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Gefühle: Ist schlechte Laune ansteckend?

Hustet jemand in unserer Nähe, versuchen wir meist, den Keimen auszuweichen. Sollten wir auch einem schlecht gelaunten Gegenüber aus dem Weg gehen?
Steck mich nicht an!
Steck mich nicht an! | Vor schlecht gelaunten Menschen sollte man sich schützen.

Besser wäre das, denn die Gemütslage unserer Mitmenschen überträgt sich auf ähnliche Weise wie ein Krankheitserreger. Psychologen nennen dieses Phänomen emotionale Ansteckung.

Wir wissen sogar, auf welchen Wegen die Stimmung von einer Person zur nächsten wandert. Zunächst ahmen wir unbewusst Gestik und Mimik unseres Gegenübers nach. Blickt jemand also finster drein, tun wir es ihm häufig gleich. Das Gehirn registriert wiederum unsere eigene Muskelaktivität, zum Beispiel die Zornesfalte oder die heruntergezogenen Mundwinkel – und schließt daraus, dass wir missmutig sind. Und zu guter Letzt bekräftigen wir die derart geweckten Gefühle, indem wir über sie sprechen.

Mit guter Laune anstecken lassen

Wenn also ein Arbeitskollege einen schlechten Tag erwischt, übernehmen wir unwillkürlich seine Haltung und lassen uns die Stimmung vermiesen. Umgekehrt können wir uns bei einer Frohnatur am Nachbarschreibtisch aber auch mit guter Laune anstecken – und das stärkt unsere Bindung zum betreffenden Kollegen.

Obwohl das alles unbewusst vonstattengeht, kann man die emotionale Ansteckung manchmal an sich selbst beobachten: beim Gähnen zum Beispiel. Zu solchen Formen automatischer Nachahmung, auch Chamäleon-Effekt genannt, neigen vermehrt empathische Menschen. Besonders leicht stecken wir uns bei Mitmenschen an, mit denen wir regelmäßig in Kontakt stehen oder denen wir uns nahe fühlen, wie Freunden, Familie und Partner.

Emotionale Ansteckung zwischen Paaren

Forscher von der University of Texas in Austin und der University of California in Los Angeles untersuchten über drei Jahre hinweg 150 Ehepaare, um herauszufinden, wie sich die Partner gegenseitig beeinflussten. Frauen ließen sich nicht so leicht vom Stress ihres Angetrauten infizieren, während die Männer zunehmend mit ihrer Ehe haderten, wenn sich ihre Partnerin belastet fühlte. Zudem färbte eine negative Gemütslage insgesamt stärker ab, je mehr die Partner einander bei Konflikten kritisierten.

Wer sich also lieber von guter statt von schlechter Laune anstecken lassen möchte, sollte bei der Wahl des Lebensgefährten auf dessen Grundstimmung achten.

Literaturtipp

Christakis, N.A., Fowler, J.H.: Die Macht sozialer Netzwerke. Wer uns wirklich beeinflusst und warum Glück ansteckend ist. S. Fischer, Frankfurt am Main 2010
Die verblüffenden Gesetze der sozialen Ansteckung

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  • Quellen

Neff, L. A., Karney, B. R.: How Does Context Affect Intimate Relationships? Linking External Stress and Cognitive Processes within Marriage. In: Personality and Social Psychology Bulletin 30, S. 134–148, 2004

Neumann, R., Strack, F.: "Mood Contagion": The Automatic Transfer of Mood between Persons. In: Journal of Personality and Social Psychology 79, S. 211–223, 2000

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