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Mathematische Knobelei: Expansiver Dimensionswettlauf

Alles hat seine Zeit. Und wer zu früh kommt, den bestraft … Nein, nicht das Leben, sondern das Universum. Es dehnt sich nämlich aus und macht jedes Wettrennen damit zu einer Farce.
Das waren noch Zeiten … kurz nach dem Urknall. Damals ging es im Sport noch um etwas. Da hat niemand von Anstand und Fairplay gelabert. Denken wir nur an den Kampf Materie gegen Antimaterie. Die beiden waren gnadenlos. Gingen mit aller Härte aufeinander los. Bis die Materie dann irgendwie die Oberhand gewonnen hatte. Dummerweise habe ich keine Ahnung, wie das genau passiert ist. Ich war wohl gerade in dem Moment draußen gewesen und hatte mir neue Chips geholt. Und als ich zurückkam, war das Weltall schon durch und durch einseitig materialistisch.

War aber nicht so tragisch. Es gab ja schließlich noch mehr Sportarten. Verstecken zum Beispiel. Wie? Sie halten das für ein Kinderspiel? Na, da liegen Sie aber voll daneben. So kurz nach der Stunde Null überhaupt war Verstecken ein echtes Hochleistungsunterfangen. Nur wahre Könner haben daran teilgenommen. Und die verraten natürlich niemals und unter keinen Umständen, wo ihre Verstecke liegen. Was dazu geführt hat, dass bis heute noch nicht alles wiedergefunden ist. Die Dunkle Materie etwa – macht über den Daumen gepeilt ein Viertel des ganzen Kosmos aus, und niemand hat sie bis heute gefunden. Tja, so versteckt ein echter Meister!

Apropos Meister … Haben Sie mitbekommen, wie das Randzonenrennen ausgegangen ist? Sie wissen schon – der Wettbewerb, bei dem die Teilnehmer das gesamte Universum umrunden sollten. Immer auf dem kugelförmigen Rand entlang. Wenn ich mich recht erinnere, gab es nur einen Teilnehmer: El Alberto, der mit seinem Relativitätsignoranzantrieb immerhin ein Lichtjahr pro Stunde schaffte.

Na, jedenfalls war es ein klassisches Rennen ohne jede Dehnung oder Stauchung der Zeit. Nur der Raum … der wuchs natürlich an, so kurz nach dem Urknall. Beim Start hatte das Universum noch einen Umfang von zehn Lichtjahren. Die hätte El Alberto locker in zehn Stunden heruntergerissen. Doch mit jeder Stunde wurde die Rennstrecke länger. Um volle zehn Lichtjahre. Da fragt man sich doch automatisch, ob El Alberto überhaupt eine Chance hatte, jemals im Ziel anzukommen. Und falls ja, nach welcher Zeit?
Die große Frage lautet: "Hat El Alberto überhaupt eine Chance? Um die Antwort zu erklären, müssen wir schon ein Stück in die Lösung einsteigen.
Gehen wir davon aus, dass sich das Universum im Stundentakt derart aufbläst, dass der Umfang um 10 Lichtjahre wächst. Gehen wir außerdem davon aus, dass El Alberto in dieser Zeit auf gleicher Höhe, also bei gleichbleibendem Radius des Universums, mit einer Geschwindigkeit v von einem Lichtjahr pro Stunde die entsprechende Strecke zurücklegt.

Betrachten wir weiter den Umfang des Universums als einen Kreis mit Umfang U, so hat er nach einer Stunde einen Teil von U zurückgelegt. Zieht man nun vom Start- und vom Endpunkt des zurückgelegten Weges eine Linie zum Kreismittelpunkt, lässt sich ein Winkel α berechnen, den El Alberto in dieser Zeit "zurückgelegt" hat. Nach einer Stunde ergibt sich α1 = 1/10 ⋅ 2π. Nach zwei Stunden kommen wir dann auf α2 = 1/20 ⋅ 2π und bei n Stunden schließlich αn = 1/(n⋅10) ⋅ 2π.
Bilden wir nun die Winkelsumme W = 1/10 ⋅ 2π + 1/20 ⋅ 2π + ... + 1/(n⋅10) ⋅ 2π =  π/5 (1 + 1/2 + ... + 1/(n⋅10)). Das ist eine harmonische Reihe, und eine solche Reihe konvergiert nicht. Also werden es 360°, wenn nur lange genug addiert wird. Und das heißt, dass El Alberto es schaffen kann, das Universum zu umrunden, wenn er nicht verunglückt.

Jetzt gilt es, die kontinuierliche Berechnung anzustellen. Der wachsende Umfang U wird durch die Funktion Ut = 10⋅(t + 1) dargestellt. Ebenfalls gilt Ut = 2π ⋅ rt und das gibt dann zusammen rt = 5/π⋅(t + 1).

Nun lässt sich berechnen, wie schnell sich der Radius ausdehnt. Dafür wird abgeleitet, und zwar der Radius nach der Zeit. Damit ergibt sich für die Geschwindigkeit vr = dr/dt = 5/π. (das d steht für das Differenzial). Was im ersten Teil der Lösung noch eine sprunghafte Expansion war, geschieht nun kontinuierlich. Nun benötigen wir noch die Bahngeschwindigkeit vb und die Winkelgeschwindigkeit vα. vb = db/dt und vb = /dt, wobei die Bahngeschwindigkeit ein Lichtjahr pro Stunde beträgt.

Lösen wir die Bahngeschwindigkeit nach auf und setzen die uns bekannten Werte für vb und r ein: Das ergibt = π/5 ⋅ 1/(t + 1) dt. Jetzt wird integriert, was uns ein schönes α liefert: α = π/5⋅ln(t + 1). Damit gilt t = e(α⋅5/π) - 1. Bekanntlich ist für eine Umrundung α = 2π und nun kann man richtig rechnen: t = e10 - 1 = 22025,47 Stunden. Das sind ungefähr zweieinhalb Jahre. Geht eigentlich, oder?

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