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Gesundheit: Schaden Handystrahlen dem Gehirn?

Was ist dran an den oft vermuteten Gefahren durch Smartphones? Der Psychologe Christoph Böhmert klärt darüber auf, ob Mobilfunk tatsächlich krank macht.
Junger Mann starrt zu lange auf sein Handy und leidet morgen unter Schlafmangel

Weltweit haben mehr Menschen ein Mobiltelefon als Zugang zu einer funktionierenden Toilette. Zudem halten viele Nutzer ihr Handy oft mehrere Stunden täglich ans Ohr. Wie beunruhigend ist da die Vorstellung, die von den Geräten abgegebene Strahlung könnte das Gehirn beeinflussen oder gar Tumoren verursachen! Solche Ängste halten sich hartnäckig und werden gelegentlich sogar durch wissenschaftliche Studien befeuert. Doch die haben zumeist gravierende methodische Mängel.

Mobilfunk verwendet hochfrequente elektromagnetische Wellen, die sich sehr schnell ausbreiten. Diese nichtionisierende Art von Strahlung besitzt, anders als etwa radioaktive, zu wenig Energie, um Elektronen von Molekülen zu trennen oder das Erbgut zu schädigen. Welche Gesundheitsrisiken sind dann denkbar? Beim Telefonieren absorbiert der Kopf einen Teil der Energie, wodurch sich das Gewebe um weniger als ein Grad Celsius erwärmt. Dies gilt als unbedenklich und ist vergleichbar mit der natürlichen Schwankung der Körpertemperatur im Tagesverlauf. Über diesen thermischen Effekt hinaus haben Wissenschaftler trotz intensiver Forschung bislang keine Wirkung von Mobilfunkstrahlen auf den Körper feststellen können.

Sowohl die Weltgesundheitsorganisation als auch das Bundesamt für Strahlenschutz geben Entwarnung: International festgelegte Höchstwerte reichten völlig aus, um etwaige Gesundheitsgefahren auszuschließen. Die Internationale Krebsforschungsorganisation in Diensten der WHO, die IARC, stuft Handystrahlung allerdings als »möglicherweise Krebs erregend« ein. Insbesondere Gliome, die häufigste Art von Hirntumoren, könnten ihr zufolge vielleicht durch Funkwellen entstehen.

Würde Handynutzung tatsächlich die Entstehung von Gehirntumoren fördern, müssten diese seit einigen Jahren vermehrt auftreten – das ist allerdings nicht der Fall

Worauf fußt dieses Urteil? Maßgebend für die Einstufung der Handystrahlung war die in verschiedenen Ländern durchgeführte »Interphone«-Studie. In dieser Untersuchung fand man zwar keinen generellen Zusammenhang zwischen Mobilfunk und Gliomen. Jedoch war die Rate an Krebserkrankungen unter jenen Probanden, die über zehn Jahre hinweg täglich mehr als eine halbe Stunde mit dem Handy telefoniert hatten, leicht erhöht. Dieselbe Untersuchung zeigte andererseits auch, dass Leute, die täglich zwischen 15 und 30 Minuten telefonierten, sogar weniger Gliome entwickelten als solche, die das Mobiltelefon gar nicht nutzten. Ein höchst unklarer Befund also, der sehr leicht zufällig zu Stande gekommen sein könnte. Eine lineare Beziehung zwischen Dosis und vermeintlicher Wirkung war in den Daten jedenfalls nicht zu erkennen. Ein weiterer Grund zum Zweifeln: Würde Handynutzung tatsächlich die Entstehung von Gehirntumoren fördern, müssten diese seit einigen Jahren vermehrt auftreten – das ist allerdings nicht der Fall.

Forscher haben zudem mögliche Auswirkungen von Handystrahlen auf die Schlafqualität, die Konzentrationsfähigkeit und das Gedächtnis untersucht. Auch hier ließen sich keine eindeutigen Effekte festmachen. Manchen Studien zufolge konnten sich Probanden bei Vorhandensein eines elektromagnetischen Felds schlechter konzentrieren – in anderen Untersuchungen jedoch besser!

Warum werden solche möglicherweise positiven Effekte oft ausgeblendet? Das liegt wohl an einer besonderen Eigenschaft der Strahlung selbst. Wir können sie mit unseren Sinnen nicht erfassen, und dennoch kommen Anrufe, Nachrichten und immense Datenmengen auf unserem Gerät an. Wegen dieser Kombination entwickeln wir eine Art Grundskepsis, wie zum Beispiel auch gegenüber gentechnisch modifizierten Nahrungsmitteln oder Nanomaterialien.

Dennoch gilt: Exzessive Smartphone-Nutzung beschert uns zwar durchaus mal einen steifen Nacken, aber mit ziemlicher Sicherheit keine strahlungsbedingten Hirnerkrankungen.

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  • Quellen

Baan, R. et al.: Carcinogenicity of Radiofrequency ­Electromagnetic Fields. In: Lancet Oncology 12, S. 624–626, 2011

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