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Treue: Gehen Männer mit tiefer Stimme eher fremd?

Der Stimmklang kann uns so manches über den Charakter des Sprechers verraten. Mit unserer Intuition liegen wir überraschend oft richtig.
Man, der hinter dem Rücken den Ehering abnimmt
Es wäre praktisch, könnte man Fremdgänger rechtzeitig erkennen. Hinhören hilft womöglich.

Haben wir einen Unbekannten am Telefon, machen wir uns innerhalb von Sekundenbruchteilen ein Bild von dem Menschen hinter der Stimme. Ist er jung oder alt, groß oder klein, ehrlich oder verschlagen? Die Forschung zeigt: Unsere Urteile sind in vielen Fällen überraschend akkurat. Zum Beispiel können wir mit recht hoher Genauigkeit nur vom Hören Geschlecht und Alter einer Person einschätzen.

Bestimmte Charakteristiken der Stimme hängen schlicht mit der Physis zusammen. So sind Männer mit tiefem Timbre im Schnitt größer, stärker und gesünder als jene mit höherem Sound. Diese körperlichen Unterschiede können die meisten ebenfalls rein anhand der Stimme gut erahnen. Die Zuschreibungen beschränken sich allerdings nicht auf die Statur. Wir machen uns mit Hilfe des Stimmklangs auch ein Bild von der Persönlichkeit eines Menschen. So werden jene mit tieferer Stimme oft für dominanter, selbstbewusster und extravertierter, also geselliger gehalten. Aktuelle Studien zeigen, dass wir damit ebenfalls oft ins Schwarze treffen.

Interessanterweise wirkt sich die Sprechlage sogar auf den beruflichen Erfolg aus. So wurde in Untersuchungen festgestellt, dass Männer mit tieferer Stimme erfolgreichere Geschäftsführer sind. Darüber hinaus spielt die Stimmhöhe offenbar auch beim Dating eine Rolle. Männer mit tieferer Stimme werden als männlicher und damit attraktiver wahrgenommen.

Die Tendenz zur Untreue könnte mit einem hohen Selbstbewusstsein zusammenhängen

Eine tiefe Stimme scheint also für einen Mann in vielerlei Hinsicht von Vorteil zu sein, sie hat aber auch eine Kehrseite: Sie lässt ihn unter Umständen weniger vertrauenswürdig wirken. Hinweise darauf liefert eine 2020 veröffentlichte Studie, die ich gemeinsam mit Kollegen durchführte. Dafür sollten 181 Männer ihre Stimme aufzeichnen; zudem gaben sie uns Auskunft darüber, ob sie in vergangenen Beziehungen untreu gewesen waren. Anschließend hörten Frauen die Audioclips und stellten auf dieser Basis Mutmaßungen über den Hang zum Seitensprung der Sprecher an. Hierbei zeigte sich ein interessantes Muster: Frauen schätzten Männer mit tieferem Timbre als untreuer ein – und lagen damit häufig richtig. Diese gaben nämlich eher an, es in der Vergangenheit mit der Treue nicht so genau genommen zu haben. Der Befund zeigte sich seitdem auch in weiteren Untersuchungen.

Woran liegt das? Die Tendenz zur Untreue könnte teilweise mit den bereits genannten Persönlichkeitseigenschaften zusammenhängen: Männer, die dominanter, selbstbewusster und geselliger sind, könnten eher geneigt sein, sich anderweitig umzuschauen und sexuelle Kontakte außerhalb der Beziehung zu knüpfen. Hinzu kommt, dass tiefe Stimmen im Schnitt besser ankommen, was mehr Gelegenheiten für Untreue bieten könnte. Männer mit tiefer Stimme tun es also womöglich einfach, weil sie es können.

Diese Erkenntnisse verdeutlichen die komplexen Wechselwirkungen zwischen Anatomie, Persönlichkeit und Verhalten. Allerdings muss man zugeben: Die beschriebenen Zusammenhänge sind eher schwach ausgeprägt. Ein sonorer Bass ist also noch längst kein klares Indiz für einen gerissenen Casanova, und sicher gibt es auch so manchen umtriebigen Tenor. Nur weil Ihr Partner eine tiefe Stimme hat, sollten Sie also nicht gleich die Scheidung einreichen.

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  • Quellen

O’Connor, J. J. M. et al.: Voice pitch influences perceptions of sexual infidelity. Evolutionary Psychology 9, 2011

Schild, C. et al.: Linking men’s voice pitch to actual and perceived trustworthiness across domains. Behavioral Ecology 3, 2020

Schild, C. et al.: Voice pitch – A valid indicator of one’s unfaithfulness in committed relationships? Adaptive Human Behavior and Physiology 7, 2021

Stern, J. et al.: Do voices carry valid information about a speaker’s personality? Journal of Research in Personality 92, 2021

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