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Mathematische Knobelei: Der Zahn der Zeit

Die Götter geben uns die Feiertage, und der Himmel sagt, wann wir sie zu begehen haben. Und falls es gerade bedeckt ist? Gegen derart Unbill ersinnen seit Urgedenken große Geister komplizierte Mechanismen. Mit Rädchen und Schräubchen, Feder und Zeiger.
Des Barchimedos Geist gebar die Stund,
zu welch die Ehr dem Herrscher sei,
der Zahl und Wert auf Erden bracht,
dem Mensch zur Pein und auch zur Freud.

Der Stand von Sonn und Mond und Rund,
in Scheiben gebannt, ins Metall geweiht,
mit Zähnen versehen,
auf Bahn am Blau wie auch im Golde.

Elf Scheiben sinds,
ein jede gibt den Wert der Eins.
Zehn Scheiben sinds,
fügen zusamm'n oder zieh'n ab.

Eine Scheibe ist's,
die nennt des Tages Stand,
an dem zu feiern
dem Mensch geboten ist.

So whält des Barchimedos Werk
die Zahl der Tag hinzu hinweg
von des Monats Wechsel Nacht,
die Stund gelegen ist.


Und so weiter und so fort Wie sie eben einst redeten, die alten Alten. Und wie sie leider auch schrieben. Gestelzt, gestanzt, gestolpert auf jeden Fall in erlesener Unverständlichkeit.

Dabei beschreibt jene tönerne Tafel aus der präcalculatorischen Sammlung der University of Middlesix in Ohio einen wirklich höchst faszinierenden Mechanismus des beinahe in Vergessenheit geratenen Hofmathematikers Barchimedos, dem engen Vertrauten des dritten Zwischentyrannen der mathedonischen bergangszeit, Aleksandretti II. Nur wenig ist uns von Barchimedos überliefert, genau genommen ist dieses Relikt die einzige Erwähnung seines Namens, und auch dessen Authentizität ist sagen wir umstritten. Wurde es doch durch akademisch unbedarfte Laien beim touristischen Sandburgbauen am feinen Rieselstrand der Insel Integralos entdeckt.

Ungeachtet jeglichen Disputs hat der experimentelle Algebraiker Prof. Dr. Ainimsin sich die Mühe gemacht, den antiken Apparat des Barchimedos aus Messing nachzubauen. Er stellte sich als ein Zusatzkalender heraus, mit dem jener Tag bestimmt werden konnte, an welchem die Menschen zu Ehren des Herrschers der Arbeit auf den Feldern fernblieben, um in ihren Hütten und Palästen mathematische Rätselaufgaben zu lösen.

Dieses Ereignis fand in jedem Monat kein- bis zweimal statt, je nach dem Ergebnis der Berechnungen des Barchimedosschen Mechanismus. Er verknüpfte die elf Einsen des einen Scheibensatzes dafür über Additionen oder Subtraktionen zwischen jeweils zwei benachbarten Einsen, bis übertragen gesprochen zwischen allen Zahlen ein Plus oder Minus stand. Das Ergebnis konnte positiv, Null oder negativ sein und demgemäß fanden die Festigkeiten die entsprechende Zahl von Tagen nach dem Monatswechsel, genau zu diesem Zeitpunkt um Mitternacht oder noch im selben Monat statt.

Woran Dr Ainimsinn und sein Team gegenwärtig arbeiten, ist die drängende Frage, wie viele unterschiedliche Termine durch diese eigenwillige Verschiebbarkeit des Datums in Betracht kamen. Oder anders ausgedrückt: Wie viele unterschiedliche Ergebnisse konnte der Kalender des Barchimedos vorgeben?
Heutzutage muss sich ein renommierter Wissenschaftler wie der allseits hochgeschätzte Prof. Dr. Ainimsinn nicht mehr davor fürchten, bei Nichtlösen einer Aufgabe den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen zu werden. Aber manchmal spielen die Kollegen ja dafür Krokodil - Zeit für eine schnelle Lösung.
Und was ist das Naheliegendste bei zehn Stellen die zwei Werte annehmen können? Richtig, 210. Aber dann leider doch falsch. Denn das Kommutativgesetz beschert uns eine ganze Reihe von Dopplungen. Es ist ja völlig egal, ob eine Eins zuerst subtrahiert und dann wieder addiert wird, oder andersrum. Entscheidend ist damit die Anzahl der Minuszeichen. Und wie viele Minuszeichen können es sein? Genau, gar keins, eins, zwei, ... , zehn. Also insgesamt elf. Und genau das ist die Lösung: Elf unterschiedliche Termine kamen in Betracht.

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