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Gefahren der Ernährung: Darf man Spinat wieder aufwärmen?

»Wehe, wenn er wieder aufgewärmt«, warnt eine alte Küchenweisheit vor Spinat. Darf man bereits gekochten Spinat aufwärmen oder nicht?
Aufgewärmter Spinat

Ob frisch oder tiefgekühlt, mit oder ohne Blubb: Durch erneutes Erhitzen entstehen im bereits gekochten Spinat keine zusätzlichen Giftstoffe. Womöglich sind diese aber schon drin, wenn die Spinatreste schon einige Zeit darauf warteten, verspeist zu werden. Wobei für die Frage "Giftig oder nicht?" ausschlaggebend ist, wie man die grüne Delikatesse zwischenzeitlich aufbewahrt hat – und wer sie verzehrt. Wird der Restspinat schnell gekühlt, abgedeckt und nicht länger als zwei Tage gelagert, spricht nichts dagegen, ihn später noch einmal aufzuwärmen. Allerdings: Unbedenklich ist diese Art der Resteverwertung nur für Erwachsene. Säuglingen sollte man keinen wieder aufgewärmten Spinat vorsetzen – denn das möglicherweise darin enthaltene Nitrit kann bei ihnen im schlimmsten Fall lebensbedrohlichen Sauerstoffmangel hervorrufen.

Aber wie kommt das unangenehme Nitrit ausgerechnet in Spinat? Es entsteht allmählich aus dem an sich nicht gesundheitsgefährdenden Nitrat, das Spinat von Natur aus enthält. Nitrit kann einerseits den Sauerstoffgehalt im Blut beeinträchtigen, andererseits bildet es in Verbindung mit bestimmten Eiweißabbauprodukten Nitrosamine, die unter Umständen Krebs erregend sind.

Für die Umwandlung von Nitrat in Nitrit braucht es spezielle Bakterien, die in Mund, Magen und vor allem im Spinat selbst vorkommen. Bewahrt man Spinat ungekühlt auf, beispielweise bei Zimmertemperatur, fühlen sich diese Bakterien pudelwohl, vermehren sich und beginnen mit ihrem Geschäft der Umwandlung von Nitrat in Nitrit. Schon nach zwei Tagen Aufbewahrung bei Raumtemperatur können so etwa 400 Milligramm pro Kilo Spinat entstehen. Hält man den Spinat gekühlt, sind Bakterien und mit ihnen die Nitritbildung kaltgestellt.

Warum ist Nitrit giftig?

Nitrit kann in unserem Körper einen Sauerstoffmangel verursachen, weil es mit Hämoglobin – enthalten in den roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport zuständig sind – zu Methämoglobin reagiert, das wiederum keinen Sauerstoff transportiert. Ein gewisser Methämoglobin-Anteil im Blut ist normal und bleibt ohne Folgen. Um ihn auf einem ungefährlich niedrigen Level zu halten, verfügen wir über einen Schutzmechanismus: ein körpereigenes Enzym namens Methämoglobin-Reduktase. Es überführt Methämoglobin wieder in Hämoglobin.

Neugeborenen und Säuglingen fehlt dieser Schutz, denn in den ersten sechs Lebensmonaten ist das Enzym nur bedingt vorhanden. Bei Babys können bereits kleine Mengen Nitrit, die aufgewärmter Spinat enthalten kann, lebensgefährlichen Sauerstoffmangel verursachen. Ein auffälliges Symptom der so genannten Methämoglobinämie ist die Zyanose, die Blausucht, bei der die Haut violett bis bläulich erscheint. Nimmt man Blut ab, ist es auf Grund des hohen Anteils von Methämoglobin schokoladenbraun statt rot. Der Sauerstoffmangel verursacht oft Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerzen, Atemnot, Benommenheit und beschleunigt den Herzschlag.

Wer bei seinem Nachwuchs auf Nummer sicher gehen und trotzdem nicht auf die Vorzüge des gesunden Gemüses verzichten will, kann ohne Bedenken spinathaltige Säuglingsnahrung verfüttern. Denn sie erfüllt strenge Richtwerte in Bezug auf Nitrat und Nitrit. Auch Kleinkinder können empfindlich auf Nitrat oder Nitrit reagieren. Vorsichtshalber sollte man Kindern unter drei Jahren nur frisch zubereiteten oder Spinat aus dem Gläschen vorsetzen, rät die Stiftung Warenstiftung.

Spinat aufwärmen: Ja oder nein?

Egal ob Tiefkühlkost, frischer oder Rahmspinat. Für Erwachsene ist die möglicherweise entstandene Nitritmenge in wieder aufgewärmtem Spinat, der gekühlt und für maximal zwei Tage aufbewahrt wurde, ungefährlich. Sie ist so gering, dass sie den Sauerstofftransport im Blut nicht merklich beeinflusst.

Komplizierter wird's bei den so genannten Nitrosaminen, die Nitrit mit bestimmten Eiweißabbauprodukten, den sekundären Aminen, bildet. Sekundäre Amine kommen in vielen Lebens- und Arzneimitteln vor, können aber auch aus körpereigenen Aminen bei der Verdauung im Magen entstehen. Im Tierversuch haben Nitrosamine sich teilweise als stark krebserregend erwiesen. Ob und in welchem Umfang diese Wirkung auch für den Menschen gilt, ist umstritten.

Ludwig XVIII. – königlicher Spinatliebhaber | Spinatreste gab es in Versailles vermutlich nie – unter anderem, weil Ludwig XVIII. angeblich süchtig nach der grünen Delikatesse war. Als ihm seine Leibärzte Spinatverbot erteilten, soll er geschrien haben: »Was! Ich bin König von Frankreich und darf keinen Spinat essen!?«

Um eine mögliche Gefährdung des Verbrauchers zu verhindern, hat der Gesetzgeber Grenzwerte für den Nitratgehalt in Lebensmitteln festgelegt. Sie gelten für Trinkwasser, Säuglingsnahrung und die am stärksten nitrathaltigen Gemüsearten. Vergleichsweise hohe Nitratgehalte, also Werte über 1000 Milligramm Nitrat pro Kilogramm Frischsubstanz, enthalten vor allem Blatt- und Wurzelgemüse, zu denen neben Spinat zum Beispiel Rote Beete, Radieschen, Rettich, Kopfsalat, Feldsalat und Mangold zählen. Spezielle Ernte- und Anbaumaßnahmen sollen die Nitratgehalt so gering wie möglich halten. Dabei ist Nitrat nicht per se ungesund. Eher im Gegenteil: Nitrat wirkt gefäßerweiternd und dadurch blutdrucksenkend. Einige Ernährungsexperten schreiben der anorganischen Verbindung sogar eine positive Wirkung auf den Blutzuckerspiegel zu. Laut Wissenschaftlern des schwedischen Karolinska-Instituts fördern im Spinat enthaltene Nitrate auch das Wachstum von Muskeln.

Der Nutzen einer gemüsereichen Ernährung überwiegt das mögliche Risiko durch Nitrat- und Nitritgehalte um ein Vielfaches, so das Bundesinstitut für Risikoeinschätzung. Wer viel Gemüse isst, dabei auf Abwechslung und fachgerechte Zubereitung achtet, muss sich also keine Sorgen machen. Wer Nitrosaminen gänzlich aus dem Weg gehen will, sollte möglichst wenig Nitrit beziehungsweise Nitrat zu sich nehmen. Wer gerne Spinat oder anderes nitratreiches Gemüse schlemmt, kann der Entstehung von Nitrosaminen vorbeugen, indem er Zitronensaft über die zubereitete Kost träufelt: Vitamin C fängt Nitrit ab, bevor es mit den Aminen reagiert.

Nitratbewusst einkaufen, zubereiten und aufwärmen

Wer »nitratbewusst« einkaufen will, sollte zu frischem Spinat greifen, der in lichtstarken Monaten geerntet wurde, denn der enthält vergleichsweise wenig Nitrat. Als Grundregel gilt: mehr Licht, weniger Nitrat. Den Spinat gilt es möglichst frisch zu verzehren, und beim Putzen sollte man Stiele und große Blattrippen von den frischen Spinatblättern entfernen – sie enthalten besonders viel Nitrat. Durch gründliches Waschen und anschließendes Blanchieren lässt sich der Nitratgehalt um bis zu 80 Prozent verringern: Nitrat ist wasserlöslich.

Stärkung aus der Blechbüchse
Der Comic-Held Popeye schert sich nicht um's Aufwärmen und isst seit 1933 stets frisch aus der Dose. Den Spinatkonsum soll der Zeichentrick-Matrose in den Vereinigten Staaten um ein sattes Drittel angekurbelt haben.

Zusammengefasst: Die Warnung vor aufgewärmtem Spinat ist ein überholtes Relikt aus Zeiten, in denen man noch keinen Kühlschrank besaß. Waren die Augen größer als der Magen, kann man die Reste von bereits gegartem Spinat ohne Bedenken ein weiteres Mal erhitzen – vorausgesetzt, man beherzigt diese Tipps:

  • Übrig gebliebenen Spinat nicht warmhalten, sondern schnell kühlen: zum Beispiel in einem kalten Wasserbad.
  • Den Spinat in einem abgedeckten oder geschlossenen Behälter im Kühlschrank aufbewahren.
  • Den Spinat nach spätestens zwei Tagen verwerten.
  • Aus dem Kühlschrank direkt auf den Herd oder in die Mikrowelle und den Spinat schnell und kurz erhitzen.
  • Den Spinat gleich genießen und nicht lange warmhalten.

Will man andere nitratreiche Gemüsesorten wie Mangold, Grünkohl oder Rote Bete erneut erhitzen, gelten dieselben Regeln. Mehr als einmal sollte man bereits gekochten Spinat übrigens nicht erhitzen. Das ist zwar nicht zwangsläufig schädlich, aber – abgesehen von seiner begrenzten Haltbarkeit – verliert der Spinat mit jedem Aufwärmen wertvolle Vitamine und Mineralstoffe.

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