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Dark Mode: Warum sind die Bildschirmfarben beim Programmieren oft umgekehrt?

Grün leuchtende Zeichen, die über einen schwarzen Monitor flimmern. In Filmen wird dieses Klischee vom Programmieren gerne aufgegriffen, um dem Coden einen düsteren, mysteriösen Touch zu geben. Aber woher kommt es, dass viele Programmierer oft mit Bildschirmfarben arbeiten, die genau andersherum dargestellt werden, als die meisten von uns gewohnt sind? Schwarzer Grund und helle Schrift: Hat das sensorische, psychologische oder traditionelle Gründe?
Matrix  - Fallende Buchstaben

Ob zum Vergnügen oder während der Arbeit: Viele von uns verbringen einen Großteil des Tages damit, auf blendend helle Bildschirme zu schauen. Wahrscheinlich auch jetzt gerade, wenn Sie diesen Artikel klassisch online als schwarzen Text auf hellem Hintergrund lesen.

Dabei gibt es natürlich eine Alternative zur grellen Benutzeroberfläche, den so genannten Dunkelmodus oder Dark Mode. Er kehrt weißen Hintergrund und schwarzen Text um und präsentiert weiße oder hellfarbige Zeichen auf dunkler Fläche. Diese Bildschirmdarstellung nutzen traditionell viele Programmentwickler bei der Arbeit. Und sie scheint seit einiger Zeit ganz allgemein trendy: In den letzten Jahren haben viele Websites, Betriebssysteme und Anwendungen eine dunkle Version des hellen Designs im Angebot. So brachte Googles Chrome-Browser 2012 eine entsprechende Erweiterung auf den Markt, 2016 zog der Dunkelmodus dann bei Twitter ein, und 2017 brachten Youtube, Android und Apple iOS ihre eigenen Dark Modes auf den Markt. Andere haben auch Anfang 2021 noch am Feinschliff gearbeitet, etwa Facebook. Zumindest mit ihrer offiziellen eigenen App, denn die User der Social-Media-Plattform haben die Dunkeldarstellung längst in allerlei Facebook-Apps von Dritten einstellen können. Sich mit digitaler Dunkelheit zu umgeben, scheint jedenfalls vielen ein Bedürfnis zu sein, nicht nur den Computer-Nerds und -Profis. Nur warum?

Bildschirm, Mattscheibe, Monitor, Display

Hell-auf-Dunkel statt Schwarz-auf-Weiß: Neu ist das nicht. Schon auf den ersten interaktiven Computerbildschirmen der 1960er Jahre sah man helle Zeichen auf dunklem Grund. Dieses Design war damals allerdings der Anzeigetechnik geschuldet. Denn die erste Generation solcher Computerbildschirme beruhte auf dem Prinzip der Kathodenstrahlröhre, der CRT (Cathode Ray Tube) oder auch Braun'sche Röhre genannt: einer Elektronenkanone, die auf einen Bildschirm mit Leuchtschicht zielt. Wo der Elektronenstrahl auf den Bildschirm trifft, leuchtet er, je nach Beschichtung der Mattscheibe, zum Beispiel weiß, giftgrün oder bernsteinfarben. Wo der Bildschirm nicht unter Beschuss steht, bleibt er dunkel. Dieses einfache und energieeffiziente Prinzip »Elektronenstrahl schreibt hell auf den sonst dunklen Bildschirm« hat das Erscheinungsbild der ersten Computerdisplays geprägt.

Es blieb aber nicht beim dunklen Hintergrund, und daran schuld war eine Erfindung aus dem legendären Forschungslabor Palo Alto Research Center, kurz PARC. Dort entwickelten einige der brillantesten Köpfe der Computerwissenschaft neuartige Rechnerkonzepte und -technologien. Eine war die Rastergrafik (auch: Bitmap), die die Bildschirmdarstellung revolutionieren und dem hellen Hintergrund Aufschwung verschaffen sollte. Die Rastergrafik ermöglichte, einzelne Bildpunkte auf der Mattscheibe anzusteuern und in jeder beliebigen Helligkeit und Farbe leuchten zu lassen. Bis dahin hatten die meisten Computer nur Zahlen und Buchstaben auf dem Bildschirm zeigen können. Die Rastergrafik machte dagegen alle möglichen Schriftarten, Designs und Grafiken möglich und erlaubte etwas Revolutionäres: die grafische Bedienoberfläche.

Es war 1973, als die PARC-Forscher »Xerox Alto« entwickelten, den ersten Arbeitsplatzrechner mit grafischer Bedienoberfläche. Er brachte, Rastergrafik sei Dank, die Büroumgebung auf den Monitor: einen Tisch, auf dem verschiedene Dokumente und Ordner liegen, einen Taschenrechner und einen Papierkorb. Diese Bedienelemente lösten – in Kombination mit der bereits vorher von Doug Engelbart erfundenen Bedienhilfe Maus – Textbefehle als vorherrschendes Mittel der Interaktion mit dem Computer ab. Obendrein imitierte der Rechner mühelos das Arbeiten auf Papier: mit schwarzem Text auf weißem Grund.

Pionier von Xerox
Der Gamechanger Xerox Alto: Der erste Monitor mit grafischer Bedienoberfläche brachte Papier auf den Monitor und ebnete damit auch dem Personal Computer den Weg.

Ein Meilenstein, schließlich ebnete genau diese Darstellung den Weg für verbraucherfreundliche Textverarbeitungsprogramme. Das vertraute Design, das dem Arbeiten auf Papier glich, führte auch Menschen an den Computer, die keine Programmierer waren. »Was du siehst, ist das, was du bekommst« – das Arbeitsergebnis schon vor der endgültigen Ausgabe auf dem Bildschirm sehen zu können, dieses Ideal (kurz: WYSIWYG, für englisch: What You See Is What You Get) strebten die PARC-Wissenschaftler an.

What You See Is What You Get

Schwarzer Text auf weißem Grund, das entsprach einerseits dem WYSIWYG-Ideal, widersprach jedoch andererseits der natürlichen Funktionsweise der Kathodenstrahlröhre. Denn den gesamten Hintergrund statt weniger Zeichen zum Leuchten zu bringen, war deutlich aufwändiger und verbrauchte mehr Energie.

Nicht ganz unschuldig an der papier- bzw. bürokonformen Pionierarbeit des PARC-Teams war sicherlich auch dessen Auftraggeber, der US-amerikanische Fotokopiergeräte-Hersteller Xerox. Das Büro der Zukunft, das »Office of the Future« – dafür sollte geforscht werden. Natürlich nicht uneigennützig, denn die Ergebnisse sollten Xerox weiterhin einen Platz an der Spitze der Bürotechnikhersteller sichern.

Nostalgie, Tradition und Hacker-Vibe

Wenn Programmierer heute helle Schrift auf dunklem Grund beim Arbeiten bevorzugen, dann höchstwahrscheinlich nicht, weil sie damit Energie sparen. Denn die inzwischen gängigen Flüssigkristallbildschirme (englisch: Liquid Crystal Display, kurz: LCD), die die Kathodenstrahlröhrenbildschirme längst abgelöst haben, verbrauchen im hellen Modus genauso viel Energie wie im dunklen: Unabhängig vom Bildinhalt werden LC-Bildschirme über die gesamte Anzeigenfläche konstant beleuchtet, während die Flüssigkristalle das Licht entsprechend filtern, um ein Bild zu erzeugen.

Anders bei der nächsten Bildschirmtechnikgeneration, den so genannten OLED-Monitoren (englisch: Organic Light Emitting Diode, kurz: OLED, organische Leuchtdiode): Hier spart der Dunkelmodus tatsächlich wieder Energie. Vor allem Smartphones und Tablet-Computer sind mit OLED-Displays ausgestattet, die im Dunkelmodus den Akku schonen.

Ob dies bei den neuen Geräten noch ausschlaggebend ist, bleibt dahingestellt. Fragt man Programmierer, die schwarzen Hintergrund mit weißem oder farbigem Text bevorzugen, nach Gründen, wird schnell klar, dass Energieeffizienz hier keine Rolle spielt. Viele empfinden das invertierte Farbschema als augenschonender, und wer schon mal im stockdunklen Schlafzimmer auf den voll beleuchteten Handybildschirm linst, kann das nachvollziehen. Manche meinen, im Dark Mode die Struktur einer Programmiersprache schneller erfassen zu können. Handfeste Belege gibt es für beides nicht. Stattdessen sprechen eine Reihe von Studien für das Gegenteil, nämlich, dass dunkler Text auf hellem Hintergrund die Leseleistung verbessert. Der Dunkelmodus ergibt, so gesehen, wenig  Sinn.

Welche Pille hätten's denn gern?
Folge dem weißen Kaninchen: Der Science-Fiction-Film »Matrix« aus dem Jahr 1999 hat das Hackerklischee nachhaltig geprägt – dabei war technisch damals schon viel mehr möglich als leuchtend grüne Zeichen auf einem dunklen Monitor.

Am Ende ist die Vorliebe vieler Programmierer für das invertierte Anzeigeschema wohl am ehesten eine genretypische Kulturerscheinung: Dunkle Displays emittieren Hacker-Vibes, sie liefern eine Mischung aus Nostalgie und Tradition, die in den historisch-technischen Einschränkungen der ersten Computergenerationen wurzelt. Coder-Veteranen setzen zunächst vielleicht – trotz moderner Alternativen – schlicht aus Gewohnheit auf die dunkle Darstellung. Womöglich war das stilprägend für junge Programmierer: Leuchtende Zeichen auf dunklem Grund, wie sie sich auf den monochromen Displays bis in die neunziger Jahre zeigten, gehen mit einem gewissen Prestige, einer bestimmten »Street credibility« einher. Der Retro-Look ist hartnäckig und wird wohl nicht schnell von den Bildschirmen verschwinden.

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