Direkt zum Inhalt

Materie: Warum wird atomarer Wasserstoff im All nicht zum stabilen H2-Molekül?

Beim Blick auf interstellare Materie fällt die schwer erklärbare Stabilität von atomarem Wasserstoff in HII-Gebieten auf. Welcher Mechanismus verhindert die energetisch viel günstigere Verbindung der H-Atome zum Molekül H2?
Die Sternentstehungsregion NGC 604 in der Spiralgalaxie Messier 33

Der neutrale atomare Wasserstoff im freien Weltraum stellt stets nur einen Übergangszustand dar. Das galt sogar für die Hunderte von Jahrmillionen dauernde Epoche im jungen Universum, in welcher der atomare Wasserstoff die dominierende Form der Materie war. Davor gab es ihn gar nicht: Es war zu heiß im Kosmos, weshalb Wasserstoff bis zum Weltalter von 380 000 Jahren in ionisierter Form vorgelegen hat. Wenn nichts weiter passiert wäre, dann wäre er irgendwann später durch die expansionsbedingte Abkühlung tatsächlich in die molekulare Form übergegangen. Aber beim Weltalter von einigen hundert Millionen Jahren (bei einer Rotverschiebung z zwischen etwa 10 und 7) leuchteten die ersten Quasare und massereichen Sterne auf und verwandelten mit ihrer Ultraviolettstrahlung den Wasserstoff wieder in seine ionisierte Form zurück.

Zuvor war es eigentlich für Wasserstoffmoleküle schon kalt genug geworden. Aber bei der geringen Dichte, die das Universum zu der Zeit bereits hatte, reichte einfach die Zeit nicht aus, bis sie mit der Reionisation dann ganz ablief: Zu wenige Wasserstoffatome waren davor einem möglichen Partner für die Molekülbildung nahe genug begegnet. Deshalb gibt es im Raum außerhalb von den dichten Bereichen der Galaxien bis heute weder molekularen noch atomaren Wasserstoff in bedeutenden Mengen. Innerhalb von Galaxien ist die Dichte hoch genug, und es gibt genug Zeit für eine Abkühlung des Gases und für die Begegnung zwischen den Atomen. Somit entsteht dort laufend in großen Mengen atomarer Wasserstoff aus ionisiertem und in der Folge auch molekularer Wasserstoff aus atomarem. Die vielen großen Molekülwolken in unserer und in anderen Galaxien legen davon drastisches Zeugnis ab.

Nun neigt aber der molekulare Wasserstoff sehr stark dazu, Sterne zu bilden. Die massereichen unter ihnen erzeugen dann in den Molekülwolken viel ultraviolette Strahlung. Und die wiederum heizt das Gas auf, zerlegt zuerst die Moleküle und danach auch noch die Einzelatome. Wenn einige dutzend Millionen Jahre später die heißen, UV-hellen Sterne in dem Gebiet erloschen sind, vereinigen sich zunächst die Elektronen wieder mit den Protonen zu atomarem Wasserstoff. Und wenn keine weiteren Störungen eintreten, also genügend Zeit verfügbar ist, dann kühlt das Gas weiter ab und bildet wieder H2-Moleküle.

Nun neigt aber der molekulare Wasserstoff sehr stark dazu, Sterne zu bilden. Die massereichen unter ihnen ... (siehe oben)! Langer Rede kurzer Sinn: Die vom Fragesteller Herrn Hilger zu Recht hinterfragte Stabilität des neutralen Wasserstoffs gibt es gar nicht. Aber es gibt trotzdem zu jeder Zeit in jeder Galaxie einen Anteil von neutralem Wasserstoff.

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.