Sinne: Können Schwangere besser riechen?
Als ich gerade frisch mit meinem ersten Kind schwanger war, konnte ich eines Nachts nicht schlafen, weil mir ein seltsamer Duft in der Nase hing. Ich wälzte mich im Bett hin und her und wunderte mich, wie penetrant ein Geruch sein kann. Noch erstaunter war ich, als ich die Quelle ausmachte: meinen Mann.
Natürlich hatte sich nicht sein Körpergeruch verändert, sondern meine Wahrnehmung. Viele werdende Mütter haben den Eindruck, dass ihre Nase während der Schwangerschaft sensibler wird. Die Geruchsempfindlichkeit geht oft mit Übelkeit einher. Schon 1930 wurde der Fall einer 27-jährigen werdenden Mutter beschrieben, die Gerüche, die sie vorher kaum registriert hatte, auf einmal als unerträglich empfand. Neuere Umfragen zeigen: Etwa drei Viertel der schwangeren Frauen glauben, Gerüche intensiver wahrzunehmen. Viele reagieren auf einen oder mehrere davon besonders sensibel – etwa Parfüm-, Tabak- oder Fischgeruch.
Doch objektive Tests widersprechen diesem Eindruck. Sollen sie im Labor an speziellen Riechstiften schnuppern, die mit Aromen von Ananas bis Zimt versetzt wurden, sind schwangere Probandinnen nicht besser darin, die präsentierten Duftnoten wahrzunehmen und zu benennen, als andere Versuchspersonen. 2022 veröffentlichte ein Team um Shaley Albaugh von der medizinischen Fakultät der University of Chicago dazu eine Metaanalyse – eine aussagekräftige Gesamtschau von 13 Studien zum Thema. Die statistische Auswertung zeigte, dass es schwangeren Frauen im Schnitt sogar etwas schlechter gelingt, Gerüche zu detektieren.
Als ich meiner Schwester, die bereits zweifache Mutter ist, von diesem Ergebnis erzählte, konnte sie es kaum glauben. Wie viele Frauen hat sie trotz aller Gegenbelege das untrügliche Gefühl, ihr Geruchssinn sei in der Schwangerschaft geschärft gewesen. Wie kann das sein, wenn die Fähigkeit, Gerüche wahrzunehmen, offensichtlich gar nicht zunimmt? Womöglich verändert sich nicht die sensorische Verarbeitung, sondern die Bewertung von Gerüchen. Demzufolge nehmen Schwangere diese nicht stärker wahr, sie empfinden sie aber als unangenehmer. Die Antwort auf die Frage, warum Schwangere geruchsempfindlicher sind, findet sich also nicht in der Nase, sondern im Gehirn – auf der Ebene kognitiver Bewertungsprozesse.
Welche neuronalen Veränderungen genau dahinterstecken, wird derzeit noch erforscht. Wahrscheinlich verändert eine Schwangerschaft die Funktion bestimmter Hirnareale, die an der Verarbeitung von Geruchsreizen beteiligt sind. Dazu gehört der piriforme Kortex, ein Abschnitt der Großhirnrinde, der über die Riechzellen in der Nasenschleimhaut und den zwischengeschalteten Riechkolben olfaktorische Information erhält. Auch Amygdala und Hippocampus – Teile des limbischen Systems, die Emotionen und Erinnerungsvermögen steuern – zählen vermutlich dazu sowie der orbitofrontale Kortex, ein Teil des Stirnlappens, in dem Informationen über Geruch und Geschmack zusammenlaufen.
Interessanterweise fand unsere Arbeitsgruppe heraus, dass bei Schwangeren auch die Wahrnehmung von Stoffen wie Chili, Minze oder Eukalyptol, die ein brennendes, prickelndes oder frisches Gefühl hervorrufen, verändert ist. Sie reagierten deutlich unempfindlicher auf solche stechenden Reize, die den Trigeminusnerv aktivieren, und beschrieben sie als weniger schmerzhaft und intensiv im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen. Das ist seltsam, da das beißende Gefühl, das der Trigeminusnerv vermittelt, eigentlich vor Giften schützen soll. Möglicherweise ist dieser Effekt aber ein Nebenprodukt einer verminderten Stressreaktion: Schwangere Frauen lassen sich physiologisch nämlich weniger leicht aus der Ruhe bringen. Auch hierin steckt wohl ein evolutionärer Nutzen, denn große Mengen an Stresshormonen können zu einer verfrühten Geburt führen. Die Einflüsse einer Schwangerschaft auf die Wahrnehmung sind also komplex, und wir beginnen gerade erst, sie zu verstehen.
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