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Motivation: Was wollen wir wirklich?

Die Inkongruenz zwischen bewussten Zielen und unbewussten Motiven kann Unbehagen fördern – doch es lässt sich etwas dagegen tun.
Mann denkt nach

Wenn mich jemand fragt »Was willst du im Leben?«, nenne ich typischerweise jene Ziele, die ich gerade verfolge. Beruflich einen Erfolg erringen, in der Beziehung mehr Zeit füreinander finden, im Sportverein den Vorsitz übernehmen oder einfach einen gefassten Plan in die Tat umsetzen! Manche Menschen führen dagegen übergeordnete Werte an: etwas leisten, geselliger sein, sich durchsetzen …

Solche Ziele und Werte entsprechen meist den Anforderungen unserer Zeit sowie unserer Gesellschaft – und insofern häufig eher dem, was wir sollen, als dem, was wir wollen. Diesen feinen Unterschied nehmen wir zwar häufig kaum wahr, doch wie die Forschung belegt, ist er für die persönliche Lebenszufriedenheit zentral.

Was also wollen wir wirklich? Seit gut 60 Jahren nutzen Motivationspsychologen indirekte Verfahren, um das zu beantworten. Bei solchen Tests soll der Proband fantasievolle Geschichten zu Bildern verfassen, die Menschen in Alltagssituationen zeigen – zum Beispiel zwei Männer an einem Schreibtisch, der eine stehend, der andere sitzend. Anschließend bestimmen unabhängige Beurteiler, wie oft etwa das Thema Leistung oder sozialer Anschluss in den Erzählungen vorkommt.

Forscher gehen davon aus, dass die Art, wie Versuchspersonen solche mehrdeutigen Szenen interpretieren, etwas über deren Wünsche verrät. Verblüffenderweise sagen die Ergebnisse dieser Tests auch eine Menge darüber aus, wie man körperlich – gemessen am Blutdruck oder an der Hormonausschüttung – auf fordernde Situationen im Job oder im Privatleben reagiert.

Doch obwohl indirekte, narrative Verfahren unsere Motive gut widerspiegeln, zeigen die Resultate meist keinen nennenswerten statistischen Zusammenhang mit den Zielen und Werteorientierungen, die sich Menschen bewusst zuordnen. Deshalb spricht man bei den indirekt gemessenen Bedürfnissen auch von impliziten – unbewussten – Motiven. Das kann konkret etwa bedeuten, dass eine Person sich selbst für leistungsmotiviert hält, obwohl dies auf unbewusster Ebene gar nicht nachweisbar ist. Das Verblüffende: Die Chance, mit der eigenen Selbsteinschätzung richtigzuliegen, ist ungefähr die gleiche, wie bei einem Münzwurf Kopf statt Zahl zu erwischen.

Eine schlechte Passung zwischen dem, was uns emotional befriedigt, und dem, was wir für wichtig oder erstrebenswert halten, bleibt nicht ohne Folgen. So zeigen Menschen im Schnitt ein höheres Wohlbefinden, wenn sie Ziele verfolgen, die zu ihren impliziten Motiven passen. Erreicht man dagegen etwas, was einem in Wahrheit nicht so viel bedeutet, fühlt sich der Erfolg eher schal an.

Allerdings ist die Diskrepanz zwischen unbewussten Motiven und bewussten Zielen kein Schicksal. Vielmehr lässt es sich mit einfachen Tricks durchaus vermeiden, in die falsche Richtung zu steuern: So hilft es beispielsweise, vor einer Entscheidung auf eine mentale Zeitreise zu gehen und sich das Erreichen des Ziels möglichst lebhaft und realistisch vorzustellen. Das Gefühl, das sich bei dieser Imagination einstellt, gibt einem eine Ahnung davon, ob das Vorhaben zu den eigenen impliziten Motiven passt oder nicht.

Aus der Motivationsforschung lässt sich daher vor allem ein Ratschlag ableiten: Bevor Sie ein bestimmtes Ziel im Leben ansteuern, nehmen Sie sich die Zeit, sich das Erreichen desselben ungestört auszumalen. Imaginieren Sie möglichst genau, wie Sie ans Ziel Ihrer Träume gelangen, achten Sie dabei auf Ihre Gefühle – und treffen Sie Ihre Entscheidung erst danach!

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  • Quellen

Grund, A. et al.: Know your preferences: self-regulation as need-congruent goal selection. Review of General Psychology 159, 2018

Köllner, M., Schultheiss, O. C.: Meta-analytic evidence of low convergence between implicit and explicit measures of the needs for achievement, affiliation, and power. Frontiers in Psychology 5, 2014

Schultheiss, O. C., Brunstein, J. C.: Goal imagery: bridging the gap between implicit motives and explicit goals. Journal of Personality 67, 1999

LITERATURTIPP

Wilson, T. D.: Gestatten, mein Name ist Ich! Pendo, 2007 Der US-Psychologe Timothy Wilson ergründet das »kluge Unbewusste«.

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