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Mathematische Knobelei: Verflixt und zugeknobelt

Der Sicherheitstechnik gehört die Zukunft. Keine Wundertüte mehr ohne chiffrierten Zugangscode. Kein Erdbeereis ohne biometrische Besitzprägung. Kein Bleistift ohne vorherigen Datenabgleich.
Kein Zutritt ohne korrekt eingestellten holografischen Sicherheitsschlüssel. So musste es ja kommen. Da wollte ich nur schnell die sorgfältig datenbereinigten Gebrauchtwertstoffe in den vorgesehenen personifizierten Container zum Produktzykluswiedereintritt tragen... Na gut. Mir geht dieses Technogebabbel auch auf den Senkel. So ist das wohl bei unserer Generation, die noch das umständliche Essen mit Messer und Gabel gelernt hat. Also, ich wollte gerade den Müll rausbringen, da ist es passiert: Rumms! Die Tür knallt zu, und ich stehe draußen. Kennen Sie vermutlich, oder?

Kein Problem, denke ich. Hab ja alles dabei. Ich also hin zur Tür, linke Hand auf den Fingerabdruckscanner, rechtes Auge an den Irisanalysator, dabei dreimal bellen wie ein Hund für die Spracherkennung (das mit dem Bellen habe ich mir selbst ausgedacht - auf so etwas kommt doch kein Einbrecher, der noch alle Tassen im Schrank hat), und schon erscheint auf der Anzeige die Aufforderung, den Sicherheitsschlüssel einzuführen.

Sie wissen schon. Diese Würfel aus kleinen Würfeln. Also, ich habe nur die ganz einfache Version - bei mir gibt es ja eh nichts zu klauen oder auszuspionieren. Davon kann sich jeder selbst im Vorhinein überzeugen, denn meine Wohnung ist hervorragend mit Webcams ausgestattet. Das finde ich mal wirklich praktisch. So kann ich im Urlaub jederzeit per Handypersonalausweis sehen, wann genau meine Topfpflanzen an Wassermangel eingehen. Klar, Hinz und Kunz können das ebenfalls rauskriegen, wenn sie wollen. Meine Webcams sind schließlich nicht gesichert. Nicht einmal über Kennwort oder so. Weil ich mir die Dinger nie merken kann.

Und damit kommen wir auch schon zu meinem Problem. Der Sicherheitsschlüssel ist nämlich ein Würfel, der aus 2 mal 2 mal 2 verschiedenfarbigen kleineren Würfeln besteht. Bei 8 Würfeln ergibt das eine fürchterliche Menge Möglichkeiten, den Würfel zusammenzubauen. Mein Sicherheitsschlüssel erlaubt aber nur drei Versuche. Stelle ich dreimal die falsche Kombination ein, zieht die Tür ihn ein und flutet die Wohnung mit Epoxydharz, das innerhalb von zwei Minuten aushärtet. Dolle Sache - so wird garantiert nichts gestohlen. Aber für mich nun ein wenig unangenehm. Weil ich natürlich die Kombination vergessen habe. Was meinen Sie, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich auf gut Glück bei drei Versuchen einen Treffer lande?
Acht kleine Würfel können das räumliche Vorstellungsvermögen schon ordentlich strapazieren - erst recht, wenn man unter Druck steht. Wir helfen Ihnen, ein wenig Ordnung in das Würfelchaos zu bringen.
Wie viele verschiedene Würfel kann man aus acht verschiedenen kleinen Würfeln zusammensetzen? Das ist die erste Frage. Nummerieren wir die acht Farben am besten gleich durch. Würfel Nummer eins kann alle acht Plätze des zu bauenden Würfels einnehmen. Das sind acht Möglichkeiten. Verbleiben sieben Würfel und sieben Plätze. Für den zweiten Würfel gibt es damit sieben Möglichkeiten, für den dritten sechs und so weiter. Der letzte Würfel muss auf den letzten Platz, dass ist dann nur noch eine Möglichkeit. Die Möglichkeiten werden multipliziert, das macht dann 8! = 40320 Möglichkeiten zum Zusammensetzen des Würfels.

Leider ist es nicht ganz so einfach. Wir können den Würfel schließlich auf verschiedene Weise drehen und so eine Menge Kombinationen wieder in sich selbst überführen. Wenn wir aber wissen, in wie viele verschiedene Positionen ein Würfel gedreht werden kann, müssen wir 8! nur noch durch diese Zahl teilen und schon ist das Ergebnis bereinigt. Die für uns interessanten Drehungen sind die gleichsinnigen Deckbewegungen. Das heißt, dass die Drehung den Würfel auf sich selbst abbildet – er steht genau so da wie vorher, nur die Seiten sind vertauscht.

Es gibt drei Achsen, um die man einen Würfel drehen kann. Die erste verläuft von Mittelpunkt zu Mittelpunkt je zweier gegenüberliegender Seiten. Das entspricht dem schlichten Umkippen des Würfels. Sechs Seiten ergeben drei solche Achsen. Gedreht werden kann um 90°, 180° und 270°, gibt 3·3 = 9 Möglichkeiten. Man spricht von vierzähligen Drehachsen (wir hatten die Startposition nicht mitgezählt). Eine zweite Drehachse die eine Deckbewegung ermöglicht, befindet sich zwischen je zwei sich gegenüberliegenden Ecken. Das ist die Diagonale eines Würfels. Davon gibt es vier Stück. Wenn man den Würfel aber um 90° dreht, steht er schief da, das ist keine gewünschte Deckbewegung. Erst bei einer Drehung um 120° steht der Würfel wieder ordentlich da, ebenso bei 240°. Die vier Würfeldiagonalen sind also dreizählige Drehachsen, macht (wieder abzüglich der Startposition) 4·2 = 8 Möglichkeiten, den Würfel zu drehen. Die dritte Art Drehachsen führt von Mittelpunkt zu Mittelpunkt je zweier sich gegenüberliegender Kanten. "Gegenüber" heißt von den drei parallel verlaufenden Kanten die am weitesten entfernte. Hier können wir den Würfel nur noch um 180° drehen, zwölf Kanten geben sechs Kantenpaare, also sechs zweizählige Drehachsen, macht 6·1 = 6 Möglichkeiten. Nicht vergessen dürfen wir die Identität, das ist die bisher vernachlässigte Startposition, oder die Drehung um 360°. Insgesamt haben wir damit 9+8+6+1 = 24 Möglichkeiten.

Dividieren wir nun die 8! durch 24, verbleiben 1680 Möglichkeiten. Wie hoch ist nun die Wahrscheinlichkeit, bei dieser Zahl von Möglichkeiten die richtige Kombination bei drei Versuchen herauszubekommen? Dazu dividieren wir einfach die Anzahl der Versuche durch die Anzahl der Möglichkeiten:

3/1680 = 1/560 ≈ 0,18%

Die Chance liegt also bei knapp zwei Promille – nicht sonderlich hoch, aber immerhin besser als beim Lottospiel. Aber ob man das Risiko eingehen möchte, dass die Wohnung im Falle dreier Fehlversuche mit Epoxydharz geflutet wird? Also vielleicht doch besser den Schlüsseldienst rufen!

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