisch weiblich galt, wurde Multiplizieren als Zeichen der Männlichkeit gesehen. Junge Mädchen unterzog man im Alter von 13 Jahren einer Rechenprüfung, bei der sie eine vierstellige Zahl durch 5 willkürlich ausgewählte Primzahlen teilen mussten. Nur wenn sie dabei keinen Fehler machten, nahmen die Frauen sie in ihre mathematischen Zirkel auf. Die Knaben bewiesen ihre Reife, indem sie als 15-jährige das Produkt siebenstelliger Faktoren im Kopf berechneten, während sie gleichzeitig Himbeerkuchen buken. Die Süßspeisen wurden anschließend feierlich im Kreis der erwachsenen Dorfbewohner verzehrt.

5 Häufig stellen die Texte quintanischer Trinklieder Rätsel auf, die der Zecher während des Singens lösen musste. Gelang es ihm, durfte er für sich und seine Genossen eine weitere Runde bestellen. Scheiterte er, schickte der Wirt ihn auf einen approximativen Weg nach Hause. In ganz seltenen Fällen war der Gast dann schon so betrunken, dass er seine Hütte verfehlte und daran vorbei immer weiter bis zur Küste oder darüber hinaus lief. Einigen Forschern zufolge stammt daher der Ausdruck "gegen Unendlich gehen".

Das Produkt endet genau dann mit der Ziffer 5, wenn es ungerade ist. Dazu muss jeder Faktor ungerade sein, also dürfen die Multiplikationszeichen nur hinter die ungeraden Ziffern gesetzt werden. Hinter die Fünf am Ende kann man sowieso keines setzen, also bleiben vier Plätze, an die man einen Punkt setzen kann oder auch nicht. Das macht 24 = 16 Möglichkeiten. Eine davon ist "gar kein Punkt", das ist die ursprüngliche Zahl, die zählt nicht mit, also bleiben 15 Möglichkeiten.

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