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Mathematische Knobelei: Verflixt und zugefaltet

Wenn einer eine Reise tut, … dann hat er selbst in Zeiten irreführender Navigationsgeräte meist eine erquickliche Anzahl von patentgefalteten Stadtplänen und Landkarten dabei. Ausbreiten lassen die sich ja ganz einfach. Nur passen sie dummerweise so nicht wieder in die Tasche. Also knickt der geometrisch gebildete Mensch sie wieder in ihr kompaktes Format zurück. Und damit fängt der ganze Ärger dann an.
Herbert, wir sind da. Du kannst den Plan jetzt wegstecken.

  Ja, Ilse.

Herbert, nun los. Tu weg! Die anderen gehen schon rein.

  Sofort, Ilse.

Herbert, was dauert das? Musst du schon wieder so rumhampeln mit dem Ding?

  Sekunde noch … Hab's gleich. Nur die linke Seite nach hinten und die rechte … Oder umgekehrt?

Herbert, lass den Quatsch! Die anderen sind jetzt alle drin.

  Bin ja schon fast fertig. Beim ersten Mal war es verkehrt. Das ganz rechte Stück muss nämlich erst nach vorn und dann entgegen …

Herbert, ich hab' dir schon tausendmal gesagt, du brauchst keinen Stadtplan mitzunehmen, wenn wir an einer Führung teilnehmen. Die Leute verlaufen sich schon nicht.

  Man kann nie wissen, Ilse. Ein wahrer Mann hat lieber seinen eigenen Plan dabei! … oder muss das Mittelstück vor die linke …?

Herbert, du machst mich noch wahnsinnig. Meinst du, ich will meinen ganzen Urlaub immer nur auf den Plätzen vor den Sehenswürdigkeiten herumstehen und dir beim Falten zusehen?

  Aber, das ist hoch interessant, Ilse. Sieh mal, dieser Plan hier ist ganz lang gestreckt. Wie die Stadt. Wegen des Flusses, denke ich. Und damit der trotzdem in die Tasche passt, hat er sieben Kniffe, die ihn in acht Stücke teilen. Also, der Plan natürlich, nicht der Fluss.

Herbert, hör auf, von deinem Plan zu faseln! Ich will da jetzt rein!

  Nee, Ilse, sieh doch mal! Wenn es nur ein Kniff wäre und damit zwei Stücke, wäre alles ganz einfach. Entweder ist dann das linke oder das rechte Stück vorne. Mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Herbert, die sind mir sowas von egal, deine Stücke.

  Schwieriger wird es schon mit zwei Kniffen und drei Stücken. Nun gibt es nicht nur links und rechts, sondern auch noch die Mitte. Da kann man schon vor-zurück falten. Oder vor-vor. Oder zurück-vor. Oder zurück-zurück. Immer von links nach rechts gesehen. Man kann aber auch rechts mit dem Falten anfangen, und dann gibt vor-vor und zurück-zurück noch zwei weitere Varianten. Insgesamt haben wir alle sechs verschiedene Faltmöglichkeiten.

Herbert, ich will nichts hören von "vor-vor" oder "zurück-zurück". Für uns heißt es jetzt "rein-rein"!

  Ja, aber Ilse, überleg doch mal! Wenn es bei zwei Kniffen und drei Stücken schon sechs Möglichkeiten gibt … wie viele sind es dann erst bei diesem Plan mit seinen sieben Kniffen und acht Stücken? Hast du überhaupt eine Vorstellung, was für eine riesige Anzahl an Kombinationen das gibt?

"Nein, Herbert, habe ich nicht. Und da kommen die anderen schon wieder heraus. Und sie sehen sehr, sehr glücklich aus. DIE mussten ja auch nicht VOR der Sehenswürdigkeit stehen, sondern konnten HINEIN.

  Na, aber DIE haben bestimmt auch keine Ahnung, wie viele Faltungen so ein Plan erlaubt. Wo das doch viel spannender ist als olle Kamellen und Sitzhocker mit Wurmlöchern. Ich wette, das kann mir keiner sagen, was in meinem Plan an Faltbarkeit steckt. Oder?
Ilse hat sich scheiden lassen, und Herbert steht immer noch an seinem Platz und grübelt. Manchmal geben ihm Passanten ein bisschen Geld, im Café Marly gibt es dafür dann einen Espresso.
Zum Glück waren die Konsequenzen in unserer Redaktion nicht ganz so gravierend, aber der Aufgabensteller hat es diesmal wirklich geschafft, einen aufgelösten, weil lösungslosen Aufgabenlöser zu hinterlassen. Unglaublich aber wahr: Es gibt diesmal kein gesichertes Ergebnis.

Das Problem besteht darin, dass von den theoretisch möglichen n! Faltungen eine ganze Menge gar nicht praktisch möglich sind. Und das systematisch abzuziehen, ist ziemlich kompliziert.

Alle tapferen Teilnehmer, die sich an dieser Aufgabe dennoch versucht haben, werden als potenzielle Gewinner mit einem Preis belohnt. So schlimm wie Herbert ist es ihnen hoffentlich nicht ergangen.

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