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Schwarze Löcher -

Das dunkelste Geheimnis der Gravitation


Computersimulation einer leuchtenden, um 40 Grad geneigten Materiescheibe um rotierendes Schwarzes Loch

pdfpdf (1.8 MB)

Beobachtung Schwarzer Löcher

Schwarze Löcher am schwarzen Nachthimmel beobachten? Unmöglich! - So könnte sich eine voreilige Beurteilung der Frage, ob man Schwarze Löcher beobachten kann anhören. Es erinnert an die schwarze Katze, die man im Kohlenkeller nicht sieht. Und doch ist die Sachlage nicht so aussichtslos, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Um in der Metapher zu bleiben: Falls sich die schwarze Katze auf das weiße Sofa im Wohnzimmer wagt, entdeckt man sie sofort!
Ähnlich verhält es sich mit Schwarzen Löchern. Erinnern wir uns an das letzte Kapitel, so wissen wir, dass Schwarze Löcher mit ihrer Umgebung wechselwirken. Sie akkretieren Materie und Strahlung. Sie wachsen. Sie sind der Motor der hellsten Leuchtfeuer im All, der Aktiven Galaktischen Kerne. Damit wird klar, dass etwas Schwarzes vor hell leuchtendem Hintergrund sehr auffällig sein muss - wie die schwarze Katze auf dem weißen Sofa.

Ein Foto vom Stecknadelkopf

Die Astronomen haben jedoch ein ganz anders Problem: Schwarze Löcher sind kompakte Objekte, das heißt, sie nehmen nicht viel Raum ein. Entsprechend klein ist der dunkle Fleck, den Schwarze Löcher in ihrer Umgebung erzeugen. Was die Astronomen brauchen ist eine hohe räumliche Auflösung ihrer Teleskope. Dazu benutzen sie einen Trick: Viele Teleskope werden zusammengeschaltet und erhöhen damit die Lichtsammelleistung (Apertursynthese). Das Verfahren heißt Interferometrie und wurde erstmals mit Radioteleskopen wie dem Very Large Array (VLA) erprobt. Mittlerweile funktioniert das auch mit optischen Teleskopen. Am Very Large Telescope (VLT) in Chile nennt man das VLTI, das Very Large Telescope Interferometer.

In den nächsten Absätzen sollen kurz alle bislang erprobten und auch ein paar neue astronomische Verfahren vorgestellt werden, um kosmische Schwarze Löcher aufzuspüren. Eine deutlich genauere Diskussion findet der interessierte Leser in meiner Dissertation ab S.30 und in einem Konferenzbeitrag von 2007 mit dem Titel Experimental Evidence of Black Holes (pdf).

Spektro-relativistische Verifikation

Prototyp eines Emissionslinienprofils, ausgesandt nahe einem Schwarzen Loch Im Kapitel über Akkretion wurde auch geschildert, dass sich Schwarze Löcher durch ihre verheerende Wirkung auf ihre unmittelbare Umgebung bemerkbar machen. Wenn man auch nicht direkt die Strahlung vom Schwarzen Loch selbst beobachten kann, weil diese verschluckt wird, so heizt sich die Umgebung sehr stark auf, was man durch hochenergetische (thermische) Röntgenstrahlung messen kann. In diesem Bereich gibt es auch Emissionslinien von Atomen und Ionen der Elemente Eisen, Nickel und Chrom, die in unmittelbarer Nähe des Schwarzen Loches entstehen. Die Profile dieser Spektrallinien (siehe links) verraten viel über die physikalischen Eigenschaften des Systems aus Schwarzem Loch und Akkretionsscheibe wie im Web-Artikel Röntgenlinien - Sendboten von Loch und Scheibe erläutert wird. So kann man aus dem Linienprofil die Neigung (Inklination) der kalten Standardscheibe ableiten, den Rotationszustand des Schwarzen Loches folgern, die Ränder der Standardscheibe bestimmen oder etwas über das Geschwindigkeitsfeld des Plasmas erfahren. Die Methode kann prinzipiell auch mit anderen Charakteristika im Spektrum durchgeführt werden, die nur empfindlich genug auf das Loch reagieren. Das ganze Konzept kann man als spektro-relativistische Verifikation Schwarzer Löcher bezeichnen.

Eruptive Verifikation

Aber auch kurz- oder langzeitige Röntgenflares können in der Nähe Schwarzer Löcher entstehen, z.B. dann, wenn ganze Sterne sich dem Loch bis auf ihren Gezeitenradius nähern. Dann werden die Sterne von den gigantischen Gezeitenkräften bei der Annäherung zerrissen (engl. stellar tidal disruption). Für sonnenartige Sterne funktioniert diese Zerreißprobe bis zu Massen der supermassereichen Schwarzen Löcher von 110 Mio. Sonnenmassen. Für Massen darüber liegt der Gezeitenradius innerhalb des Ereignishorizonts, und der Zerriss ist prinzipiell unbeobachtbar. Spätestens jedoch bei Erreichen der Singularität (falls es sie gibt) wird jede Materiekonfiguration zerrissen, was jedoch ebenfalls generell nicht (aufgrund der kosmischen Zensur) beobachtbar ist.
Diese Sternzerriss-Ereignisse sind nach vorsichtigen Abschätzungen recht selten: Etwa alle 10 000 Jahre verirrt sich ein Stern in diese Nähe zu einem supermassereichen Schwarzen Loch in einer Galaxie. Dennoch ist erstmals dieser Zerriss eines Sterns in einer relativ weit entfernten Galaxie beobachtet wird (Komossa et al. 2004; Gezari et al. 2006). Zusammen mit den Gamma Ray Bursts, bei denen im Prinzip ohne Ausnahme immer ein stellares Schwarzes Loch gebildet wird, kann man die Röntgenflares als eruptive Nachweismethode Schwarzer Löcher auffassen. Schwierig ist es allerdings, aus den beobachteten Eruptionen eindeutige Eigenschaften des Loches oder der Umgebung abzuleiten.
Im Kapitel Thermodynamik und Hawking-Strahlung werden wir uns damit beschäftigen, dass Schwarze Löcher auch Strahlung und Teilchen abgeben können und damit gar nicht so schwarz sind, wie allgemein angenommen wird. Aufgrund eines Quanteneffekts den Stephen Hawking im Rahmen theoretischer Arbeiten entdeckt hat, geben vor allem massearme Schwarze Löcher Strahlung und Energie ab. Die Löcher können dabei sogar vernichtet werden - ein Vorgang der explosionsartig ablaufen soll, wenn die Löcher sehr leicht sind. Sollte über diesen faszinierenden Hawking-Effekt der Nachweis eines Mini-Lochs gelingen, müsste man diese Methode auch zu den eruptiven Verifikationsmethoden rechnen.

Kinematische Verifikation

Beobachtete Bewegung der Sterne um das zentrale Loch der Milchstraße Eine kinematische Nachweismethode vermisst die Bahnen von Sternen oder quasi-periodischen Flares, die sich um das Schwarze Loch bewegen. Sterne 'tanzen' mit hohen Bahngeschwindigkeiten auf elliptischen Orbits um ein Schwarzes Loch, wie Beobachtungen mit der Kamera CONICA im Nahinfrarot (NIR) beim Galaktischen Zentrum, der Quelle Sagittarius A*, abermals belegt haben (Genzel-Gruppe, MPE). Das Resultat dieser langjährigen Sternbeobachtungen im Infrarot ist in Form einer Animation mit echten Beobachtungsdaten rechts zu sehen. Die Sterne sind die punktförmigen, weiß dargestellten Quellen. Links oben variiert das Beobachtungsjahr. Rechts oben ist der Maßstab dargestellt. Hier sieht man die Sternbewegungen im Herzen der Milchstraße über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren. Das rote Kreuz markiert den Ort der zentralen, dunklen Masse, um das sich die Sterne auf Kepler-Ellipsen bewegen. Die Astronomen sind sich einig, dass im Zentrum ein supermassereiches Schwarzes Loch existiert. Die dynamischen Messungen legen einen aktuellen Wert von 3.6 Millionen Sonnenmassen für das supermassereiche Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße nahe (Eisenhauer et al. 2005). Quasi-periodische NIR- und Röntgenflares, die man nahe Sgr A* beobachtet sprechen für einen vergleichbaren Wert.
Neben Sternen können auch Gaswolken (z.B. die so genannten Broad Line Regions, BLRs) herangezogen werden, die um das Zentrum einer Galaxie kreisen, um die Masse des zentralen Lochs kinematisch zu vermessen. Reverberation Mapping, das Ausnutzen der M-σ-Relation und die Auswertung der Maser-Emission von galaktischem Gas sind ebenfalls kinematische Methoden, die detailliert im Lexikon unter supermassereiches Schwarzes Loch beschrieben werden.

Aberrative Verifikation

Eine weitere Methode beruht darauf, dass Schwarze Löcher durch ihre tiefen Potentialtöpfe die Richtung von Strahlung ablenken können. Dieses Phänomen nennt man Lensing, das beugende Objekt nennt man Gravitationslinse. Dies wäre also eine aberrative Methode, um die dunklen, kompakten Massen nachzuweisen. Es ist beobachtet worden, dass durch ein Schwarzes Loch oder eine andere kompakte, dunkle Masse zwischen Erde und heller Strahlungsquelle (zum Beispiel einem Quasar), die Strahlung um die dunkle Massenansammlung gebeugt wurde (Aberration). Auf diese Weise entstehen von ein und derselben Quelle Vielfachbilder und unter Umständen ein bekanntes Helligkeitsmuster, das man Einsteinkreuz oder Einsteinring nennt. Bei weit entfernten Quasaren, die selbst sehr aktive Galaxienkerne sind, wurden solche Mehrfachbilder beobachtet. Meist handelt es sich bei den Gravitationslinsen nicht nur um ein einzelnes supermassereiches Schwarzes Loch, sondern um einen ganzen Galaxienhaufen. Die Verifikation ist daher schwierig und würde nur bei 'engem Streifen' der Strahlung der Hintergrundsquelle am Lochhorizont funktionieren. Mit wachsendem räumlichem Auflösungsvermögen der Teleskope steigen die Chancen, dass die aberrative Methode irgendwann in vielen Fällen erfolgreich eingesetzt wird.

Gelinste kreisförmige Umlaufbahnen um ein Schwarzes Loch unter verschiedenen Blickwinkeln Der Gravitationslinseneffekt bei Schwarzen Löchern ist auch interessant in seiner Wirkung auf kreisförmige Bahnorbits. Die Ray-Tracing-Simulation rechts zeigt die verzerrten Bilder von Kreisbahnen um ein Schwarzes Loch unter verschieden geneigten Blickwinkeln auf die Bahnebene.
Die Kreisbahnen haben einen Abstand von 5 bis 10 Gravitationsradien zum zentralen, maximal rotierenden Schwarzen Loch (nicht dargestellt). Es handelt sich bei allen vier Fällen um Primärbilder, also nur um Strahlung, die direkt zum Beobachter propagiert, ohne das Loch zu umlaufen. Die klassische (scheinbar) elliptische Bahnform hat man nur bei kleinen Neigungen (Inklinationen) der Bahnebene, wie die beiden oberen Darstellungen bei 10° und 40° Neigung belegen. Bei höheren Inklinationen hingegen, etwa ab 60° machen sich deutlich die relativistischen Linseneffekte bemerkbar: Der Beobachter blickt zwar eher auf die Kante der Bahnebene, aber die Strahlung wird um die kompakte Masse herumgebeugt. So kann man auch Bereiche direkt hinter dem Loch beobachten, die sich im geometrischen Schatten befinden und Newtonsch unbeobachtbar wären!
Bei der hier höchsten Inklination von 88° (was sehr nahe am Maximum von 90° liegt) erhält man ein stark verzerrtes Abbild des Orbits: Obwohl der Beobachter fast exakt auf die Kante der Bahnebene schaut, wo die klassische Ellipse wie eine Linie erscheinen und der Orbiter auf ihr hin- und her oszillieren würde, sieht man in diesem gelinsten Beispiel den hinteren Teil des Bahnorbits! Leider reichen die aktuellen Auflösungen der Teleskope nicht aus, um solch befremdliche Bahnbewegungen am Himmel zu beobachten. Wenn dies gelänge könnte man auch hier den Umlaufsinn der Lochrotation direkt sehen.

Im hier gerechneten Beispiel rotiert das Loch maximal (Kerr-Parameter a ~ M) im Gegenuhrzeigersinn. Deshalb befindet sich bei der Bahnform unter 88° die kleine Ausstülpung der beobachteten Bahn links unten. Auf der gleichen Seite zeigen leuchtende Standardakkretionsscheiben das charakteristische Vorwärts-Beaming, ein Gebiet hoher Blauverschiebung.
Neben der starken Abhängigkeit von der Inklination, spielt natürlich der Abstand des Orbits zum Loch eine gewichtige Rolle. Bei großen Abständen verschwinden die relativistischen Linseneffekte, weil man in den asymptotisch flachen Bereich der Raumzeit Schwarzer Löcher kommt. Dieser Fall ist aktuell bei demjenigen Stern mit der Bezeichnung S2 beobachtbar, der als Stern mit engster Bahn das supermassereiche Schwarze Loch im Galaktischen Zentrum umkreist (siehe Film oben). S2 ist zwar mit einer Periastron-Entfernung von 17 Lichtstunden sehr nahe am Loch, doch entspricht diese Entfernung im relativistischen Einheitensystem mehr als 4000 Gravitationsradien! Diese Distanz ist zu groß (vergleiche 5 bis 10 Gravitationsradien in der Abbildung), als dass starke relativistische Effekte, wie Linsenbeugung eine Rolle spielen würden: die Bahnform von S2 ist eine exakte Kepler-Ellipse, wie mit Very Large Telescope (VLT) verifiziert werden konnte.
Es ist davon auszugehen, dass das Auflösungsvermögen in naher Zukunft so hoch sein wird, dass man diese Bahnformen bei einem Orbiter um ein Schwarzes Loch beobachten wird. Das wäre ebenfalls eine Form von aberrativer Verifikation, die das Potenzial hat, die Eigenschaften des Loches zu verraten.

Die Verhältnisse sind bei linsenden Schwarzen Löchern aber tatsächlich noch komplizierter: Neben den dargestellten Primärbildern entstehen Bilder höherer Ordnung dadurch, dass eng am Loch vorbeilaufende Strahlung das Loch mehrfach umrunden kann (unter gewissen Umständen kann es sogar auf dem Photonenorbit eingefangen werden (siehe dazu auch Kerr-Lösung). So gibt es im Allgemeinen auch noch Sekundär- und Tertiärbilder, die es ermöglichen, die Bahnorbits gleichzeitig von oben und unten zu beobachten! Außerdem bilden sich so genannte Einstein-Ringe aus, wenn ein leuchtender Orbiter direkt zwischen Loch und Beobachter steht: das Bild des Strahlers ist durch den Linseneffekt in diesem symmetrischen Sonderfall zu einem leuchtenden Ring verzerrt worden. Diese Effekte beobachtet man auch ohne Schwarze Löcher bei den Mikrolinsen. Der Ring wird nicht als Bild aufgelöst, sondern ist photometrisch aus einem charakteristischen Anstieg der Lichtkurve ableitbar.

Obskurative Verifikation

Erscheinungsbild einer dünnen Gasscheibe und eines Kerr-Loch bei verschiedenen Neigungen

Vielleicht ist es sogar möglich, direkt die Absorption der Strahlung am Ereignishorizont mit Hilfe von Radiowellen oder anderen Strahlungsformen zu detektieren. Die Abbildung oben zeigt eine Sequenz des Erscheinungsbildes von verschieden stark geneigten Standardakkretionsscheiben, die mittels Kerr Ray Tracing visualisiert wurden (A. Müller 2004). Die Winkelangabe ist gerade der Neigungswinkel der Scheibe zum Beobachter: Bei 1° (links oben) schaut man direkt von oben auf die Scheibe; es zeigen sich kaum Verzerrungen. Bei 70° (rechts unten) schaut man fast auf die Kante der Scheibe; der hintere Teil erscheint hochgebogen, weil die Lichtstrahlen um das Loch durch Linseneffekte gebeugt werden. Die farbkodierte Größe ist der relativistisch verallgemeinerte Doppler-Faktor (g-Faktor) in der vierten Potenz. Jede Strahlungsform aus dem Bereich Schwarzer Löcher wird um diesen dominanten Faktor gewichtet. Die weiße Aussparung in der Mitte ist die Berandungsfläche des Ereignishorizonts, der sich direkt an den Scheibeninnenrand anschließt. Zwischen diesen beiden Extremen sieht man, wie einerseits die Emission durch speziell relativistische Doppler-Blauverschiebung auf der linken Seite verstärkt wird (Forward Beaming) und andererseits rechts stark unterdrückt durch Doppler-Rotverschiebung wird (Back Beaming). In allen Fällen gilt jedoch, dass man sehr deutlich ein schwarzes Gebiet um das Schwarze Loch sieht. Denn in direkter Umgebung um den Horizont nimmt der Rotverschiebungsfaktor so stark ab, dass er jede Emission in diesem Bereich unterdrückt! Diese Gravitationsrotverschiebung verrät die Position des Lochs. Würde ein Astronom zufällig gerade über diesen 'Großen Schwarzen Fleck' (Great Black Spot GBS, Dissertation A. Müller 2004) mit einem sehr auflösungsstarken Teleskop schwenken, so würde er einen signifikanten Abfall in der Emission messen können. Die Entwicklung der VLBI-Technologie für Wellenlängen im Submillimeterbereich lässt darauf hoffen, dass die Auflösung in den kommenden Jahren dazu ausreichen könnte, zumindest für den kosmisch nächsten Kandidaten für ein supermassereiches Schwarzes Loch (etwa drei Millionen Sonnenmassen), nämlich im Zentrum der Milchstraße in 8 kpc (~ 26 000 Lj) Entfernung, diesen direkten Nachweis eines Schwarzen Loches zu erbringen. Die Quelle Sgr A* im Sternbild Schütze ist ein wahrscheinlicher Kandidat dafür und wird bereits lange intensiv beobachtet. Ein anderer guter Kandidat ist M87. Im Bereich der Millimeterwellen erreichen die Radioastronomen bereits räumliche Auflösungen von 15-20 Schwarzschild-Radien in der Entfernung von M87 (Krichbaum et al. 2006). Die direkte Beobachtung der unmittelbaren Umgebung des Schwarzen Loches ist damit greifbar. Das Nachweisprinzip, bei dem die Schwärze des Loches direkt fotografiert wird, könnte man obskurative Verifikation nennen. Das Attribut obskurativ leitet sich vom lateinischen Wort obscuratio ab, das übersetzt Dunkelheit heißt. Die Dunkelheit oder Schwärze ist die Schlüsseleigenschaft bei dieser Nachweismethode.

Akkretive Verifikation

Unter der akkretiven Verifikation Schwarzer Löcher kann man Folgendes verstehen: Ist in der Umgebung Schwarzer Löcher ausreichend interstellares Gas vorhanden, so wird es vom Loch aufgesammelt. Bei dieser Akkretion heizt sich das Gas zu einem heißen, ionisierten und magnetisierten Akkretionsfluss auf. Die Heizung erfolgt einerseits hydrodynamisch über Turbulenz und dissipative Viskosität, also im Prinzip Reibung der Plasmateilchen in der zähen Strömung, aber andererseits auch magnetohydrodynamisch über Rekonnexion, also der Vernichtung von Magnetfeldern entgegengesetzter Polarität. Die in den Feldern gespeicherte Energie wird so auf das Plasma in Form kinetischer Energie übertragen. Aber auch Strahlungsprozesse (Bremsstrahlung, Comptonisierung, Synchrotronstrahlung etc.) spielen eine große Rolle bei Heizung und Kühlung des Akkretionsflusses - wie bei der Erweiterung der NRAF-Modelle im Kapitel Akkretion diskutiert wurde. Letztendlich wird ein großer Teil des strömenden Plasmas vom Schwarzen Loch aufgesammelt, reichert es mit noch mehr Masse an und vergrößert es damit. Das Gas leuchtet dabei unter kräftiger und variabler Emission in allen Spektralbereichen und sorgt nach dem AGN-Paradigma für die typischen enormen Leuchtkräfte aktiver Galaxienkerne bis zu 1047 erg/s. Diese Aktivität verrät also implizit unter Verwendung der Relation für die Eddington-Leuchtkraft die Existenz supermassereicher Schwarzer Löcher in den Galaxienzentren. Das ist die einzige Erklärung, die bisher die theoretische Astrophysik bietet.

Illustration eines Mikroquasars Ist eines der Objekte in Binärsystemen ein Schwarzes Loch - Astronomen bezeichnen sie dann allgemein als Black Hole X-ray Binary (BHXB), in speziellen Fällen Mikroquasar oder Mikroblazar - , so gibt es auch hier ganz erstaunliche Effekte: Materie kann vom Begleiter (beispielsweise einem Riesenstern) durch den inneren Lagrange-Punkte (hier heben sich die Gravitationskräfte der beiden Sterne auf) abfließen, vorausgesetzt der Begleiter überschreitet sein Roche-Volumen. Alternativ kann die Materie auf vom Wirtsstern in Form eines kräftigen Sternwinds seinen Weg auf die kompakte Komponente finden.
Da die Materie Drehimpuls besitzt (Rotation des Begleiters) spiraliert sie in einer Akkretionsscheibe in das Schwarze Loch. Dort, wo der Akkretionsstrom des Wirts auf die Scheibe trifft, bildet sich ein heißer Fleck (engl. hot spot) aus, der in Lichtkurven typischerweise als charakteristische Variation auftritt. Durch innere Viskositäten und Rekonnexion der Magnetfelder in der Akkretionsscheibe heizt sich das Plasma stark auf und strahlt ein Planckspektrum (Schwarzkörperspektrum) ab, also Wärmestrahlung. Synchrotronstrahlung ist ebenfalls wichtig, weil sie den heißen Akkretionsstrom auf sehr kurzen Zeitskalen kühlt (nur einige Millisekunden bei den Elektronen!).
Sind es sogar zwei Schwarze Löcher, die sich umkreisen, so verliert das System durch die Abstrahlung von Gravitationswellen Energie. An sich passiert das bei allen Doppelsternen, aber der Energieverlust ist bei einem binären kompakten Objekt besonders gravierend bzw. die Abstrahlung besonders effizient. Als Folge nähern sich die kompakten Objekte sukzessiv an, bis sie schließlich verschmelzen. Dies wird als Ursache für die umstrittenen kurzeitigen (d.h. kürzer als 2 Sekunden) Gamma Ray Bursts (GRB) favorisiert. Es handelt sich dabei um spontane, kurzzeitige Ausbrüche im hochenergetischen Bereich der elektromagnetischen Strahlung, die isotrop über den Himmel verteilt auftreten. Es sind also Ereignisse, die nicht bevorzugt in der Milchstraße, sondern in allen möglichen Galaxien im Universum aufzutreten scheinen! Die hochenergetische Gammastrahlung kennt man auf der Erde von bestimmten radioaktiven Atomkernen. Bei den länger andauernden GRBs nimmt man hingegen an, dass sehr massereiche Sterne (z.B. Wolf-Rayet-Sterne) einen der Supernova ähnlichen Prozess am Ende ihrer Entwicklung durchlaufen, den Astronomen auch Hypernova nennen. Auch bei diesen Kollapsen entsteht ein stellares Schwarzes Loch und außerdem ein ultrarelativistischer Jet, also ein Teilchenstrom, der weit aus dem System aus Schwarzem Loch und Akkretionsfluss hinausgetragen wird.

Immer wenn Astronomen solche aktiven Schwarzen Löcher in AGN, BHXBs oder GRBs anhand der Spektren, Lichtkurven oder anderer Diagnoseinstrumente identifizieren, haben sie eine akkretive (oder alternativ eruptive) Verifikation eines Schwarzen Lochs durchgeführt.

Temporale Verifikation

Temporale Methoden haben etwas mit Zeit zu tun. Dabei wird der Effekt der Einsteinschen Theorie ausgenutzt, der besagt, dass Massen das Zeitmaß beeinflussen. Dieser Zeitdilatationseffekt wurde sogar auf der Erde nachgewiesen, im Experiment Gravity Probe-A, bei dem der Einfluss der Erdmasse auf Atomuhren nachgewiesen wurde, die in Flugzeugen installiert waren und in verschiedenen Höhen flogen. Generell gilt: Je näher die Uhr bei der Masse ist, umso langsamer tickt sie. Bergbewohner altern schneller als Talbewohner. Piloten altern schneller als Busfahrer - ein Sachverhalt, der die Berufswahl erleichtern könnte.
Dieser Effekt ist gravierend bei Schwarzen Löchern, weil sie um ein Vielfaches kompakter sind, als die Erde (siehe dazu Tabelle im Lexikoneintrag kompaktes Objekt). Nun müsste man nur eine Uhr zu einem Schwarzen Loch schicken - das ist allerdings gar nicht notwendig, weil es in der Nähe der Löcher eine Reihe natürlicher Uhren gibt, z.B. ein periodisch um das Loch kreisender Stern oder ein heißer Fleck in der Akkretionsscheibe. Wenn dieser Orbiter sehr nah um das Loch kreist, wird sein Zeitmaß stark gedehnt. Diesem Effekt unterliegt auch die Lichtkurve, die der Astronom beobachtet (Cunningham & Bardeen 1973). Die Lochmasse und sogar sein Rotationsparameter folgen aus einer Analyse dieser Bewegungen.

Gravitationswelleninduzierte Verifikation

Im Jahr 1916 sagte Albert Einstein Gravitationswellen kurz nach der Publikation seiner Allgemeinen Relativitätstheorie voraus. Es handelt sich dabei um die dynamische Raumzeit selbst, die sich wellenförmig verbiegt. Dies geschieht dann, wenn Massen oder andere Energieformen beschleunigt werden.
Die Raumzeit ist jedoch ein recht steifes Gebilde und lässt sich nur mit erheblichem Aufwand verbiegen. Es bedarf schon sehr heftigen Beschleunigungen von Massen, am besten von kompakten Objekten, um eine Gravitationswelle ausreichender Amplitude zu erzeugen.
ULIRG NGC 6240 - der doppelte AGN In der Astrophysik sind gute Kandidaten für Gravitationswellenstrahler Doppel- oder Mehrfachsternsysteme aus kompakten Objekten, z.B. ein Binärpulsar oder ein Binär-Loch. Beide Typen wurden astronomisch entdeckt: der Binärpulsar PSR1913+16 (Hulse-Taylor-Pulsar) und das supermassereiche Binär-Loch im ULIRG NGC 6240! Die Natur des doppelten AGN ist mit dem Röntgensatellit Chandra enthüllt worden (siehe Röntgenfoto rechts; Credit: Komossa et al. 2002, MPE, Chandra).
Auch die Explosionen massereicher Sterne, die Supernovae und Hypernovae, sind gute Emitter von Gravitationswellen. Es besteht jedoch ein wichtiger Unterschied zwischen diesen beiden Beispielen: Doppelsterne sind kontinuierliche Quellen von Gravitationswellen, wohingegen Sternexplosionen nur kurze Ausbrüche zeigen, die wieder vergehen. Letztere heißen auch Burstquellen.

Wie im historischen Abriss dargelegt, gelang es 2001 Gravitationsforschern am AEI die Kollision zweier Schwarzer Löcher auf Hochleistungsrechner zu simulieren (Alcubierre et al. 2001). Ein wichtiges Resultat ist dabei das Spektrum an Gravitationswellen, das dabei abgestrahlt wird. Dabei ist nicht nur die Emission im Kollisionsmoment von Bedeutung, sondern auch davor, wenn sich die Quellen umkreisen und - durch den Energieverlust des Systems - immer näher kommen. Die Fachleute sprechen auch von der ring down phase, wenn charakteristische Frequenzen im Gravitationswellenspektrum immer höher werden, weil sich die Binäre annähern.

Von theoretischer Seite weiß man also schon recht viel über Gravitationswellen. Die Relativisten haben schon eine recht klare Erwartungshaltung, was sie messen sollten. Mittlerweile wissen die Forscher, dass je nach Typ des Gravitationswellenemitters eine bestimmte Signatur, nämlich ein bestimmtes Spektrum vorliegt. So kann man umgekehrt vom Spektrum her einen Befund durchführen, was da strahlt. Hier setzt nun die Grundidee der gravitationswelleninduzierten Verifikation Schwarzer Löcher an. Denn es sollte nach allem, was heute bekannt ist, sehr gut möglich sein, anhand der gemessenen Gravitationswellen ein Schwarzes Loch zu entdecken. In der Form der Gravitationswellen sind sogar eindeutige Spuren der klassischen Schwarzen Löcher verborgen, die klar auf den Ereignishorizont hinweisen (Ryan 1995, Hughes 2001). Damit stellt die gravitationswelleninduzierte Methode die einzige Technik zur Verfügung, um sicher ein klassisches Schwarzes Loch nachzuweisen, wie es Einsteins Theorie vorhersagt. Verifikationsmethoden, die auf elektromagnetischer Emission beruhen, haben immer eine letzte Unsicherheit, so dass hier der Beweis des Horizonts prinzipiell unmöglich ist (Abramowicz et al. 2002; Müller 2007).

'Einziges Problem' ist, dass es bisher noch nicht gelungen ist, Gravitationswellen überhaupt direkt nachzuweisen! Das liegt daran, weil sie einen so geringen Effekt im Labor erzeugen: Die relative Längenänderung beträgt nur 10-18! Anschaulich gesprochen deformiert eine Gravitationswelle eine Länge von einem Lichtjahr nur um den Durchmesser eines menschlichen Haares!
Beim besagten Hulse-Taylor-Pulsar allerdings ist es gelungen, die beobachtete Dynamik des Systems durch die Abstrahlung von Gravitationswellen zu erklären! Dieser indirekte Nachweis von Gravitationswellen wurde 1993 mit dem Nobelpreis für Physik für Russel A. Hulse und Joseph H. Taylor Jr. prämiert. Die Aussichten auf die Existenz dieser Einsteinschen Wellen sind also viel versprechend. Nach Jahrzehnten der Vorbereitung und erfolglosen direkten Suche gibt es nun allerdings sehr Erfolg versprechende Großprojekte wie LIGO, LISA und Geo600 - um nur ein paar Gravitationswellendetektoren zu nennen. Die Experten sind sich sicher, dass es Gravitationswellen geben muss und dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Experimente empfindlich genug sind, um Gravitationswellen messen zu können und das neue Fenster der Gravitationswellenastronomie aufzustoßen.

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Übersicht

Schwarze Löcher - Akkretion Schwarze Löcher - Kosmologie


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Andreas Müller © Andreas Müller, August 2007