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Saisonale Depression: Gibt es die »Sommerdepression«?

Wer in der warmen Jahreszeit depressiv ist, empfindet dies oft als besondere Last.
Junger Mann allein am Fenster

Wenn die Tage kürzer und die Sonnenstrahlen seltener werden, schlägt das vielen Menschen aufs Gemüt. Kommt die Schwermut mehrere Jahre hintereinander allein in den Herbst- und Wintermonaten auf, sprechen Ärzte und Psychologen von einer so genannten saisonalen Depression. Die genaue Ursache dafür ist bislang unklar. Vermutlich kommt es jedoch auf Grund des Lichtmangels in der dunklen Jahreszeit zu Störungen im so genannten zirkadianen Rhythmus, also der inneren Uhr des Menschen. Eine Lichttherapie – die morgendliche Behandlung mit einer Tageslichtlampe – hat sich als wirksames Gegenmittel erwiesen.

Neben dieser Winterdepression gibt es zwar keine analoge Diagnose »Sommerdepression«, doch ein Zusammenhang zwischen der heißen Jahreszeit und affektiven Störungen lässt sich durchaus vermuten. Im Sommer nehmen viele depressive Patienten die Diskrepanz zwischen ihrer eigenen Niedergeschlagenheit und dem fröhlichen Treiben draußen in Cafés, Parks und Bädern besonders deutlich wahr. Das eigene Stimmungstief wiegt für sie folglich umso schwerer: Andere sind ausgelassen, verbringen am liebsten den ganzen Tag an der frischen Luft, genießen laue Sommerabende – und die Betroffenen selbst verspüren nicht die geringste Lust, auch nur das Haus zu verlassen.

Im Urlaub wiegt schlechte Laune noch schwerer

Gerade im Urlaub, zum Beispiel am Strand, wird deutlich, dass sich andere Familienmitglieder oder Fremde offensichtlich gut erholen und die freie Zeit genießen. Der Depressive aber ist weiterhin betrübt, kann sich über nichts freuen und zu kaum einer Aktivität aufraffen. Aus medizinischer Sicht ist es deshalb bei einer akuten Depression auch eher nicht ratsam, eine Ferienreise zu machen. Denn dann gesellen sich zu den weiterhin vorhandenen Symptomen eventuell noch Schuldgefühle – weil man es nicht einmal im Urlaub schafft, sich besser zu fühlen.

Dafür ist allerdings die Krankheit selbst verantwortlich: Typische Anzeichen einer Depression sind ja gerade eine niedergeschlagene Stimmung, Interessen- und Freudlosigkeit, Antriebsschwäche, aber auch ein pessimistischer Blick in die Zukunft sowie körperliche Beschwerden wie Schlaf- und Appetitlosigkeit. Entscheidend ist, dass man sich dann professionelle Hilfe sucht. Doch mit einer Depression die Motivation dafür aufzubringen, ist nicht einfach. Schließlich haben viele Betroffene krankheitsbedingt die Hoffnung auf eine Besserung aufgegeben und machen sich selbst für ihr Los verantwortlich.

Dabei ist eine Depression in der Regel gut behandelbar. Die zwei wichtigsten Heilmittel sind Medikamente, vor allem Antidepressiva vom Typ der Selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), sowie die Psychotherapie. Je nach Schweregrad der Erkrankung kommen eines davon oder auch beide zum Einsatz.

Die Ursachen der Depression sind vielfältig. Sie besitzt eine genetische Komponente und wird durch frühe Traumatisierung begünstigt. Zudem erhöhen körperliche Gebrechen wie Diabetes oder eine Herz-Kreislauf-Erkrankung das Risiko. Entgegen der landläufigen Meinung hat die Zahl der Erkrankungen in den letzten Jahren nicht zugenommen; das ist wissenschaftlich gut belegt. Zugenommen haben allerdings die Arbeitsunfähigkeitstage und Frühverrentungen auf Grund von Depressionen. Vermutlich suchen Betroffene heute eher einen Arzt auf, und die Krankheit wird besser erkannt. Das ist erfreulich, denn nur eine richtig diagnostizierte Störung kann adäquat behandelt werden – ob im Sommer oder im Winter.

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  • Quellen

Dietrich, S. et al.: Von den ersten Symptomen bis zur Behandlung einer Depression. Wann und bei wem suchen Menschen mit Depression Hilfe? Welche Rolle spielt Stigmatisierung? In: Psychiatrische Praxis 44, S. 461–468, 2017

Jacobi, F. et al.: Twelve‐Month Prevalence, Comorbidity and Correlates of Mental Disorders in Germany: The Mental Health Module of the German Health Interview and Examination Survey for Adults (DEGS1‐MH). In: International Journal of Methods in Psychiatric Research 23, S. 304–319, 2014

Westrin, A., Lam, R. W.: Seasonal Affective Disorder: A Clinical Update. In: Annals of Clinical Psychiatry 19, S. 239–246, 2007

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