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Mathematische Knobelei: Elf Freunde sollt ihr sein

Die Engländer haben das Fußballspiel erfunden. Doch, ehrlich! Noch vor den Chinesen. Weit vor ihnen sogar. Das beweisen jüngste Studien, die sich intensiv mit der Entstehungsgeschichte der berühmten kugelrunden Felsbrocken namens Rolling Stones beschäftigt haben. Die Forschungsergebnisse erlauben selbst eine Rekonstruktion, warum ausgerechnet elf Spieler eine Mannschaft bilden.
Die Zeit: Zwölf Uhr Mittags, jüngere Steinzeit
Der Ort: Irgendwo in England, weit weg vom Kontinent
Die Szene: Ein Geröllfeld, das geradezu gepflastert ist von kleineren und größeren Felsbrocken
Die Akteure: Grumpf und seine Jagdfreunde

Grumpf blickt nach links. Grumpf blickt nach rechts. Links Steine. Rechts Steine. Und zwischendrin ebenfalls Steine. Grumpf schüttelt den Kopf. Er ist nicht amüsiert. Auf so einem Feld soll die neue Stammwiese für das abendliche Johlritual entstehen? Unmöglich. Nicht, solange es hier noch aussieht wie in der Altsteinzeit. "Wir haben zu tun etwas Aufräumarbeit, haben wir nicht?", fragt Grumpf seinen Jagd- und Johlpartner Urks. "Wir haben!", bestätigt Urks.
Er ist keineswegs pingelig. Er nicht. Ein bisschen Sand zwischen den Zähnen, ein wenig spitze Kiesel unter den Fußsohlen, das ist schon in Ordnung. Aber Felsen auf dem Johlplatz... Immerhin gibt es so etwas wie eine Tradition. Und die sieht Felsen nunmal nicht vor.
"Also, lass uns starten mit räumen auf", schlägt Grumpf vor. "Jeder von uns zwei räumt auf genau die Hälfte." Beflissen krempelt er die Ärmel seines Bisonfellmantels hoch. Grumpf ist ein Steinzeitmann der Tat. Urks ist das nicht. Seine Sache ist eher gewiefte Taktik. Und so zählt er rasch die beiseite zu schaffenden Felsen. Mit einem Ergebnis, das von entscheidender Bedeutung für die unmittelbar bevorstehende Geburt der Sportart Fußball ist.
"Das wird nicht sein möglich", sagt Urks. "Wir können nicht tragen weg die Hälfte der Steine jeder. Weil du kannst nicht teilen ihre Zahl durch zwei."
Grumpf beendet sein Krempeln. Nicht jeder genau die Hälfte? Was bedeutet, einer müsste mehr arbeiten als der andere? Undenkbar. Das wäre nicht fair! Und Engländer sind immer fair. Auf jeden Fall untereinander. Man ist ja schließlich nicht bei den Barbaren auf dem Kontinent.
"Dann wir holen Bork, zu unterstützen uns!", entscheidet Grumpf. Ein echter Mann der Tat, wie gesagt. Bork kommt, Bork krempelt die Ärmel hoch, Urks hat schlechte Nachrichten.
"Selbst zusammen mit Bork wir können nicht teilen die Aufgabe fair. Du kannst nicht teilen die Zahl der Felsen durch drei. Ein Stein wird bleiben liegen."
Nicht fair ist nicht gut, was würde man sonst auf dem Kontinent denken. Es eilt zur Unterstützung Knorps herbei.
"Kein Teilen durch vier ohne Rest von ein Stein."
Hinzu kommt Klink.
"Nicht durch fünf. Ein Stein bleibt."
Tong stößt hinzu. Dann Glotsch, Paff, Schnirks und Thithery.
"Keine Teilung ohne Rest von ein Stein."
Grumpf kratzt sich mit einem Bärenknochen den Rücken.
"Dann vielleicht wir sollten geben auf", überlegt er.
Da schlendert Kohn des Wegs. Kohn, den so leicht der Jähzorn überkommt. Kohn, der Steine in den Händen trägt, statt sie mit den Füßen zu treten. Kohn, der immer verbissen aufpasst, dass keine falschen Sachen durch den Höhleneingang gelangen.
"Was geht, Leute?", fragt Kohn und blickt dabei in die Wolken.
"Wir können nicht räumen auf unseren Johlplatz, weil wir können nicht teilen die Aufgabe fair", erläutert Grumpf das Problem.
Kohn schaut sich andere Wolken an.
Währenddessen zählt Urks nach. Und noch einmal. Grumpf kratzt sich, Kohn betrachtet Wolken, und Urks zählt ein drittes Mal.
"Zusammen mit Kohn wir können teilen die Steine fair", verkündet er dann.
Grumpf, Bork, Knorps, Klink, Tong, Glotsch, Paff, Schnirks und Thithery sehen Urks erwartungsvoll an. Kohn hat neue Wolken entdeckt.
"Mit elf Spieler unsere Mannschaft ist komplett", erklärt ihnen Urks. "Wir können fangen an zu bringen die Felsen weg. Jeder von uns die gleiche Anzahl. Und es wird bleiben liegen kein Stein."
Großes Gejohle am Rande des zukünftigen Johlplatzes. Augenblicklich reißen die Männer die störenden Ärmel von ihren Bisonfellanzügen und eilen auf das Feld, um es von Steinen zu säubern. Mit den Füßen kicken sie die Felsen an die Längsseiten, wo sie sich zu stufigen Tribünen auftürmen. Nur Kohn nicht. Der trägt seine Felsen per Hand an die kurzen Seiten des Platzes und schichtet aus ihnen Torbögen auf.
Am Abend ist der Johlplatz geräumt, die Felsen rundgetreten, der Fußball erfunden und die Stärke einer Mannschaft für alle Zeiten auf elf Spieler festgelegt. Was nicht überliefert ist: Wie viele Steine mussten überhaupt vom Platz geräumt werden?
Endlich wissen wir, wie das Fußballspiel entstanden ist. Und obendrein werden wir der erstaunlichen mathematischen Fähigkeiten des gemeinen Steinzeitlers gewahr.
Gesucht ist eine durch 11 teilbare Zahl x, deren Division durch die Zahlen 2 bis 10 jeweils einen Rest von 1 liefert. Wie finden wir diese Zahl? Überlegen wir zunächst, wie eine Zahl aussehen müsste, die ohne Rest durch die Zahlen 2 bis 10 teilbar ist. Das wäre das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) und alle seine ganzzahligen Vielfachen. Um das kgV zu finden zerlegen wir die Zahlen 2 bis 10 erst einmal in ihre Primfaktoren:

2
3
4 = 22
5
6 = 2·3
7
8 = 23
9 = 32

Das kgV ist dann das Produkt aller Primfaktoren:

kgV(2...10) = 23·32·5·7 = 2520

Mit 2520 haben wir nun die kleinste Zahl gefunden, die durch die Zahlen 2 bis 10 teilbar ist. Eine Zahl x die durch all diese Zahlen nur mit einem Rest 1 zu teilen ist, hat also entsprechend diese Form:

x = 2520m+1

Wobei m eine natürliche Zahl ist.

Nun soll x durch 11 teilbar sein, das stellen wir folgendermaßen dar durch die Modulo-Funktion dar:

(x mod 11) = 0

Das heißt, die Division x durch 11 liefert den Rest 0. Setzen wir den Ausdruck für x ein:

((2520m+1)mod11)=0

Vereinfachen wir diesen Ausdruck noch ein wenig und bestimmen die natürlichen Zahlen m, welche die Gleichung lösen:

((m+2519m+1)mod11) = 0
((m+1)mod11) = 0
m = 10, 21, 32, 43,... = 11n+10

Hier ist n eine beliebige natürliche Zahl inklusive der 0. Setzen wir nun diesen Ausdruck für m in unsere Gleichung für x ein, so erhalten wir alle möglichen Zahlen, die den Bedingungen genügen:

x = 2520(11n+10)+1

Die kleinste Zahl wäre damit 25201. So viele Brocken mussten die Steinzeitrecken also mindestens wegräumen, für jeden waren es immerhin 2291 Steine - Hauptsache es ging fair zu im alten England!

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