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Astronauten: Das Heldenimage bröckelt

Oliver Dreissigacker
Es ist verwunderlich. So verwunderlich, dass es heute morgen schon in den Radionachrichten kam und das Doping bei der Tour de France ausstechen konnte: Die vermeintliche Elite des Homo sapiens, unsere Raumfahrer, besteht – Überraschung – auch nur aus Menschen!

Erinnern wir uns: Im Februar dieses Jahres hatte die Nasa mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Lisa Nowak (Shuttlemission STS-121 vom Juli 2006) sorgte mit einem Eifersuchtsdrama, in das ihr Kollege Bill Oefelein (Pilot der STS-116) ebenfalls verwickelt war, für einen Skandal. Die Folge: „Astronautin verhaftet“ (siehe Link).

Daraufhin begann eine Kommission aus Medizinern, Psychologen und anderen Experten, die flugärztlichen Unterlagen aller Nasa-Astronauten zu sichten. Scheinbar förderte sie Alarmierendes zu Tage. In mindestens zwei Fällen, so berichtet das Fachblatt „Aviation Week“, seien namentlich nicht genannte Crewmitglieder so „intoxiniert“ gewesen, dass sie ein Sicherheitsrisiko dargestellt hätten. Trotzdem hätten sie den Flug antreten dürfen.

Eigentlich gibt es eine Regel, die den Genuss von alkoholischen Getränken ab zwölf Stunden vor einem Starttermin untersagt. Gegen diese Regel wäre aber in beträchtlichem Ausmaß verstoßen worden.

Damit dürfte jedenfalls das Rätsel der vermeintlichen Ufo-Sichtungen gelöst sein, von denen einige Astronauten im Laufe der Zeit berichteten. Und das von den Raumfahrern so gerne verwendete Bild des Blauen Planeten bekommt eine ganz neue Qualität …

Heute Abend wird das Nasa-Hauptquartier in Washington in einer Pressekonferenz Rede und Antwort stehen. Das Interesse dürfte gewaltig sein. Müssen die Astronauten jetzt regelmäßig ins Röhrchen pusten, bevor sie an Bord dürfen? Was passiert bei einem positiven Ergebnis?

Werden Köpfe rollen auf Seiten der Flieger und auch bei den Ärzten, die ihren Start nicht unterbunden haben? Oder haben letztere auf Geheiß von oben gehandelt, um den Start der jeweiligen Multimillionendollarmission nicht zu kippen? Wie weit darf der Ermessensspielraum der Flugmediziner die Regeln außer Kraft setzen?

Und viel wichtiger: Wurden eigentlich Maßnahmen ergriffen, damit sich das Problem nicht wiederholt? Schließlich sind Raumfahrer keine College Boys, die sich, nur um vermeintlich cool zu sein, etwas hinter die Binde kippen. Werden sie mit ihrem Stress allein gelassen? Werden bei allen technischen Herausforderungen die Menschen zu sehr in den Hintergrund gedrängt? Erhalten gerade jene Menschen, die sich einer Gefahr für Leib und Leben aussetzen, zu wenig Betreuung und Unterstützung? Meine Befürchtung lautet: ja.

Für Nowak und Oefelein wird es jedenfalls keinen Start ins All mehr geben. Denn die beiden sind traut vereint – auf der Liste der ehemaligen Nasa-Astronauten.

Na denn: Prost! Ihr Oliver Dreissigacker

PS Lesen Sie dazu in der September-Ausgabe von astronomie heute: Psyche und Raumfahrt, Teil I „Allein im All“, ab 16. August im Handel.

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