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Mathematische Knobelei: Warum die Pinguine nicht Fußballweltmeister sind

Sie durchlaufen das härteste Training der Welt – mit waghalsigen Sprüngen ins eiskalte Wasser, Fußmärschen über hunderte Kilometer und wochenlangem Dauerfasten. Ihr Trikot ist von unvergleichlicher Eleganz, und sie haben das Bauchrutschen nach einem Torerfolg zur absoluten Perfektion getrieben. Trotzdem ist noch nie eine Pinguinmannschaft Fußballweltmeister geworden. Halileo deckt auf, woran das liegt.
Maximal 1,30 Meter groß wird der Kaiser. Nicht viel für einen Spitzenspieler, doch auch beim Fußball ist Größe nicht unbedingt alles. Worauf es wirklich ankommt, davon haben der Kaiser und sein Team mehr als genug, um andere Mannschaften das Fürchten zu lehren. Wenn die hochbezahlten Profis aus Europa sich im Winter längst in die warme Halle zurückziehen, sind die Pinguinstars des Kaisers noch lange auf dem Außenplatz beim Flankentraining. Und selbst ein Sturzregen kann sie nicht aufhalten. Im Gegenteil: Auf bis zu 36 Kilometer pro Stunde bringen die Stürmer es unter Wasser. Kein Verteidiger der Welt hält sie dann noch auf.

Aus athletischer Sicht sind die Pinguine darum den Nationalmannschaften aus aller Welt weit überlegen. Dennoch sind sie nicht nur nicht Weltmeister – sie haben bis zum heutigen Tag noch nicht einmal an einem internationalen Fußballturnier teilgenommen. Ein sportliches Rätsel, dem erst jetzt ein Team engagierter Knobelogen auf den Grund gehen konnte.

Den Wissenschaftlern war es als Ersten erlaubt, das Trainingslager der antarktischen Nationalelf zu besuchen – und sie haben spektakuläre Entdeckungen gemacht. So fanden sie heraus, dass die Pinguine bewusst jegliches Kopfballspiel vermeiden, weil Schiedsrichter dazu tendieren, ein Handspiel zu pfeifen, wenn der Ball auf den spitzen Schnabel gespießt am Pinguin hängen bleibt. Den Nachteil machen die Athleten jedoch durch ihre Ballsicherheit mit dem Fuß mehr als wett. Die Knobelogen konnten beobachten, dass sowohl Rechtswatschler wie Linkswatschler beidfüßig Pässe treten, die mit bemerkenswerter Präzision ihren Mitspieler finden. Ein Talent, dass junge Pinguine bereits im Ei erlernen, wenn sie ohne Bodenkontakt vom Vater an die Mutter weitergereicht werden.

Der spielerischen Sonderklasse steht allerdings eine technische Schwierigkeit gegenüber, die den weltweiten Siegeszug der Fußballpinguine stets verhindert hat: Auf dem gesamten antarktischen Kontinent gibt es kein dauerhaftes Stadion. Nicht einmal einen permanenten Fußballplatz. Für ihr Training behelfen sich die Ballkünstler mit geglätteten Eisflächen, die sie mit Phytoplankton bestreichen, um eine grasähnliche Grünfärbung zu erzielen. Die dadurch verursachte stärkere Absorption des Sonnenlichts führt jedoch dazu, dass die Eisfläche brüchig wird und noch vor Ablauf der regulären Spielzeit zerbirst. Die Folge: Das Spielfeld, dessen Breite zu Anfang a war und eine Länge von 2a hatte, wird häufig dadurch verzerrt, dass eines der Tore auf einer Eisscholle abtreibt.

Auf Antrag des Kaisers beim Weltfußballverband hat dessen Regelausschuss deshalb vorige Woche festgelegt, bis zu welcher Verzerrung ein Platz als noch bespielbar gilt. Maßgebende Größe ist hierfür die seitliche Verschiebung x auf Höhe der Mittellinie, wenn die Strecke von der Mitte der Seitenlinie aus bis zur Mitte der Torlinie des verschobenen Tores exakt a beträgt. Dabei muss diese Strecke die gerade Verlängerung der Verbindung des Mittelpunkts der Seitenlinie mit der gegenüberliegenden Ecke der Grundlinie der unverschobenen Hälfte des Spielfelds sein. Die äußere Begrenzung von x ist durch die Verbindung der näherliegenden Ecke der Grundlinie der unverschobenen Spielfeldhälfte und die Mitte der Torlinie des verschobenen Tores gegeben. Eine beigefügte Skizze verdeutlicht diese an sich klare und eindeutige wörtliche Erklärung.
Leider sind die mathematischen Fähigkeiten der Pinguine nicht so ausgeprägt wie ihr Ballinstinkt. Dem Kaiser und seinem Team ist es darum nicht gelungen, die maximal erlaubte Verschiebung x als Funktion der Grundlinienlänge a zu berechnen. Ein glücklicher Umstand für die übrigen Fußballteams der Welt. Denn sobald die Pinguine wissen, wie groß x ist, steht ihrem ersten Titelgewinn nur noch im Wege, dass sie ihre Fracks nicht mit hässlichen Rückennummern verunzieren wollen.

Wie groß ist x als Funktion von a?
Um Fußballweltmeister werden zu können, muss man ja nicht unbedingt Pythagoras kennen. Deshalb wollen wir für etwas mehr Fairness sorgen und wenigstens dieses Problem der Pinguine lösen.
Führen wir zunächst d als Bezeichnung für die Diagonale des halben Fußballfeldes ein. Dann gilt nach dem Strahlensatz x/a = a/(a+d). Jetzt kommt der alte Grieche ins Spiel, von dem unsere Pinguine noch nichts gehört haben. Nach dem Satz von Pythagoras gilt nämlich für die genannte Diagonale d = a·√2.

Das lässt sich jetzt wie folgt umformen:
x/a = a/(a·√2+a)
= (1-√2) / (1²-√2²)
= √2 – 1

Und damit gilt x = a·(√2 – 1)
Näherungsweise ist also x ≈ 0,414 · a

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