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Mathematische Knobelei: Mein schönstes Ferienerlebnis

Wenn am Ende des Schuljahres die Luft raus ist bei den Eltern, dann schicken sie ihre kleinen Energiebündel zum Aktivurlaub ins Ferienlager. Mit Sport, Spiel und Spaß bemühen sich dort wagemutige Animateure, das kreative Chaos in überschaubare Bahnen zu lenken. Mit einem kleinen Fußballturnier zum Beispiel.
Dieses Jahr bin ich alleine in die Ferien gefahren. Ganz ohne Mama und Papa. Weil nämlich Mama unbedingt ein bisschen Erholung braucht, hat Papa gesagt. Und er hat die Augen zugemacht, als ob er müde wäre, als mir vor Überraschung mein Teller mit den Pommes und dem Ketchup runtergefallen ist. Mama hat geseufzt und zu Papa gesagt, dass sie es doch gleich gewusst hat, ich hätte Angst, alleine wegzufahren, und dabei hat sie die Pommes vom Teppich gesammelt, was einfach war, nur der Fleck vom Ketchup ging nicht weg und ist immer noch zu sehen, obwohl er inzwischen eher schmutzig rosa aussieht. Ich habe gleich protestiert, dass ich überhaupt keine Angst habe und dass ich ganz toll alleine klar komme und bestimmt große Freunde finde, die alles machen, was ich sage, denn ich bin der Anführer, so wie der kleine Junge im Fernsehen, und der hat schon ganz viele Abenteuer erlebt, was nicht geht, wenn Mama und Papa dabei sind. Mama hat noch mehr geseufzt, und Papa hat die Augen verdreht und mir erklärt, dass sie für mich einen Platz in einem Feriencamp für Kinder gebucht haben, wo die großen Freunde für die Abenteuer gleich inklusive sind, und es wäre ja nur für zwei Wochen. Ich bin vor Freude in die Luft und ein Stückchen nach hinten gesprungen, doch dabei bin ich gegen Mama gestoßen, die gerade neue Pommes für mich bringen wollte, und ich habe ihr den Teller aus der Hand gestoßen, und deshalb ist neben dem schmutzig rosa Fleck noch ein eklig weißer, denn auf dem zweiten Teller waren die Pommes mit Mayo. Mama hat schon wieder geseufzt und vor sich hin gemurmelt: "Leider sind es nur zwei Wochen."

"Zum Glück sind es nur zwei Wochen", hat der Mario gemurmelt, als er uns die Zelte gezeigt hat, in denen wir schlafen sollten. Mario war unser Gruppenleiter im Ferienlager, und er muss alles tun, was wir ihm sagen, haben wir ihm gleich erklärt. Aber Mario war damit nicht einverstanden, sondern fing an, von Verantwortung und Lagerregeln und so zu erzählen, aber das hat keiner so richtig gehört, denn wir hatten gerade angefangen, uns wegen der Schlafplätze zu hauen, weil doch der Platz direkt am Eingang der beste ist und dort alle liegen wollten. Mario hat uns auseinander gezerrt, und wir haben gemerkt, der Mario ist ganz schön stark, und er ist bestimmt ein prima großer Freund, wenn das mit dem Gehorchen endlich klappt, aber er kapiert es garantiert, wenn wir ihm die Zeichentrickserie im Fernsehen zeigen. Blöd war nur, dass es im Lager keinen Fernseher gab, und deshalb wollte ich gleich wieder abreisen, aber Mario hat gesagt, vor Ende der zwei Wochen kommt hier niemand raus, und ich habe gehört, wie er zwischen den Zähnen ganz leise "Leider!" gezischt hat.

Am nächsten Tag sind wir nach dem Frühstück mit Mario zu einer Wiese gegangen, auf der schon vier andere Gruppen mit ihren großen Freunden standen und Krach gemacht haben. Die anderen Kinder hatten wohl auch Schwierigkeiten mit ihren Gruppenleitern, denn keiner von denen hat gemacht, was sie befohlen haben, sondern ständig laut auf ihren Trillerpfeifen geblasen. Das werde ich Mama und Papa zu Hause sagen, habe ich beschlossen, dass sie sich mal beschweren, weil die großen Freunde im Fernsehen viel besser erzogen sind. Die Gruppenleiter haben uns erklärt, dass wir nun ein Fußballturnier machen würden. Alle Gruppen spielen genau einmal gegeneinander, und es gibt kein Unentschieden, sondern nur gewinnen oder verlieren und dafür Punkte wie bei der richtigen Meisterschaft. Die Gruppe, die am Abend Erster ist, darf dann entscheiden, wohin wir am nächsten Tag den Ausflug machen sollen.

Das fanden wir ganz prima, weil wir endlich mit dem Befehlen anfangen konnten, und wir liefen alle gleichzeitig auf den Ball zu, und es hat bestimmt mindestens eine Stunde gedauert, bis die Gruppenleiter uns wieder getrennt, die Schürfwunden mit Pflaster beklebt und einen neuen Ball geholt hatten, weil nämlich der alte beim Raufen kaputt gegangen war.

Beim Fußballspielen war unsere Mannschaft natürlich am besten, aber trotzdem haben wir nicht alle Spiele gewonnen. Einer von den Gruppenleitern hat die Ergebnisse auf eine große Tafel geschrieben und die Punkte verteilt. Nach dem letzten Spiel hat er eine Tabelle aufgestellt und sich dann am Kopf gekratzt und ein ganz verdutztes Gesicht gemacht. Er hat noch dreimal nachgerechnet und die anderen Gruppenleiter gefragt, aber die konnten ihm auch nicht helfen. Auf der Tabelle war nämlich zu sehen, dass alle Teams gleich viele Punkte und gleich viele Tore hatten und alle Gruppen auf dem ersten Platz waren. Wir haben mit den Kindern von den anderen Gruppen einen großen Kreis gebildet und beratschlagt, wohin der Ausflug gehen soll, und dann entschieden, dass wir in das Mathematikmuseum in der Stadt nebenan wollten, wo gerade die Ausstellung "Jagd auf Zahlen und Figuren" lief. Ein kleiner Junge mit Brille hat als unser Sprecher den Gruppenleitern Bescheid gesagt, und wir haben gesehen, wie sie noch erstaunter dreingeschaut und ihre Lippen bewegt haben, als würden sie "zwei Wochen" murmeln.

Im Mathematikmuseum haben wir dann herausgeknobelt, wie es sein kann, dass alle fünf Mannschaften auf dem ersten Platz landen und warum das mit sechs Mannschaften nicht möglich ist. Ich kann die Begründung hier aber nicht aufschreiben, weil ich das schon wieder vergessen habe. Pech! Da müssen Sie wohl selber nachgrübeln.
Ganz schön langweilig wäre es, wenn alle Mannschaften am Ende der Saison den selben Tabellenplatz bekleiden würden. Aber unter welchen Voraussetzungen ist das überhaupt möglich, solange der Schlagabtausch zweier Mannschaften jeweils nur mit Sieg und Niederlage ausgehen kann?
Um diese Frage zu beantworten, schauen wir uns zunächst die Aufgabe an, die sich in unserer aktuellen Knobelei versteckt. Wie kann es sein, dass fünf Mannschaften ein Turnier mit derselben Punktzahl und der gleichen Anzahl von Toren beschließen - vorausgesetzt, es gibt nur Siege und Niederlagen?

Da jede Mannschaft genau einmal gegen alle anderen Mannschaften antritt, muss bei 5 Teams jede Gruppe im Turnier genau 4 Spiele absolvieren. Bei einer geraden Anzahl von Spielen ist es nun durchaus möglich, dass die Hälfte der Spiele gewonnen und die andere Hälfte verloren wird. So hat jedes Team am Ende des Turniers dieselbe Punktzahl. Spielen die Teams außerdem noch so, dass jedes Mal dasselbe Spielergebnis herauskommt, dann ist auch die Zahl der Tore gleich. Hier eines von vielen möglichen Beispielen:

Team A : Team B = 2 : 0
Team A : Team C = 2 : 0
Team A : Team D = 0 : 2
Team A : Team E = 0 : 2
Team B : Team C = 2 : 0
Team B : Team D = 2 : 0
Team B : Team E = 0 : 2
Team C : Team D = 2 : 0
Team C : Team E = 2 : 0
Team D : Team E = 2 : 0


So erhält jedes Team dieselben Punkte und hat obendrein noch die gleiche Trefferquote aufzuweisen. In der Tabelle belegen also alle denselben Platz.
Bei 6 Mannschaften - oder jeder anderen geraden Anzahl von Teams - funktioniert das Prinzip allerdings nicht mehr, denn nun muss jedes Team eine ungerade Anzahl von Spielen bestreiten. Da ein Unentschieden laut Voraussetzungen jedoch nicht möglich ist, kann das nur zu einem Ungleichgewicht zwischen Siegen und Niederlagen führen.

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